23. November 2024

Das Ende des „furchtbaren Würgers“

Friedenstag

• Oper in einem Aufzug von Richard Strauss

Libretto: Joseph Gregor (1888–1960)
Musik: Richard Strauss (1864–1949)
Uraufführung: 24. Juli 1938, München (Nationaltheater)
Dauer: ca. 80 Minuten

Ort:
Die Zitadelle einer belagerten Stadt

Hauptpersonen:
Kommandant der Stadt: Bariton
Maria, Frau des Kommandenten: Sopran
Wachtmeister: Bass
Schütze: Tenor
Konstabel: Bariton
Musketier: Bass
Hornist: Bariton
Frontoffizier: Bariton
Ein Piemonteser: Tenor
Kommandant der Belagerungsarmee: Bass
Bürgermeister: Tenor
Prälat: Bariton
Frau aus dem Volk: Sopran

Kurze Werkeinführung

„Friedenstag“ gehört zu den am seltensten gespielten Opern des deutschen Komponisten Richard Strauss (1864–1949) und dürfte seine umstrittenste sein.

Der Entwurf für die Textdichtung stammte vom österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig (1881–1942), der die Arbeit daran jedoch wegen seiner jüdischen Abstammung in der zunehmend vom Nationalsozialismus geprägten Entstehungszeit aufgab. An seiner Stelle und auf seine Empfehlung hin verfasste dann der österreichische Theaterwissenschaftler und Schriftsteller Joseph Gregor (1888–1960) den Text, wobei es zwischen Strauss und ihm aber nie zu einer ähnlich inspirierenden Zusammenarbeit kam, wie sie den Komponisten mit Stefan Zweig – etwa für das Werk Capriccio – verband.

Umstritten blieb der „Friedenstag“ bis heute, weil die Oper nach ihrer Uraufführung am 24. Juli 1938 von den Nationalsozialisten in höchstem Maße gelobt und gefördert wurde. Vor allem die darin zum Ausdruck kommende soldatische Opferbereitschaft wurde politisch ausgeschlachtet.

Andererseits lässt sich der „Friedenstag“, den Zweig ursprünglich als Parabel auf die Lebenssituation im sogenannten Dritten Reich konzipiert hatte, auch als Kritik an der nationalsozialistischen Gesinnung interpretieren. Diese Orientierung findet in der Textdichtung jedenfalls keinerlei Unterstützung. Und die Tatsachen, dass es in dem Werk letztlich um den Frieden geht, dass die Waffen weggeworfen werden, die Gegner einander umarmen, und der Krieg als „furchtbarer Würger“ verachtet wird, erhärten die mitunter geäußerten Verwürfe, Strauss habe mit seinem „Friedenstag“ Nazi-Propaganda betrieben, nicht wirklich.

Datiert ist die Oper exakt mit dem 24. Oktober 1648. Sie spielt zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) in der zertrümmerten Zitadelle einer belagerten Stadt.

Eine – von Stefan Zweig gewollte – Besonderheit des „Friedenstages“ ist, dass die Protagonisten namenlos bleiben und nur in ihren typischen Funktionen (Kommandant, Wachtmeister, Schütze etc.) auftreten. Nur die Frau des Kommandanten ragt als „Maria“ aus der Anonymität heraus. Das „macht sie zum Symbolträger: Sie ist der von Humanität kündende Mensch, Zeichen für Liebe, Frieden und Versöhnung“ (Anette Unger im Textbuch zur EMI-CD „Friedenstag“, 1999)

Die Handlung

Kurz und gut

Die aus der anonymen Masse der Schützen, Wachtmeister und Kommandanten herausragende Frau trägt den Namen Marie. Sie glaubt, zum Glück für alle, auch nach dreißigjährigem Kriegsgewürge fest an den großen Friedenstag. 24. Oktober 1648.

Die Zitadelle einer belagerten Stadt

Morgendämmerung in einer katholischen Stadt in Deutschland, die von protestantischen Truppen belagert wird. Nach jahrelangem Krieg ist die Munition verbraucht, die Zitadelle liegt in Trümmern. Doch der zur Übergabe seiner Stadt aufgeforderte Kommandant will immer noch nicht aufgeben.

Die Soldaten kennen in ihrem Leben nichts anderes als den Krieg. Als ein junger Piemonteser, der ein an den Kommandanten gerichtetes Schreiben des Kaisers durch die feindlichen Linien gebracht hat, von der Schönheit seiner Heimat singt („La rosa, la rosa!“), erntet er dafür nur Spott.

Das Volk aber hat genug von Leid und Elend. Es ist dem Verhungern nahe und stürmt die Zitadelle. Der Bürgermeister und der Prälat verlangen vom Kommandanten, die Stadt endlich aufzugeben. Unter dem Krieg würden alle Leiden, auch die Feinde.

Doch der Kommandant glaubt immer noch an den Sieg. Zudem befehle ihm der Brief des Kaisers, die Stadt zu halten.

Das Volk aber lässt sich nicht mehr auf Linie bringen, es ist kriegsmüde und überzeugt von der Sinnlosigkeit weiteren Tötens. Bald ertönen wütende Schreie. Der Kommandant und seine Offiziere werden als „Mörder“ bezeichnet.

Letztlich kündigt der Kommandant dem Volk die Kapitulation der Stadt an, doch die Zitadelle will er nicht aufgeben. Er hat vor, sie zu sprengen und gibt Befehl, das verbliebene Pulver unter der Festung anzuhäufen. Die Soldaten mögen den Ort verlassen, er selbst wolle die Zündschnur in Händen haben – und werde sich unter keinen Umständen ergeben.

Doch die Getreuen des Kommandanten – Wachtmeister, Konstabel und Schütze – sind entschlossen, in soldatischer Treue bei ihrem Anführer zu bleiben. Auch Marie, die Frau des Kommandanten, will an seiner Seite mit ihm zu sterben – jedoch aus Liebe. Und während er die Pflicht und Ehre des Soldaten hoch hält, wünscht Maria sich nur eines: endlich Frieden!

Krieg, furchtbarer Würger Krieg,
Wind alle Opfer dir nicht genug?
Borgst du auch noch den Schein der Ehre,
Um ihn zu töten, der mir alles ist?
Hör es, Krieg: auch ich war Soldat!
Dich selbst hab ich bekriegt
um meiner Liebe willen!
Verflucht seist du, Krieg!
Hör es, Krieg!
Mein ist der letzte, ewige Sieg!
Sonne, sie rief mich mit ihrem Licht!
Geliebter, ich folge des Lichtes Werben,
Geliebter, ich komme, mit dir zu sterben.

Nun ertönt in der Ferne ein Kanonenschuss. Der Kommandant vermutet den schon lange erwarteten Angriff der Feinde („Erwünschtes Zeichen“), vergisst schnell sein Vorhaben, die Zitadelle zu sprengen und tritt die Lunte der Zündschnur aus, um sich und seine Soldaten noch einmal in den Kampf zu stürzen („Kampf und Untergang – endlich – mein Gott!“).

Doch dann herrscht Stille. Glockengeläute ertönt. Ist es das ersehnte Zeichen? Endlich Frieden? Maria ist überzeugt davon, doch der Kommandant glaubt an eine Kriegslist – auch noch, als die Feinde mit weißen Fahnen zeigen. Er ist entschlossen, weiter zu kämpfen.

Doch die Bürger lassen die feindlichen Truppen in die Stadt, begrüßen sie freudig, und schließlich kann der Holsteiner, der Führer der Protestanten, den Friedensschluss von Münster verkünden, zu dem sich „Gesandte des Kaisers, Gesandte des Fürsten, der Bischöfe, Städte und allen Landes“ durchgerungen hätten. Dreißigjähriges kriegerisches Wüten sei „mit dem heutigen Tag zu Ende“.

Schon ertönen Friedenschöre, doch der Kommandant glaubt der Botschaft immer noch nicht, beschimpft den Holsteiner als Lügner und Ketzer und will den Kampf fortsetzen. Schon zieht er „das Schwert, der Holsteiner greift nach dem seinen“, da wirft sich Maria zwischen die Männer. Sie fleht ihren Geliebten an, dem Frieden zu trauen:

Mann, es ist Friede!
Sieh mich doch an,
sieh mir ins Auge,
und glaube auch ihm!

„Der Kommandant sieht sie lange an, dann gleitet sein Blick auf den Holsteiner. Sie stehen einander wortlos gegenüber. Plötzlich wirft der Kommandant sein Schwert weit von sich – sie sinken einander ergriffen in die Arme.“

Und allen wird klar: Nun ist der Friedenstag gekommen:

Wagt es zu denken,
Wagt zu vertrauen,
Wagt in das göttliche
Leuchten zu schauen!
Die uns erschüttern,
die uns noch blenden,
Zeichen sind es,
die niemals enden!
Brücken, die wir
zu beschreiten nicht wagen,
leicht werden sie
die Zukunft ertragen.
Wagt es zu denken,
wagt zu vertrauen,
schwelgt in gewalt’gem
Liebesumfassen!
Ströme des Herzens,
endloser Jubel!
Flamme der Liebe,
aufwärts, aufwärts –
Herrscher Geist, zu dir!

(Zitate, sofern nicht anders angemerkt, aus dem Libretto)