Michael Graceys Musicalfilm „The Greatest Showman“ •
P.T. Barnum (Hugh Jackman) kommt aus armen Verhältnissen und hat soeben seinen Job verloren. Aber er sprüht vor kreativen Ideen und ist fest dazu entschlossen, seiner Frau Charity (Michelle Williams), die aus einer wohlhabenden Familie stammt, und seinen beiden geliebten Töchtern irgendwann ein sorgenfreies Leben bieten zu können.
Indem er seiner Bank nicht vorhandene Sicherstellungen anbietet, gelingt es Barnum, einen Kredit für ein eigenes Unternehmen zu bekommen. Er ist davon überzeugt, dass ein Kursiositätenkabinett mit Wachsfiguren und ausgestopften Tieren in Scharen Besucher anlocken wird und investiert alles in diese Idee. Doch der Erfolg bleibt aus. Ein solches Museum interessiert kaum jemanden.
In seiner Not wird Barnum hellhörig, als auch seine Töchter, die er mit seinen Ideen eigentlich immer begeistern konnte, kritisieren, es gebe in diesem Museum zu viele tote Dinge zu sehen. Also macht er sich auf die Suche nach lebenden Kuriositäten: Eine bärtige Frau, ein kleinwüchsiger Mann, ein Riese, ein auf dem ganzen Körper Tätowierter, Artisten und Tänzer aus anderen Kulturkreisen …
Bald ist alles, was Aufsehen, vielleicht auch Abscheu erregt, bei P.T. Barnum zu sehen. Und der große Publikumserfolg stellt sich ein. Gleichzeitig wächst aber auch die Ablehnung. Kritiker werfen dem „größten Showman“ vor, Außenseiter der Gesellschaft für seine Zwecke auszunutzen. Viele finden die Gestalten, die in diesem Zirkus auftreten, auch einfach nur widerlich, inszenieren Protestaktionen und wollen, dass Barnum das Feld räumt.
Der versteht es zwar bestens, die Kritik als Werbung für seine Show zu nutzen, aber er selbst leidet darunter, in höheren Gesellschaftskreisen immer noch keine Anerkennung gefunden zu haben.
Als es seinem Partner Philip Carlyle (Zac Efron) gelingt, bei der englischen Königin einen Termin für die Showtruppe zu bekommen, lernt er dort die schwedische Operndiva Jenny Lind (Rebecca Ferguson) kennen – und es gelingt ihm, sie für eine große Amerika-Tour zu verpflichten.
Der Durchbruch in den höchsten Gesellschaftsschichten scheint so nah wie nie – aber die schwersten Proben für Barnums Charakter stehen noch bevor …
Mit seinem Regiedebut (!) „The Greatest Showman“ gelang dem Australischen Regisseur und Visual-Effekts-Künstler Michael Gracey ein Augen- und Ohrenschmaus, der zu den besten Musicalfilmen aller Zeiten gezählt werden kann.
Die Musik (John Debney & Joseph Trapanese) und die großartigen Songs (Benj Pasek & Justin Paul) verweben sich mit den Choreographien, der Inszenierung und den visuellen Effekten zu einem rasanten, heiteren Gesamtkunstwerk zu „Themen wie Familie, Freundschaft und das Erfüllen von Lebensträumen“ (Zitat aus der FSK-6-Freigabebegründung).
Wer einen kreativ herausragenden Musicalfilm sehen möchte, wird mit dem vielfach ausgezeichneten Streifen „The Greatest Showman“ seine ungetrübte Freude haben.
Wer allerdings erwartet, bei dieser Gelegenheit auch etwas über das Leben des wirklichen, überaus umstrittenen US-amerikanischen Zirkusdirektors P. T. Barnum (1810–1891) erfahren zu können, wird von der dramaturgisch ziemlich weichgespülten Darstellung seines Lebens enttäuscht.
Neuere Recherchen lassen vermuten, dass Barnum die „menschlichen Kuriositäten“, die in seinen Shows zu sehen waren, als sein Eigentum betrachtete und sie auch gegen deren Willen an die Öffentlichkeit brachte. Unter anderem dürfte er auch gesorgt haben, dass für seine Show Aborigines aus Australien nach Amerika verschleppt wurden.
Diese Gegebenheiten werden in „The Greatest Showman“ nicht einmal angedeutet, weshalb dem Streifen von Kritikern Verharmlosung vorgeworfen wird. Barnum habe nicht im Sinne der Menschlichkeit und Diversität gehandelt, sondern andere brutal für seine Zwecke ausgebeutet.
Wertfrei betrachtet, ist immerhin Barnums Rolle als Zirkuspionier unstrittig, und auch Jenny Lind (1820–1887), die „schwedische Nachtigall“, hat tatsächlich mit ihrem herausragenden Können international als Sängerin begeistert.
Alles in allem empfiehlt es sich jedenfalls, „The Greatest Showman“ nicht einmal ansatzweise als Biopic zu bewerten, auch wenn der Musicalfilm von historischen Ereignissen inspiriert ist.
Aber für sich besehen und getrennt von den unrühmlichen historischen Gegebenheiten ist Michael Gracey ohne Zweifel ein filmisches Meisterwerk gelungen.
„The Greatest Showman“ wirkt schon beim „Erstkontakt“ wie ein Klassiker – und zählt gewiss zu jenen Streifen, von denen man sich gern immer wieder faszinieren lässt.
(2016, 105 Minuten)