Brady Corbets Filmdrama „Der Brutalist“ •
1947. Der hochbegabte jüdische Architekt László Tóth (Adrien Brody) hat den Holocaust überlebt und verlässt in der Nähe von New York City sein Schiff, das ihn in die USA gebracht hat. Er hofft, hier an seine Erfolge mit architektonischen Konzepten, die er in Budapest verwirklichen konnte, anschließen zu können. Und er hofft vor allem, dass seiner Ehefrau Ehefrau Erzsébet (Felicity Jones), von der er getrennt worden war, und seiner Nichte Zsófia (Raffey Cassidy) ebenfalls die Einreise in die USA gelingen wird.
Doch der berufliche Neustart im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ erweist sich als schwierig. Einwanderern begegnet man mit Vorbehalten, und auch Lászlós Arbeit für seinen Cousin Attila (Alessandro Nivola) in Pennsylvania, bei dem er zunächst wohnen darf, endet in Unfrieden.
Die beiden nehmen einen Auftrag zur Neugestaltung einer alten Bibliothek im Anwesen des örtlichen Tycoons Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) an. László konzipiert den bislang zum Schutz der Bücher stets durch schwere Vorhänge abgedunkelten Raum völlig neu. Ein lichtdurchfluteter Leseraum entsteht, die Regale sind mit ausklappbaren Lamellen ausgestattet. Doch Harrison ist blind für die Genialität dieser Lösung. Er weigert sich sogar, den Umbau zu bezahlen.
Attila gibt László die Schuld für die Probleme mit dem finanzkräftigen Kunden und wirft ihn schließlich aus seinem Haus – mit der völlig aus der Luft gegriffenen Unterstellung, er würde seine Frau Audrey (Emma Laird) umwerben.
Lászlós Zuhause ist in der Folge ein christliches Männerwohnheim. Sein Geld verdient er mit Hilfsarbeiten auf Baustellen – bis Harrison Lee Van Buren unerwartet abermals in sein Leben tritt.
Die neue Bibliothek in seiner Villa hatte großes Aufsehen erregt; das angesehene Magazin „Look“ hatte mit einer Fotoreportage über den Raum berichtet und ihn als „Triumph des minimalistischen Designs“ bezeichnet. Außerdem hatte Harrison von Lászlós herausragenden architektonischen Leistungen in Budapest erfahren.
Nun entschuldigt er sich für sein Verhalten, bezahlt für die Bibliothek, lädt László zu sich nach Hause ein und bietet ihm schließlich an, auf einem Hügel in der Nähe seines Anwesens ein großes Kulturzentrum zu errichten. Gleichzeitig setzt sich Harrisons Anwalt erfolgreich dafür ein, dass Erzsébet und Zsófia in die USA nachreisen können.
Damit scheint sich für László Tóth der „amerikanische Traum“ doch noch zu erfüllen. Das Bauprojekt könnte die bisherige Krönung seiner Karriere werden, und er würde ein finanziell gut ausgestattetes Leben an der Seite seiner Frau führen können …
Doch Harrison Lee Van Buren hat nach wie vor keinen wirklichen Bezug zur Baukunst. Er betrachtet das modernistische Denkmal, das László entwirft, vor allem als Prestigeprojekt für sich selbst. Und so steht die für einen egoistischen, empathielosen Machtmenschen selbstverständliche Übergriffigkeit bald in scharfem Gegensatz zu allen kreativen Ambitionen …
In dem von ihm geschriebenen und inszenierten mehr als dreistündigen Filmdrama „Der Brutalist“ thematisiert der US-amerikanische Schauspieler und Filmregisseur Brady Corbet nicht nur das Schicksal jüdischer Auswanderer in den vorwiegend protestantisch geprägten Vereinigten Staaten der Nachkriegszeit, sondern im Besonderen auch den monumentalen, durch Sichtbeton geprägten architektonischen Stil des „Brutalismus“.
Dank durchweg hervorragender Schauspieler – Adrien Brody erhielt für seine Darstellung des Architekt László Tóth einen Oscar – und exzellenter Kreativarbeit (weitere Oscars für die beste Kamera und die Filmmusik; Nominierungen für „beste Regie“, „bestes Drehbuch“, „beste Nebendarstellerin“, sowie zahlreiche weitere Preise) empfiehlt sich „Der Brutalist“ als spannende, wenngleich nicht leicht zu konsumierende Zeitreise.
Kritisch anzumerken ist allenfalls, dass Brady Corbets Werk bewusst mit der dokumentierenden Anmutung eines Biopics spielt, in Wirklichkeit aber eine fiktive Geschichte erzählt, die allenfalls von wahren Begebenheiten – etwa vom Leben des Architekten Marcel Breuer (1902–1981) – inspiriert ist. Auch kann ich Kritiker verstehen, die einwenden, dass die im Film präsentierte Architektur des Kulturzentrums, mit der László Tóth seine eigenen KZ-Erlebnisse verarbeitet, nicht wirklich als Meisterwerk des Brutalismus „durchgehen“ würde. Trotzdem: sehenswert!
(2024, 215 Minuten)