25. April 2024

Das Leben ist kein Liebesroman

Eugen Onegin

• Eine Oper („Lyrische Szenen“) von Pjotr Iljitsch Tschaikowski in drei Aufzügen

Libretto: Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893) und Konstantin Schilowskij (1848–1893)
Musik: Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893)
Uraufführung: 29. März 1879, Moskau (Maly-Theater)
Dauer: ca. 3 Stunden

Aufzüge:
1. Veranda vor dem Gutshaus der Larins; Tatjanas Zimmer; Ein entlegener Garten
2. Der Festsaal im Gutshaus; Auf einem Feld
3. Ballsaal im Hause Gremins; Empfangszimmer im Hause Gremins

Hauptpersonen:
Larina, Witwe eines Gutsbesitzers: Mezzosopran
Tatjana, ihre ältere Tochter: Sopran
Olga, ihre jüngere Tochter: Alt
Filipjewna, Kinderfrau: Mezzosopran
Eugen Onegin: Bariton
Lenski, ein Dichter, Onegins Freund: Tenor
Fürst Gremin: Bass
Ein Hauptmann: Bass
Saretzki, Sekundant: Bass
Triquet, ein Franzose: Tenor

Kurze Werkeinführung

„Eugen Onegin“ ist die bekannteste Oper des russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893). Ihre Uraufführung fand am 29. März 1879 in Moskau statt, zunächst durch Schüler des Moskauer Konservatoriums. Erst knapp zwei Jahre danach, am 1. Januar 1881, fand die Aufführung der „lyrischen Szenen“, wie Tschaikowski sein Werk beschrieb, vor großem Publikum im Bolschoi-Theater statt. Die Oper war sofort ein großer Erfolg und wurde bald auch international bekannt. Die deutsche Erstaufführung fand 1892 in Hamburg statt – unter der Leitung von Gustav Mahler (1860–1911) und, wie überliefert ist, „im Beisein des höchst zufriedenen Komponisten“.

Als literarische Vorlage diente dem Komponisten und seinem Co-Librettisten Konstantin Schilowskij (1848–1893) der gleichnamige „Versroman“ Alexander Puschkins (1799–1837), der als russischer Nationaldichter und Begründer der modernen russischen Literatur gilt.

„Eugen Onegin“ erzählt von einer unerfüllten Liebe vor dem Hintergrund der kulturellen Situation in Russland um 1820, auch die Oper spielt in dieser Zeit.

Die Handlung

Kurz und gut

„O, welch hartes Los!“ klagt Eugen Onegin am Ende. Zunächst hat er seinen Freund verloren (weil er ihn im Duell erschossen hat), und nun auch Tatjana, die einen anderen Mann geheiratet hat (nachdem er ihre Liebe nicht erwidert hatte).

1. Veranda vor dem Gutshaus der Larins

Larina, die Witwe eines Gutsbesitzers, lauscht gemeinsam mit Filipjewna, der Kinderfrau des Hauses, dem Gesang ihrer beiden Töchter Tatjana und Olga („Slikhali l vi za roschei glas nochnoi“). Tatjana, die ältere, ist ein eher verträumter, romantischer Charakter, Olga dagegen einfach lebenslustig. Larina erinnert der Gesang an ihre eigenen Jugendträume, die dann von der nüchternen Realität einer Vernunftehe ausgelöscht worden waren.

Einige Bauern kommen fröhlich singend von ihrer Arbeit auf den Feldern zurück. Die Ernte ist eingebracht, sie überreichen Larina eine Garbe als Geschenk.

Tatjana fühlt sich vom Gesang der Bauern angerührt, Olga indes hält von der Träumerei ihrer Schwester wenig. In ihr haben die Lieder der Bauern die Lust zum Tanz geweckt.

Nun kommt Lenski des Wegs, ein Dichter, der Nachbar der Larins. In seiner Begleitung ist Eugen Onegin, ein Gast und Großstadtmensch, dem er nun die beiden Schwestern vorstellt. Lenski liebt Olga („Ya lyublyu vas“), Onegin indes fühlt sich zu Tatjana hingezogen:

Wär’ ich Poet, ich weihte
der ander’n mich mit Herz und Blut …

Kurze Zeit später beobachtet Filipjewna, wie der Onegin mit Tatjana am nahe See spazieren geht. „… sollt’ am Ende gar der junge Mann ihr Eindruck machen?“

Tatjanas Zimmer

Die Begegnung mit Eugene Onegin hat Tatjana tief beeindruckt. Sie liegt wach im Bett in ihrem Zimmer, Filipjewna an ihrer Seite, und es ist ihr klar geworden, dass sie den Mann aus der Stadt liebt. Von ihrer Amme will sie nun wissen, ob sie je einmal verliebt gewesen sei „in jener längst vergang’nen Zeit … eh’ du gefreit“.

Filipjewna verneint. Sie sei früh verheiratet worden und habe sich in ihr Schicksal dankbar fügen müssen: „Wie hätt’ zu lieben ich gewagt?“

Tatjana entschließt sich nun, Onegin in einem Brief ihre Liebe zu gestehen („Puskai pogibnu ya, no pryezhde“):

Und wär’s mein Untergang, erfahren
Will ich zuvor, was schon seit Jahren
Verschwiegne Wünsche in mir fragen,
Die ungestüm ans Licht sich wagen.
Ich schlürf’ das süße Gift Verlangen,
Der Sehnsucht Bann hält mich gefangen.
Ich seh ihn stets, an jedem Ort
Verfolgen mich sein Blick, sein Wort.

Am nächsten Morgen bittet Tatjana ihre Amme, den Liebesbrief Onegin zuzustellen.

Ein entlegener Garten

In einem entlegenen Teil des Gutsgartens wartet Tatjana bange auf Onegin. Wie würde er auf ihren Brief, ihr Liebesgeständnis reagieren? Ihr wird „heiß und kalt“.

Als Onegin schließlich kommt und ihr erklärt, dass er ihre Liebe nicht erwidern könne, weil er für eine Ehe grundsätzlich ungeeignet sei („Vi mnye pisali“), fühlt sich Tanja tief beschämt.

Onegin rät ihr noch, Überwindung zu üben, denn die Liebe sei „im Mädchenleben meist Täuschung, Spiel der Phantasie“ und würde in der Unerfahrenheit nur „Weh und Leid“ bringen.

Tanjas Hoffnungen sind zerstört.

2. Der Festsaal im Guthaus

Im Festsaal des Gutshauses wird Tatjanas Namenstag gefeiert. Der Ball, zu dem auch Lenski und Onegin eingeladen sind, bietet allen Gästen eine willkommene Abwechslung im sonst eher eintönigen Landleben.

Als Onegin mit Tatjana tanzt, bietet dies sogleich jede Menge Stoff für die klatschsüchtige Gesellschaft: „Seht nur, seht nur, die Täubchen, sie tanzen! Das gibt ein Brautpaar; nun, es ist Zeit!“

Onegin verärgert diese Rederei. Er bereut, Lenski auf den Ball begleitet zu haben und bittet nun demonstrativ Tatjanas Schwester Olga zum Tanz, um ihr spielerisch den Hof zu machen.

Als ein Tanz dem nächsten folgt, kann Lenski seine Gefühle nicht mehr zügeln. Er stellt Olga schließlich zur Rede, macht sich bei ihr damit aber nur lächerlich: „Das ist nur blinde Eifersucht, Wahnbild erhitzter Sinne!“

Zunächst sorgt Triquet, ein französischer Sänger, der ein Ständchen für Tatjana darbringt („A cette fète convies“), noch für Ablenkung, dann aber eskaliert der heftige Streit zwischen Onegin und Lenski: Dieser fordert seinen Freund zum Duell.

Hier im Hause verflossen die Stunden
Mir dereinst wie ein kindliches Spiel,
Hier im Hause, hier hab ich empfunden
Erster Liebe erhebend Gefühl.
Aber heut musst’ ich leider erfahren,
Dass das Leben kein Liebesroman,
Dass die Ehre ein leeres Gebaren,
Dass die Freundschaft getäuscht werden kann. 

Tatjana, Olga und die Ballgäste sind erschüttert. („Welch ein Skandal! Lasst uns den Zweikampf verhindern. Es darf nicht geschehen, dass Blut hier fließe.“)

Doch niemandem gelingt es, Lenski und Onegin von ihrem Vorhaben abzubringen.

Auf einem Feld

In der Dämmerung eines Wintermorgens warten Lenski und sein Sekundant auf Onegin. Bedrückt von düsteren Vorahnungen blickt der Dichter auf sein Leben zurück, auf seine Jugend und sein Liebesglück („Wohin, wohin seid ihr entschwunden?“).

Dann erscheint – verspätet – Onegin auf dem Feld. An seiner Seite trägt Guillot den Pistolenkasten – ein Kammerdiener … eigentlich nicht standesgemäß, eigentlich ein Grund, das Duell abzusagen. Doch es bleibt dabei. Unfähig, ihren Empfindungen, die zu einer Versöhnung drängen, zu folgen („Vragi! Davno li drug ot druga“), treten die Freunde einander gegenüber und nehmen ihre Plätze ein.

„Onegin erhebt, vortretend, die Pistole; gleichzeitig zielt auch Lenski. Onegin schießt zuerst. Lenski wankt, lässt die Pistole fallen und sinkt zu Boden.“

Onegin stürzt zu seinem Freund.

Lenski ist tot.

3. Ballsaal im Hause Gremins

Eugen Onegin war nach dem Duell ins Ausland gegangen. Rastlos war er auf Reisen unterwegs gewesen. Ruhe und Seelenfrieden hat er nirgendwo gefunden.

Nun, nach 16 Jahren, ist er nach Russland zurückgekehrt und Gast auf einem Ball im Palast des Fürsten Gremin in St. Petersburg.

Ich irrte planlos durch die Fremde,
An keinem Ort hielt es mich lang,
Und da mein Reisen mir misslang,
Macht’ ich der Fahrt ein rasches Ende.
Den Frieden, den ich nirgends fand,
Ihn such’ ich nun im Vaterland. 

Als eine besonders elegante Frau auftritt, traut Onegin zunächst kaum seinen Augen – könnte es sich wirklich um Tatjana handeln? Erstaunt will er von seinem Gastgeber wissen, wer denn die Dame sei, „die dort im roten Samtbarette mit dem Gesandten Spaniens spricht“.

Fürst Gremin gibt bereitwillig Auskunft: „Meine Gattin ist’s“ – und erzählt freimütig, wie sehr er sie liebe („Lyubvi vsye vozrasti pokorni“):

Onegin, dir kann ich’s vertrauen,
Unsagbar liebe ich Tatjanen.
Gar trüb es um mein Leben stand,
Da sah Tatjana ich und fand
Gleich Sonnenstrahl nach Nebelwetter
In ihrem Wesen meinen Retter.

Dann werden Onegin und Tatjana einander offiziell vorgestellt. „Onegin verbeugt sich tief, Tatjana erwidert ohne Bestürzung einfach und schlicht“ – und wendet sich, „auf Gremins Arm gestützt“, sogleich wieder ab. Onegin blickt ihr nach und bleibt mit reumütigen Erinnerungen zurück:

Ist dies denn wirklich die Tatjana,
Die heimlich mir ihr Herz erklärt,
Die ich, von falschem Wahn betört,
Mit kalten Worten von mir bannte,
Weil ihren Wert ich nicht erkannte.
Sie, deren Brief ich noch bewahre
Und deren Neigung ich verschmähte,
Ist sie es selbst, die eben hier
So kalt gelassen sprach mit mir?

Empfangszimmer im Hause Gremins

Tatjana hat von Onegin einen Brief erhalten, der sie noch einmal mit den Ereignissen ihrer Jugendzeit konfrontiert. Bange erwartet sie im Empfangszimmer des Hauses Gremins seine Ankunft.

Nachdem Onegin den Raum betreten hat, bekennt er Tatjana ohne Umschweife seine Zuneigung und wirft sich ihr reuevoll zu Füßen (Oh, so habt Erbarmen. Ein Irrtum war es. Welch herbe Sühne!“)

Tatjana spürt, dass auch sie Onegin noch liebt, und doch widersteht sie seinem Drängen, gemeinsam mit ihm aus St. Petersburg zu fliehen. Sie will ihrem Mann treu bleiben:

Anders hat das Schicksal es gefügt.
Unwiderruflich bin ich gebunden.
Ihre Pflicht ist jetzt,
zu geh’n, mich zu verlassen. 

Onegin fleht Tatjana auf Knien an, sich anders zu entscheiden („Heiß mich nicht geh’n, folg deinem Herzen“), doch sie reißt sich – „mit letzter Kraft“ – los („Leb wohl! Auf ewig!“) und lässt ihn zurück … „in dumpfer Verzweiflung“:

„Verschmäht, verstoßen! O welch hartes Los!“

(Zitate aus dem Libretto; Übersetzung aus: www.opera-guide.ch)