27. April 2024

… heute nennen wir diese Maschinen „Computer“

Morten Tyldums Bio-Pic „The Imitation Game“ über das Leben des grandiosen Mathematikers und Logikers Alan Turing

Im Nachspann zum Film „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ ist ein Satz zu lesen, der die geschichtliche Bedeutung des britischen Mathematikers Alan Turing (1912–1954) vielleicht am eindrucksvollsten zusammenfasst: „Historiker schätzen, dass die Enigma-Entschlüsselung den Krieg um mehr als zwei Jahre verkürzt und über 14 Millionen Menschenleben gerettet hat.“

Mit dem „Krieg“ ist der Zweite Weltkrieg gemeint. Die „Enigma“ (griechisch für „Rätsel“) war eine Maschine, mit deren Hilfe das deutsche Militär seine Funksprüche so verschlüsselte, dass kein Geheimdienst in der Lage war, die abgehörten Nachrichten zu verstehen – bis Alan Turing für die Briten tätig wurde.

Er schlägt vor, eine „Knackmaschine“ zu bauen, die schneller als jeder Mensch dazu in der Lage ist, mögliche Lösungen durchzuspielen und die deutschen Kryptogramme zu brechen. Seine Vorgesetzten zweifeln daran, dass ein solches Vorgehen möglich ist und erfolgreich sein kann, aber nachdem er direkte Unterstützung von Winston Churchill, dem britischen Premierminister, erhält, macht sich Turing mit seinem Team an die Arbeit – und er ist (nach einigen Rückschlägen) erfolgreich.

Die Bedeutung des Mathematikers und Kryptoanalytikers, dessen Leben der norwegische Regisseur Morten Tyldum in seinem ausgezeichneten Streifen „The Imitation Game“ verfilmt hat, kann wohl tatsächlich nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und doch wusste man bis vor kurzem nur sehr wenig über den dramatischen Wettlauf mit der Zeit, der die Nerven der Alliierten blank legte, weil im Kriegsverlauf Stunde für Stunde mehr Soldaten starben – nur weil es nicht und nicht gelang, die abgehörten deutschen Funksprüche zu entschlüsseln. Sämtliche Aufzeichnungen, die die „Enigma“ betrafen, wurden 50 Jahre lang unter Verschluss gehalten.

Aber nicht nur was den Bau seiner „Knackmaschine“ anlangte, führte Alan Turing „ein streng geheimes Leben“ (so der deutsche Untertitel des Films). Der Mathematiker war homosexuell veranlagt – wodurch, sollte eine gleichgeschlechtliche Beziehung bekannt werden, in Großbritannien eine Verurteilung wegen „Grober Unzucht und sexueller Perversion“ drohte – so, wie es zwischen 1885 und 1967 insgesamt 49.000 homosexuellen Männern erging.

Während der Arbeit an der Enigma-Entschlüsselung wurde Turing seine Neigung nicht zum Verhängnis, wohl aber einige Jahre nach Kriegsende, als sie im Zuge polizeilicher Ermittlungen wegen eines (unbegründeten) Spionageverdachts öffentlich wurde: Vor die Wahl gestellt, entweder für zwei Jahre ins Gefängnis zu gehen oder sich einer Hormontherapie zu unterziehen, entschied sich Turing für die chemische Kastration. Doch mit den Folgen dieser Vergewaltigung wurde er nicht fertig. Er kämpfte fortan mit schweren Depressionen und nahm sich vermutlich infolge dessen 1954 das Leben. Als Todesursache wurde eine Zyanidvergiftung festgestellt.

Erst Jahrzehnte später, im Jahr 2009, sprach der damalige Premierminister Gordon Brown namens der britischen Regierung eine offizielle Entschuldigung für die „entsetzliche Behandlung“ Alan Turings aus und würdigte zugleich dessen „außerordentliche Verdienste“. Am 24. Dezember 2013 folgte das „Royal Pardon“ von Königin Elisabeth II. – die königliche Begnadigung.

Morten Tylmans hervorragender Film, dessen Drehbuch (Graham Moore verfasste es auf der Grundlage einer Biographie von Andrew Hodges) 2015 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, trägt sicher weiter dazu bei, Alan Turing posthum zu würdigen. Benedict Cumberbatch brilliert in der Hauptrolle, Keira Knightley ist als seine Mitarbeiterin Joan Clark zu sehen, und Rory Kinnear als Detective Nock – als jener Polizist, der 1951 gegen Turing ermittelt, weil er in ihm einen russischen Spion vermutet, dann aber, im Grunde zufällig, seine Homosexualität aufdeckt.

Nocks Verhör von Alan Turing dient Regisseur Tylman als Rahmenhandlung für seinen Film. Der Dialog zwischen den beiden spiegelt sich auch im Filmtitel „The Imitation Game“ wider. Dieser bezieht sich auf einen berühmten Test, den Turing vorgeschlagen hatte, um festzustellen, ob eine Maschine ebenso intelligent auf Fragen antworten kann wie ein Mensch.

Dieser „Turing Test“ wurde vor allem deshalb bekannt, weil er mit der alten Frage, inwieweit Maschinen Bewusstsein entwickeln können, spielt. Die wissenschaftliche Bedeutung des britischen Mathematik-Genies ist aber ungleich größer. Er machte nicht nur durch Beiträge für die theoretische Biologie auf sich aufmerksam, sondern schuf, so „Wikipedia“, „einen großen Teil der theoretischen Grundlagen für die moderne Informations- und Computertechnologie“.

Oder, wie es im Film-Nachspann zu „The Imitation Game“ heißt:

„Turings Arbeit inspirierte Generationen zur Forschung an sogenannten ,Turingmaschinen‘.
Heute nennen wir sie ,Computer‘.“

(2016, 113 Minuten)