12. Dezember 2024

Intellektuelle Hilfe für die NASA-Mannen

Theodore Melfis ausgezeichnete Filmbiographie „Hidden Figures“ über drei afroamerikanische Mathematikerinnen

Klar ist: Wirklich helle Köpfe sind nur unter Weißen zu finden, und sie sind männlicher Natur. Ebenso klar ist: Man spricht über solche Gegebenheiten nicht offen. Das gedanklich Selbstverständliche muss auch gar nicht verbal formuliert werden. Aber wenn es um die Besetzung wichtiger Posten geht oder um die Frage, ob farbige Frauen etwa die gleiche Toilette benutzen dürfen wie ihre weißen Kolleginnen, dann sollten die Grenzen doch eindeutig gezogen sein …

Zu Beginn der 1960-er Jahre waren solche Ansichten auch in der damals noch jungen und an sich recht fortschrittlichen US-Bundesbehörde für Raumfahrt, der NASA, verbreitet.

Dann allerdings, am 12. April 1961, schaffte es die technologisch vermeintlich hoffnungslos rückständige Sowjetunion, mit Juri Gagarin (1934–1968) den ersten Menschen ins All zu schicken. Ein Schock für die Amerikaner, die unter anderem mathematische Probleme zur Flugbahnberechnung nicht lösen konnten.

Was tun?

Der sehenswerte Film „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ des US-amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautos Theodore Melfi beleuchtet erstmals diese Frühzeit der NASA und die zentrale Bedeutung dreier afroamerikanischer Mathematikerinnen für die Erfolge der Amerikaner im All. –

Zunächst ohne große Erwartung, aber immerhin bereit, gängige Vorurteile zu überwinden, folgt NASA-Bereichsleiter Al Harrison (Kevin Costner) einer Empfehlung, die herausragend begabte farbige Mathematikerin Katherine Johnson (Taraji P. Henson) in seiner „Space Task Group“ einzusetzen – in einer Spezialabteilung, in der bislang nur Weiße, überwiegend Männer, tätig sind … und vergeblich versuchen, einen mathematischen „Knoten“ zu lösen, um einen sicheren bemannten Flug ins All zu gewährleisten.

In dieser Abteilung begegnet Katherine einer geballten, erniedrigenden Macht aus Vorurteilen und Dummheit, wie sie in den USA noch vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich in weiten Kreisen der Bevölkerung selbstverständlich war: Sie darf ihren Kaffee nicht aus der gleichen Kanne gießen wie die anderen Mitarbeiter, und sie muss beispielsweise den weiten Weg zu ihrer früheren Arbeitsstätte in Kauf nehmen, weil es in dem Gebäude der „Space Task Group“ keine eigene Toilette für „Colored ladies“ gibt. Abgesehen davon begegnen ihr die männlichen Kollegen, voran Paul Staffort (Jim Parsons), offen ablehnend und die wenigen weiblichen Kolleginnen zumindest skeptisch.

Aber Kathrin weiß sich zur Wehr zu setzen – und wird für die NASA letztlich unentbehrlich. Denn ihr gelingen jene Berechnungen, ohne die die für die USA im Technologie-Wettlauf mit der Sowjetunion extrem wichtige bemannte Erdumkreisung durch John Glenn (Glen Powell) nicht möglich gewesen wäre, weil die exakten Koordinaten für den Wiedereintritt in die Atmosphäre nicht hätten ermittelt werden können. –

Die zweite „unerkannte Heldin“ in Melfis Filmbiographie ist Mary Jackson (Janelle Monáe), eine Freundin Kathrins. Sie bringt alle Fähigkeiten für eine Karriere als Ingenieurin bei der NASA mit, kann sich für die entsprechende Stelle aber nicht bewerben, weil Afroamerikaner prinzipiell keinen Zugang zu der dafür nötigen Zusatzausbildung erhalten. Schließlich geht sie vor Gericht – und bringt den Richter tatsächlich dazu, ein Urteil zu ihren Gunsten zu fällen. Marys Berufstraum „Ingenieurin“, um den sie auch gegen den Willen ihres Mannes kämpfen muss, geht letztlich in Erfüllung.

Die dritte im Bunde ist Dorothy Vaughan (Octavia Spencer). Auch für sie bleiben zunächst nur der Hautfarbe wegen alle Karrieretüren verschlossen. Aber ausgerechnet ihr gelingt es schließlich, die große rechnerische Zukunftshoffnung der Raumfahrtbehörde, einen mächtigen IBM-Computer, dessen Inbetriebnahme den NASA-Mannen nicht und nicht glücken will, richtig zu „füttern“. Sie besorgt sich in der städtischen Bibliothek – natürlich aus der Abteilung für Weiße – Fachliteratur, lernt in Eigeninitiative die Computersprache „Fortran“ und wird auf Grund ihres herausragenden Fachwissens endlich Supervisor einer neuen EDV-Abteilung. –

Als literarische Vorlage für die drei Filmbiographien diente ein Sachbuch der Autorin Margot Lee Shetterly.

Das Erstaunen darüber, dass all die Ereignisse tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruhen, begann offenbar schon bei den Filmschaffenden. In Wikipedia ist zu lesen: „Viele der am Film Beteiligten, so Taraji P. Henson, Janelle Monáe, Kevin Costner und auch Filmkomponist Hans Zimmer, hatten zugegeben, dass ihnen die drei afroamerikanischen NASA-Mitarbeiterinnen, deren Lebensgeschichte und ihr Beitrag zur Ermöglichung der bemannten Raumfahrt vor Beginn des Filmprojekts nicht bekannt gewesen waren. Octavia Spencer glaubte anfänglich, Margot Lee Shetterlys Geschichte, die ihnen vorgestellt wurde, sei Fiktion. Allgemein glaubten die Beteiligten aber auch, dass die Geschichte der im Hintergrund arbeitenden Mathematikerinnen den meisten US-Amerikanern völlig unbekannt gewesen sein dürfte.“

Gut, dass die „unerkannten Heldinnen“ nun, spät aber doch, eine Würdigung erfahren. Vielleicht tragen ihre Biographien dazu bei, den heute immer noch aufkeimenden rassistischen Gedanken entgegenzuwirken. Die zahlreichen Auszeichnungen und Preisnominierungen für „Hidden Figures“ sind jedenfalls – einmal abgesehen von den künstlerischen Leistungen, die in diesem Film zu erleben sind – auch in diese Richtung ein gutes Signal.

(2016, 127 Minuten)