Philippe Noyce’s Malaria-Drama „Die Kämpferin“
• Mary Morgan (Hilary Swank) hat als Kind erlebt, wie es ist, von einem Elternteil nicht ausreichend wahrgenommen zu werden. Bei ihrem Sohn George (Lux Haney-Jardine) will sie auf keinen Fall den gleichen Fehler machen, den sie rückblickend ihrem Vater ankreidet.
Als sie erfährt, dass er in der Schule systematisch gemobbt wird, fasst sie einen folgenschweren Entschluss: Sie will ihn eine Zeit lang selbst unterrichten – und zwar im Rahmen eines unvergesslichen Abenteuers. Die beiden reisen aus den USA nach Südafrika …
Und dort blüht George tatsächlich auf. Land und Leute faszinieren ihn, sogar das Lernen macht richtig Spaß. Doch er kann das Paradies nur kurz genießen. In Mozambique wird er auf Grund eines undichten Netzes über seinem Bett von einem Moskito gestochen. Erst ein paar Tage später – zu spät – wird klar, dass er mit Malaria infiziert wurde. Mary kann ihren Sohn nicht mehr retten. George stirbt im Krankenhaus vor ihren Augen.
Dem Begräbnis folgen verzweifelte Selbstvorwürfe. Zunächst versucht Mary, die brennende Frage nach dem „Warum?“ mit Blick auf ihre eigene Kindheit zu beantworten: Hätte ihr Vater sich besser um sie gekümmert, wäre sie vermutlich gar nicht auf die Idee gekommen, George nach Afrika zu schleppen …
Im Grunde ihres Herzens aber gibt Mary doch allein sich selbst die Schuld am Tod ihres Sohnes – was ihre Verbitterung freilich auch nicht löst.
Erst nach einer weiteren Afrika-Reise, während der ihr klar wird, wie groß das Malaria-Problem eigentlich ist, wie viele Mütter ihr Schicksal teilen, treten die Schuldgedanken langsam in den Hintergrund. Nicht mehr die in die Vergangenheit gerichtete Frage nach dem „Warum“ beschäftigt Mary, sondern vielmehr das „Wozu?“ Wozu können meinen leidvollen Erfahrungen dienen? Was kann ich tun, damit mehr zur Bekämpfung dieser fürchterlichen Krankheit getan wird?
Unterstützt wird Mary auf ihrem neuen Weg durch eine Engländerin, Martha O’ Connell (Brenda Blethyn), die sie während ihres zweiten Aufenthalts in Südafrika zufällig kennenlernt. „Zufällig“ im Sinne auch eines Zusammenfalls, des Zusammenfindens zweier Schicksale. Auch Marthas Sohn Ben (Sem Claflin), der als Lehrer nach Südafrika gegangen war, ist an einer Malaria-Infektion gestorben.
Die beiden Frauen beschließen, politisch aktiv zu werden, um gegen die unzureichende medizinische Versorgung in stark betroffenen afrikanischen Gebieten etwas zu unternehmen …
Das Malaria-Drama „Mary and Martha“ (so der englische Originaltitel) entstand 2013 unter der Stabführung des australischen Regisseurs Philip Noyce und wurde für das Fernsehen (HBO, BBC) produziert – auch wenn die bildorientierte, nicht übertrieben dialoglastige Erzählweise nicht unbedingt an klassische Fernsehfilme, sondern durchaus an großes Kino erinnert.
Dennoch – und wohl auch wegen des anspruchsvollen Themas – hatte des der Film eher schwer, sein Publikum zu erreichen.
Ob der hirnlose deutsche Titel „Die Kämpferin“, der wohl auf Mary bezogen ist, ihre charakterliche Entwicklung aber nicht wirklich widerspiegelt, die Ausgangslage für den Erfolg in Europa verbessert hat, darf bezweifelt werden. Ein Grundthema des Streifens, der auf ein wichtiges Thema fokussierte Zusammenhalt von zwei unterschiedlichen Frauen aus unterschiedlichen Kultur- und Gesellschaftskreisen, wird damit jedenfalls ausgeklammert.
Dem Film-Drama um Mary und Martha liegen wahre Begebenheiten zugrunde. Sowohl Hilary Swank als auch Brenda Blethyn liefern – wie nicht anders erwartet – großartige schauspielerische Leistungen ab. Auch Lux Haney-Jardine zuzusehen, ist eine Freude.
Philippe Noyce’s Film wurde für den „Humanitaz“-Preis nominiert. Abgesehen davon, dass er mit der Malaria-Bekämpfung ein wichtiges medizinisches Thema beleuchtet, zeigt Marys Entwicklung – Vom „Warum?“ zum „Wozu …“ – den Königsweg für den Umgang mit Schicksalsschlägen auf: Es geht nicht um die Frage, ob und warum man dies oder das „verdient“ hat oder nicht. Wichtig ist allein, was man aus den Gegebenheiten, in die man sich gestellt erlebt, macht. Wie der große Seelenarzt Viktor Frankl (1905–1997) es sinngemäß formuliert hat: Das Leben stellt die Fragen – wir können entscheiden, wie wir darauf antworten, wie wir reagieren, was wir aus den Gegebenheiten machen.
Frankls berühmte Antwort lautete: Trotzdem Ja zum Leben sagen.
(2013, 95 Minuten)