29. April 2024

Begleitung am Sterbebett: „Das Ende ist etwas sehr Lichtvolles“

Sieglinde Fuchs im Gespräch (2014)

• Sieglinde Fuchs ist seit vielen Jahren in der Hospizarbeit tätig und hält auch Vorträge über die „Kunst des Sterbens“. Im Gespräch erzählt sie von ihren Erfahrungen am Sterbebett und weshalb gerade Sterbende „Lehrmeister“ sind für die Überzeugung, dass das Leben nach dem Leben weitergeht.

Frau Fuchs, Sie sind seit vielen Jahren Hospizhelferin, haben eine reiche Erfahrung in dieser Tätigkeit und beschäftigen sich auch als Autorin mit dem Thema Tod. Sie sprechen dabei von der „Kunst des Sterbens“. Was ist denn dabei eine Kunst – und wie kann man diese Kunst erlernen?

FUCHS: Kunst ist verknüpft mit Können, und Können ist verknüpft mit Üben und mit dem Erkennen, was wichtig ist. Die Kunst des Sterbens ist eigentlich die Kunst des Lebens. Wenn ich ein Bild geben darf: Ich möchte diesen Übergang, den wir Tod nennen, als den Antritt einer Reise in andere Dimensionen bezeichnen. Wenn jemand, der eine Reise vor sich hat, klug ist, dann wird er sich erkundigen: Wie schaut es dort aus, wo ich hinreise? Was muss ich mitnehmen? Und was ist wertlos, was kann ich sozusagen jetzt schon hintanstellen? Was die Reise in das Jenseits anlangt, wird er herausfinden, dass er für die Ankunft drüben ganz andere Dinge braucht als die, welche gemeinhin als wichtig erachtet werden – Prestige, Besitz, Verstandesfähigkeiten, die man zeigen kann, oder ähnliches. Wer sich auf seine Reise innerlich vorbereitet, wird merken, dass er das alles nicht braucht, auch nicht die großen Taten, von denen er meinte, dass sie ihn selbst, seine Persönlichkeit ausmachen. Er wird vielmehr bemerken, dass es drüben heißt: Wie bist du, Mensch? Welche Motivation hattest du für deine Taten? Die Maxime für den Übergang in die jenseitige Welt ist also ganz anders angelegt, und wenn mir die nötigen Qualitäten jetzt schon bewusst sind und ich sie verwirkliche, dann übe ich die Kunst des Sterbens.

Demnach geht es bei der Reisevorbereitung – um bei Ihrem Bild zu bleiben – um innere, seelisch-geistige Werte. Also wäre ein gewissenhaftes Leben, ein Mit-sich-selbst-im-Reinen-Sein die beste Vorbereitung?

FUCHS: Vorbereiten kann man sich, indem man auf sein Menschsein achtet, auf sein Bewusstsein. Auch, indem man zum Beispiel fragt: Was macht den Kosmos aus? Was macht den Menschen aus? Worin ist der Schöpfer erkennbar? Was sind die innersten Zusammenhänge, die Gesetzmäßigkeiten in der Schöpfung? Wie wirken sie sich auf mich als Menschen aus? Wenn ich genau diese Dinge für wichtig erachte und mein Leben darnach ausrichte, die Schwerpunkte richtig setze, dann lebe ich ein bewusstes Leben und habe damit auch immer den Blick ausgerichtet auf diesen Übergang, auf den ja jeder Mensch zugeht. Dieses sogenannte Ende ist etwas sehr Lichtvolles, wenn man es richtig betrachtet. Nur wenn man alle Gedanken an das Sterben wegschiebt, kann es dunkel und angstbesetzt werden.

In unserer Gesellschaft ist es aber leider immer noch üblich, den Tod zu tabuisieren und alle Gedanken an das Sterben soweit wie möglich aus dem Leben zu verbannen.

FUCHS: Der Tod ist in der Vorstellung vieler Menschen mit einem Tabu belegt, wird immer weiter fortgeschoben und erscheint dadurch wie eine große Katastrophe. Und so glauben und fürchten sie, dass mit dem Sterben tatsächlich ihr Ende kommt. Das ist absolut schade, denn diese große Angst wäre nicht nötig. Die Sterbenden dürfen auf ein Licht zugehen. Sie erleben etwas ganz anderes als die materialistische Denkweise es uns vormacht. Und wenn ich genau diese Dinge über das Menschsein weiß, weil ich mich damit beschäftige und mich kundig mache, wie dieser Vorgang des Sterbens, dieser Wandel, der mich nach drüben führt, vor sich geht, dann bin ich natürlich schon einmal viel ruhiger. Dann überrascht mich der Tod nicht so sehr. Die wichtigen Zusammenhänge zu bedenken, die unser Leben bestimmen und die das Sterben dann erleichtern – das betrachte ich als eine Kunst.

Fast jeder Mensch ist irgendwann in seinem Leben mit dem Tod eines Angehörigen konfrontiert. Nun spielt sich das Sterben bei jedem sicher anders ab. Gibt es dennoch bestimmte Dinge bei der Begleitung eines Menschen am Sterbebett, die aus Ihrer Sicht unbedingt immer beachtet werden sollen?

FUCHS: Es ist sehr, sehr wichtig zu wissen, wie man sich verhalten soll, um den Sterbenden nicht unnötig zu belasten. Das würde schon dadurch geschehen, daß man ihn festhalten, nicht gehen lassen will, vor allem, wenn man das auch äußert, wenn man zum Beispiel sagt: „Du kannst uns doch nicht allein lassen!“ – was oft passiert. Solche Worte sind ganz grobe Erschwernisse. Aber auch einfach das innere Festhalten – wenn ich als Angehöriger nicht bereit bin, ihn seinen Weg gehen zu lassen – belastet den Sterbenden. Er muss ihn gehen, wann auch immer. Und es ist meine Aufgabe, ihn loszulassen. Die absolute Stille im Sterbezimmer – keine Unruhe, keine Hektik, keine Ungeduld … auch das ist so wichtig! Der Sterbende soll seine Zeit nutzen können, denn er muss sich von allem verabschieden, was er bis jetzt um sich hatte, was ihm lieb und was ihm teuer war. Das ist ein schwerer Vorgang! Und dazu braucht er Kraft und Ruhe. Es ist für Angehörige schwer zu verstehen, dass man seine Trauer gegenüber dem Sterbenden nicht äußern soll. Aber man kann das ja nachher machen, wenn man das Zimmer verlassen hat, aber eben nicht vor den Ohren und im Empfindungsbereich des Sterbenden. Denn der ist enorm sensibel in dieser Zeit. Er ist sozusagen wie ein rohes Ei. Psychologen, die sich mit dem Sterbeprozess sehr genau auseinandergesetzt haben, sagen, die Empfindungstiefe ist in dieser Zeit die allerhöchste im ganzen Leben. Nun kann man sich vorstellen, wie ein Sterbender empfindet, wenn ich als Angehöriger zum Beispiel immer wieder auf die Uhr schaue. Der nun so hoch Sensible bekommt das alles mit! Oder wenn die Leute am Sterbebett sagen: „Was dauert denn das jetzt so lange? Er kriegt doch sowieso nichts mehr mit!“ Jeder Mensch muss seine inneren Prozesse vollenden. Er will vielleicht noch ein Thema zu einem guten Abschluss bringen, er möchte mit sich selbst ins Reine kommen. Mir wurde schon oft erzählt, dass im Sterbeprozess Dinge hochkommen, die längst vergessen schienen. Alles kommt äußerst lebendig wieder zu Bewusstsein, will angeschaut, will behandelt werden. Angehörige die sind dann mitunter sehr überrascht, wenn sie durch den Sterbenden, wenn er zwischendurch wieder bei Tagbewusstsein ist – das ist im Sterbeprozess ja nicht immer der Fall –, plötzlich mit Ereignissen konfrontiert werden, die die ganze Familie längst vergessen hatte. Sie bemerken, dass er sein Leben jetzt ganz anders anschaut, aus einer neuen Perspektive, und sie werden sehr überrascht, wenn sie zuvor der Meinung waren, dass „da jetzt eh nichts mehr ist“. Also: Ruhe und Zeit für den Sterbenden, Unterstützung durch Loslassen, Rücksichtnahme auf sein Feinempfinden – solche Dinge muss man am Sterbebett bedenken, muss man wissen.

Wie würden Sie denn einen Sterbeprozess beschreiben, sofern es sich nicht um eine außergewöhnliche Begebenheit handelt, um einen plötzlichen Unfalltod zum Beispiel? Sind bestimmte Phasen des Sterbens erkennbar?

FUCHS: Die gibt es, sogar sehr deutlich. Die Phasen zeigen sich natürlich bei jedem Menschen ein bisschen anders, mancher durchläuft sie ganz schnell, ein anderer muss vielleicht wieder zurück und neu anfangen. Aber die erste Phase ist bei den meisten Menschen die Reaktion: Nein, jetzt nicht! Jetzt will ich nicht nach drüben gehen! Ich möchte noch das und das erleben … der Enkel wird bald heiraten, da möchte ich noch dabei sein – aber dann bin ich bereit! Also: Es ist immer zu früh. Aber irgendwann, wenn „der Freund Körper“ das Leben nicht mehr festhalten kann, spürt das der Sterbende. Da können die Ärzte und die Angehörigen sagen, was sie wollen … „Das wird schon wieder! Du wirst gesund, und dann machen wir das und das!“ Der Betroffene spürt ganz genau, dass es für ihn irdisch nicht mehr weitergeht. Und er wird irgendwann erstmals den Gedanken haben: Wie wäre es, wenn ich jetzt wirklich nach drüben gehe? Das ist der zweite Schritt im Sterbeprozess. Und dann geht es weiter. Von dem Sterbenden wird irgendwie die Bereitschaft verlangt, diese Ebene zu verlassen, den Schritt, den Abschied zu vollziehen. Er hat bis zu einem gewissen Grad den freien Willen zu entscheiden, wie und zum Teil auch wann er geht. Der freie Wille wird ihm nicht genommen. Wenn er aber immer Nein sagt, zieht sich das Ganze sehr quälerisch in die Länge – und das braucht nicht zu sein, denn irgendwann einmal muss jeder Mensch Ja sagen. Das ist die psychologische Seite, was die Sterbephasen anlangt. Auf der physischen Ebene geht es darum, dass die Seele und der Körper zwei unterschiedliche Seinsqualitäten haben, die nicht verquickt, sondern nur aneinander gekoppelt sind. Deshalb lösen sich während des Sterbevorganges Seele und Körper langsam voneinander – ohne dass dabei etwas abrupt reißen muss. Wie wird die Seele festgehalten? Man kann sich ein magnetisch wirkendes Feld vorstellen, das durch das kreisende Blut erzeugt wird. Wenn das Blut schnell und stark kreist, wie es bei einem gesunden Menschen der Fall ist, dann ist die Haltekraft zwischen Körper und Seele stark und gut. Wenn aber Herzschlag und Atmung zurückgehen – im Rhythmus und in den Amplituden –, dann wird dieses Feld schwächer. Die Seele und der Körper haben sozusagen eine Abgrenzung zwischen sich durch den Artunterschied. Sie sind einander zwar noch nah, aber die Seele kann im Sterbeprozess schon eigene Erlebnisse außerhalb des Körpers haben. Sie hat eigene fünf feine Sinne für die Ebene, in der sie später dann dauerhaft sein wird. Und mit diesen Sinnen kann sie auch schon in der Zeit, in der sich die Lockerung vollzieht, im Jenseits erleben – sehen, hören, sprechen, sich austauschen. Es ist ein bisschen so wie eine Pendelbewegung: Mal ist die Seele weiter draußen, dann ist jenseitiges Erleben möglich, danach ist sie wieder enger dem Körper verbunden und die Patienten kommen auch wieder ins Tagbewusstsein. Man kann sie dann fragen, was sie erlebt haben. Dadurch konnte ich wunderbare Dinge erfahren, an die ich sonst nicht herangekommen wäre. Diese Lockerung zwischen Körper und Seele ist übrigens auch in der Nacht beim Schlaf möglich, und sie geschieht auch. Man nennt den Schlaf nicht umsonst den „kleinen Bruder des Todes“ – und da ist sehr viel dran! Wir üben sozusagen in jeder Nacht unseren Abschied, ohne dass wir es wissen … meistens wissen wir es jedenfalls nicht.

Sie haben jetzt sehr selbstverständlich von einer Seele des Menschen gesprochen, die sich dem Körper anschließt und sich dann vom Körper wieder trennt. Was ist denn Ihr Menschenbild? Was sind wir Menschen, wenn nicht nur der physische Körper? Wie kann man den Menschen aus Ihrer Sicht definieren?

FUCHS: Der Mensch ist jedenfalls ein multidimensionales Geschöpf. Denn er umfasst nicht nur die physische Welt, sondern mit dem, was er in sich trägt, auch alle jenseitigen Ebenen bis zum Geistigen. Und da kommt er auch her. Der Mensch geht aus dem geistigen Reich als unbewusster Geistkeim aus, er legt sich in der Feinstofflichkeit Hüllen um, er sinkt also vom Geistigen nach unten in Richtung Grobstofflichkeit. Den Geist mit seinen feinstofflichen Hüllen nennen wir Seele, er ist voll erlebensfähig, lernfähig, und mit mit seiner Seelenhülle kann er in einen Embryo weiblichen oder männlichen Geschlechts inkarnieren; der Embryo wächst heran, und nach der Geburt haben wir einen angehenden Menschen mit grobstofflichem Körper.

Zu dem Körper gehört auch das Gehirn, aber die Erlebnisfähigkeit, das Bewusstsein an sich, das Lebendige des Menschen, stammt nach dem von Ihnen skizzierten Menschenbild nicht aus dem Körper, sondern aus aus einem Bereich jenseits der Stofflichkeit …

FUCHS: Das eigentlich und einzig Lebendige ist der Geist – ganz gleich, ob er jetzt noch keimhaft ist oder schon teilweise oder ganz bewusst, und geistig ganz bewusst zu werden ist ja unser eigentliches Ziel. Der Geist ist das Eigentliche. Er durchstrahlt die feinstofflichen Hüllen und den grobstofflichen Körper, der ihm auf dieser Erde von Nutzen ist. Wenn der Körper nicht mehr seine Funktion erfüllen kann, ist es das Natürlichste, dass er abgelegt, dass er in den Schoß der Mutter Erde wieder zurückgelegt wird, aus dem er – und nur er, der grobstoffliche Körper – genommen ist. Die seelischen Hüllen, die feinstofflicher Art sind, nimmt der Geist jedoch mit. Mit denen geht er ins Jenseits, womit das Leben für ihn nahtlos weitergeht. Unser Bewusstsein ist immer funktionsfähig, es endet auch nicht mit dem körperlichen Tod.

Sie sind von einem Weiterleben nach dem Tod überzeugt. Gibt es aus Ihrer Erfahrung in der Hospizarbeit besondere Erlebnisse, die Sie in dieser Überzeugung bestärkt oder bestätigt haben?

FUCHS: Es ist sozusagen das Geschenk der Sterbenden an alle Begleitenden, dass sie ihnen zu dieser völligen Überzeugung verhelfen – dass es nahtlos weitergeht. Besonders klar wird das zum Beispiel, wenn die Seele, wie vorhin erwähnt, aus dem Körper hinaus schwingt, wenn sich die feinen Sinne öffnen und der Sterbende dann im Jenseits Menschen trifft, mit denen er einst verbunden war. Früher schon verstorbene Verwandte stehen dann oft an am Bett, besuchen den Sterbenden, laden ihn manchmal auch ein zum Mit-nach-drüben-Gehen. Das alles bekommt man in der Sterbebegleitung mit – zum Beispiel wenn jemand, der sonst ganz apathisch daliegt, fast nichts mehr spricht, plötzlich mit geschlossenen Augen im Bett hochkommt, die Hände ausstreckt und sie schüttelt, um andere zu begrüßen, Namen nennt und sich dann in hohem Sprechtempo voller Freude unterhält. Diese strahlende Freude im Gesicht, dass da jemand da ist, mit dem der Sterbende viel lieber zusammen ist als mit den grobstofflichen Besuchern, das habe ich immer wieder erlebt, es ist so wunderbar! Und dann, wenn diese Phase wieder vorbei ist und die Seele wieder drin ist im Körper, wenn also diese Öffnung nach drüben wieder beendet ist, dann frage ich schon manchmal nach: „Wer hat Sie denn jetzt besucht?“ Oder ich sage: „Wie schön, dass Sie Besuch hatten!“ Ja, und dann erzählen mir die Menschen, um wen es sich handelt, wer da anwesend war – und wir freuen uns! So etwas mitzuerleben, ist absolut überzeugend. Es lässt gar nicht die Möglichkeit zu, dass es anders sein könnte.

Zum Thema Leben nach dem Tod gibt es naturgemäß sehr viele traditionelle religiöse Vorstellungen, zum Beispiel das Bild von der Hölle oder von einem Fegefeuer, durch das der Mensch muss. Solche Bilder verstärken oft die Angst vor dem Sterben. Auf der anderen Seite berichten Menschen mit Nahtoderlebnissen – Sie haben es vorhin ja auch schon erwähnt – von einem wunderbaren Licht, in das sie hineingehen dürfen. Wie sieht es denn nach Ihrer Meinung, nach Ihrer persönlichen Erfahrung mit Sterbenden nach dem Tod aus? Was erleben wir? Was erwartet uns in der jenseitigen Welt?

FUCHS: Nachdem der Geist mit seinen feinen Hüllen das Eigentliche ist, das nur temporär den Körper bewohnt, würde ich sagen, dass das Leben nahtlos weitergeht, und zwar mit dem, was wir jetzt das Innenleben nennen …

… die seelische Innenwelt wird also sozusagen zur Außenwelt.

FUCHS: Ja, genau! Und es geht darum, wie bist du, Mensch, in Deinem Inneren? Diese Frage stellt sich für jeden Sterbenden. Was ist deine Vorstellung vom Jenseits? Jeder wird das antreffen, was er an Bildern in sich trägt. Wenn er keine Vorstellung von dem Jenseits hat und glaubt, dass es nach dem Tod nichts gibt, wird er zunächst einmal dieses Schwarz, dieses Dunkel antreffen. Erst im Lauf der Zeit wird er merken: Ich sehe zwar nichts, ich höre nichts, aber ich bin doch lebendig. Und alles ist anders. Dann muss er sich davon überzeugen, dass er mit seiner Meinung, danach würde „nichts“ kommen, völlig falsche Erwartungen hatte. Aber dieser oft lange und bittere Erkenntnisprozess wäre nicht nötig, denn man kann das Wichtigste über das Leben nach dem Leben jetzt hier schon wissen. Jede Seele erlebt genau die Ebene, die Umwelt, die Umgebung, die Landschaft, die ihrer inneren Gleichart entspricht. Sie wird auch mit Menschen zusammentreffen, die genau so sind wie sie selbst. Wenn jemand also gern im Jenseits mit lieben Menschen beieinander sein möchte, dann wird er auch selbst hier im Diesseits entsprechend leben müssen, um dieses Geschenk zu bekommen. Wenn jemand aber in irgendeiner Weise sehr übel ist, anderen Menschen und dem Leben gegenüber, dann wird er in der jenseitigen Welt entsprechend das Gleiche antreffen, und das kann wie eine Hölle sein. Aber bestimmte, fest gefügte Orte, wie man sie aus religiösen Vorstellungen kennt – die Hölle als Ort, wo die ganz Bösen hin müssen, oder das Fegefeuer, wo die hinkommen, die nicht ganz so schlimm waren – solche Orte existieren für mich nicht. Denn es wäre auch sehr ungerecht, wenn die Menschen in so grober Art eingeteilt würden. Das Leben und die Gesetze in der Schöpfung sind so fein abgestimmt, dass sich alles in absoluter Gerechtigkeit von selbst regelt. Nach dem Übergang werde ich in die Ebene geleitet, die mir zukommt. Es braucht gar niemanden zu geben, der mich da hinführt, wie Platon es im Phaidon beschreibt, ich werde in die entsprechende Ebene hingezogen – auf Grund des Gesetzes der Anziehung der Gleichart. Und das ist gerecht. Denn ich kann durch meine Lebensführung ja bestimmen: Wie bin ich? Wie ist meine Innenwelt? Es kann mich also nach dem Tod, wie ich schon erwähnt habe, Schlimmes erwarten, es kann tatsächlich brennen wie Feuer – zum Beispiel auf Grund der Reue, die ich wegen versäumter Gelegenheiten empfinde oder wegen übler Taten und Aussagen, weil ich zum Beispiel jemanden schlecht behandelt habe. Das ist auch etwas, was jedem Menschen im Sterbeprozess ganz deutlich gezeigt wird: Er sieht seinen sogenannten Lebensfilm, der ihm aber nicht nur zeigt, was er gesagt oder getan hat, sondern ihn auch miterleben lässt, was seine Handlungen beim anderen bewirkt haben, wie sehr er jemanden zum Beispiel durch Nichtachtung oder durch harsches Verhalten verletzt hat. Das alles wird dem Sterbenden jetzt bewusst. Und man kann sich natürlich fragen: Warum sehen wir die Dinge im aktuellen Zustand nicht? Warum weiß es die Seele aber und bringt es am Ende des irdischen Lebens an die Oberfläche?

Vielleicht wüssten wir vieles, würden wir besser auf die Stimme des Gewissens hören können …

FUCHS: Ja, und für mich zeigt es, dass unser Seelenkörper ein wunderbarer Speicher für alles Erlebte ist, auch wenn es der Verstand nicht aufgenommen hat. Erst im Sterbeprozess kommen viele Dinge sehr quälend hoch – und dann kann Reue wirklich wie Feuer brennen!

Zusammenfassend gefragt, Frau Fuchs: Müssen wir aus Ihrer Sicht Angst haben vor dem Sterben?

FUCHS: Nein, durchaus nicht – wenn wir vorbereitet sind, so, wie auf eine schöne Reise, und wenn wir loslassen können. Denn der Körper „beherrscht“ das Sterben, darum brauchen wir uns nicht zu sorgen. Angst müssen wir eventuell haben vor den Rückwirkungen, deren Ursachen wir selber in die Welt gesetzt haben. Aber wir haben unser Leben – auch das jenseitige – nun ja wirklich in der Hand, hier und jetzt, wir können es in einem aufbauenden Sinn gestalten. Mit unseren Entschlüssen prägen wir unser Verhalten und unsere Innenwelt – und damit das, was wir drüben antreffen werden. Es geht mit uns so weiter, wie wir wirklich innerlich sind. Wunderbar finde ich auch, was das gemeinsame Erleben aller Menschen ist, die eine Nahtoderfahrung hatten: Sie sprechen von einem wundervollen Licht. Dieses Licht beschreiben sie als Wärme, die sie förmlich einhüllt, die sich anfühlt wie Liebe. Dieses Licht scheint also auf unserer emotionalen Ebene zu schwingen. Es handelt sich nicht um eine „Beleuchtung“ in dem Sinn, wie wir elektromagnetisches Licht hier in der physischen Welt sehen, es ist vielmehr wie ein „Schwimmen“ in diesem weichen Licht. Es gibt hier einen interessanten Bezug zur Wissenschaft. Die Quantenphysik sagt, dieses elektromagnetische Licht, das wir unter anderem als sichtbares Licht kennen – die ganze Skala, die die grobe Stofflichkeit sichtbar macht –, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem eigentlichen Licht, und dieses eigentliche Licht ist die sogenannte „schwache Kernstrahlung“. Diese schwache Kernstrahlung wird nicht durch elektromagnetische Schwingung übertragen, und ein Faktor dabei ist das sogenannte schwere Licht, das von einigen Wissenschaftlern die „kosmische Liebe“ genannt wird. Für mich geht dieser Begriff wunderbar mit dem zusammen, was die Sterbenden erleben, wenn sie sagen, das Licht fühlt sich wie Liebe an. Ich glaube, jeder Mensch kann am Ende seines Erdenlebens voll kindlichem Vertrauen auf dieses Licht zugehen!

Herzlichen Dank für dieses Gespräch und alles Gute!

Fuchs: Gern geschehen!

Sterbebegleitung: „Das Ende ist etwas sehr Lichtvolles!“ | Sieglinde Fuchs im Gespräch

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