25. April 2024

Der Ruf der Rose

Dagny Kerner im Gespräch (1996)

• In ihrem Buch „Der Ruf der Rose“ geht die Fernsehjournalistin Dagny Kerner gemeinsam mit ihrem Mann Imre der Frage nach, was Pflanzen fühlen und wie sie mit Menschen kommunizieren.

Als Fernsehjournalistin und Autorin haben Sie sich gemeinsam mit Ihrem Mann durch die öffentlichkeitswirksame Erarbeitung von Themen wie „Dioxin“ oder „Klima“ einen Namen gemacht. Mit Ihrem Buch „Der Ruf der Rose“ hingegen verließen Sie – wenigstens über weite Strecken – erstmals das Feld wissenschaftlich abgesicherter Daten und Fakten. Was hat Sie an diesem Thema besonders gereizt?

KERNER: Es war so, dass mein Mann und ich als Fernsehjournalisten in dem Bereich bekannt waren, den man investigativer Journalismus nennt. Das heißt, wir haben immer sehr harte, manchmal auch gefährliche Recherchen gemacht. Dabei ging es in der Regel um Dioxine, um Müll, um Gifte, um Atom, um Skandale. Wir haben also, wenn man so will, jahrelang von Giften gelebt. Die Fernsehwelt tat dann noch ihr Übriges dazu. Man begrüßte uns schon mit den Worten „Ah, da kommen die Gifte!“ Das war zwar ein sehr kollegialer Schnack, aber er hat uns auch sehr nachdenklich gemacht. Denn ich denke, dass die Fernsehwelt in Kombination mit einer permanenten „Gift-Berichterstattung“ den Charakter eines Journalisten sehr leicht deformiert – weil man vom Skandal und vom Dreck lebt.

Daher die Suche nach einem erbaulicheren Thema?

KERNER: Ja. Wissen Sie, mir sind in Interviews Arbeiter begegnet, die durch Dioxin vergiftet waren. Einer ist aufgestanden, hat dabei seine Hose verloren, weil er durch seine Krebserkrankung so abgemagert war – und ist einige Tage später gestorben. Dabei spielt sich bei solchen Geschichten immer alles nach demselben Drehbuch ab, egal, ob in Seveso oder in Hamburg: Hier ist die Bürgerinitiative, da sind die Betroffenen und dort ist der Politiker, der nichts gehört und gesehen hat. Dann wird aufgedeckt, dann wird geleugnet, und dann komme ich mit der Kamera und versuche, diesen Skandal aufzuklären. Und ich hab‘ dabei natürlich die Moral auf meiner Seite. Aber: Ich beschäftige mich mit Dreck, mit Giften, ich bin ständig mit Menschen zusammen, die dabei krank geworden sind – und das fällt alles auf mich zurück. Daher denke ich, man darf vom Gift nicht leben. Diese Überlegung stand besonders um die Geburt unseres zweiten Kindes herum im Mittelpunkt. Ich wollte da mit dem allen nichts zu tun haben und war bewusst auf der Suche nach einem ganz anderen Thema, schon im Bereich der Ökologie bleibend, aber eben nicht auf der Dreckseite. Und eines Tages saßen wir mit einem Freund im Restaurant und redeten über unsere Frustration im Zusammenhang mit einem Chemie-Skandal. Auf dem Tisch stand eine Blume, und dieser Freund sagte auf einmal: „Ihr wisst ja, dass die Blumen all den Dreck, den wir hier gerade reden, und den Frust, den wir haben, genau mitkriegen!“ Und dann hab‘ ich, ehrlich gesagt, geantwortet: „Du spinnst!“, aber später fand ich das so spannend, dass ich da einmal nachgucken wollte. Und so stand das neue Thema, nach dem wir schon ein Jahr lang gesucht hatten, sozusagen auf dem Tisch.

In Ihrem Buch „Der Ruf der Rose“ haben Sie bei vielen Menschen recherchiert, die in irgendeiner Form mit Pflanzen kommunizieren. Cleve Backster, der als erster Forscher mit Hilfe spezieller Lügendetektoren überzeugende Hinweise darauf lieferte, daß Pflanzen beispielsweise „Angst“ und andere Gefühle zeigen, kommt darin ebenso vor, wie Dr. Rupert Sheldrake, der durch seine umwälzende Theorie über das „Gedächtnis der Natur“ bekannt geworden ist. Wie sind Sie auf diese Persönlichkeiten gestoßen?

KERNER: Es ging uns natürlich darum, ein solches Thema auf solide Füße zu stellen, und wir arbeiteten daher mit dem normalen journalistischen Handwerkszeug. Dazu gehörte vorerst auch die weltweite Computerrecherche, die uns sehr hilfreich war. Und je tiefer wir in dieses Thema dann eindrangen, desto interessanter wurde es. Natürlich auch durch die tollen Reisen – zwischen Ciba-Geigy-Labor und Indianer-Schamane. Das hat uns Türen in ganz andere Welten geöffnet – zum Beispiel die Welt der nordamerikanischen Indianer. Und so wurden dann auch Kinderträume wahr …

Welche der Persönlichkeiten, die Sie in Ihrem Buch beschreiben, haben Sie selbst am meisten fasziniert?

KERNER: Zwei. Peter Bearwalks, ein Indianer-Schamane, den ich gut kennengelernt habe, und Rosalyn Bruyere aus Los Angeles.

Und worin lag die Faszination?

KERNER: Also, die Welt der Indianer kennenzulernen und dort an 5000 Jahre alten Zeremonien teilnehmen zu dürfen, das war wirklich die Erfüllung aller meiner Kinderträume. Und wir saßen bei diesen Zeremonien, die auch viel mit Pflanzen zu tun haben, in den Sümpfen Floridas und erlebten das und sahen, dass es lebendig ist. Dieses alte Wissen, die Personen, die ganze Situation, das hat mich sehr berührt. Und bei Rosalyn Bruyere war es, abgesehen davon, dass sie eine faszinierende Person ist, wie sie altes Wissen mit moderner Medizin verbindet. Sie war zum Beispiel zehn Jahre lang Partnerin in wissenschaftlichen Instituten, Universitäten und Labors und hat sich dem immer gestellt als Heilerin und Aura-Leserin. Und diese Brücke, die sie darstellt, finde ich toll. Zudem kommt ein persönliches Erlebnis, wo Rosalyn mich nach einem Bandscheibenvorfall mit einer nur halbstündigen Behandlung von großen Schmerzen befreite.

Eines der interessantesten Kapitel Ihres Buches führt den Leser in ein Versuchslabor des Ciba-Geigy-Konzerns. Dort ist es offensichtlich gelungen, Urformen von Pflanzen, etwa des Weizens, zu entwickeln, indem man die Körner jetziger Arten einfach zwischen elektrostatischen Feldern zog. Damit gelang es – ohne genetische Manipulation oder übliche züchterische Eingriffe – widerstandsfähige Weizen-Urformen neu „zum Leben zu erwecken“. Ein ähnlicher Effekt zeigte sich, als die Ciba-Geigy-Forscher Eier der Regenbogenforelle von der Befruchtung an vier Wochen lang im elektrostatischen Feld hielten: Es entstand eine Urform der Forelle, die bereits vor 150 Jahren praktisch ausgestorben war. Der Baseler Konzern hat darüber am 15. Juni 1989 zwar ein Europa-Patent angemeldet, aber inzwischen hört man nichts mehr von diesem faszinierenden Forschungsansatz. Wissen Sie mehr darüber?

KERNER: Ja. Die Nachricht ist, daß Ciba-Geigy die Versuche eingestellt hat. Wir wollten dort filmen, hatten auch schon gefilmt – und dann zog der Konzern seine Dreherlaubnis plötzlich zurück, es war keine Kommunikation mehr möglich. Wir haben nur noch die Nachricht erhalten, daß die Experimente nicht mehr klappen und eingestellt würden.

Schade angesichts der Vision, daß man mit Hilfe pflanzlicher Urformen auch viele Probleme der Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft mit völlig neuen Maßnahmen hätte lösen können …

KERNER: Ja, sehr schade. Allerdings haben wir die Sachen vorher selber gesehen, den Weizen, die Farne, die Forellen und auch, wie es gemacht wird. Und wir hatten auch schon einen Drehtag hinter uns … Abgesehen davon gibt es das Patent, das offiziell zugänglich ist am Europäischen Patentamt. So weit ist Ciba-Geigy ja gegangen. Man hat gesehen, da ist was, und hat es patentrechtlich abgesichert.

Hat sich für Sie persönlich durch die Beschäftigung mit dem Thema Pflanzenkommunikation etwas geändert?

KERNER: Ganz viel. In dem Moment, wo man weiß, dass die Natur um einen herum lebendig ist und kommuniziert, betritt man jede Landschaft anders, lebt anders dort drin. Und wenn ich mit meinen Kindern irgendwohin gehe in den Wald, lässt es mich nicht mehr gleichgültig, wenn mein Sohn spielerisch mal schnell was ausrupft, etwas zerstört. Auch beruflich hat sich für mich etwas geändert. Natürlich mache ich immer noch gerne dann und wann eine „harte Chemiegeschichte“, aber Themen, wie jemand geheilt wird, wie jemand mit Pflanzen kommuniziert, sind der Ausgleich. Und das beeinflusst das ganze Lebensgefühl. Meine Sorge, dass der Charakter deformiert wird, hat sich dadurch auch erledigt.

Sie kommen in Ihrem Buch zur klaren Schlussfolgerung, dass Pflanzen nicht nur untereinander, sondern auch mit Tieren und Menschen kommunizieren. Für solche Gedanken ist im herrschenden naturwissenschaftlichen Weltbild normalerweise nur wenig Platz. Haben Sie da nicht mit dem Vorwurf rechnen müssen, in die Ebene haltloser Spekulationen abzugleiten?

KERNER: Jaja, schon.

Wie war die Reaktion Ihrer Leser?

KERNER: Über das große Thema Naturkommunikation handelt nicht nur unser Buch, sondern auch ein Film, den wir zugleich gemacht haben. Wir arbeiten ja immer so, dass wir ein Themengebiet sehr gründlich recherchieren und ein Buch dazu machen, wenn wir das Thema wirklich so spannend finden, und auch Filme oder Talk-Sendungen dazu machen. Und das Witzige war, das ist nicht übertrieben, unter den 4.500 Personen, die zum Thema Naturkommunikation geschrieben, gefaxt und angerufen haben, waren nur zwei negative, die einfach meinten, das alles sei Humbug, Blödsinn. Das ist schon sehr extrem. 4.498 Reaktionen waren positiv in dem Sinn, dass die Leute weitergehende Fragen hatten oder das Video wollten oder ähnliches.

Danke für das Gespräch!