19. April 2024

Der süße Traum vom Pappataci-Paradies

L’italiana in Algeri (Die Italienerin in Algier)

• Komische Oper in zwei Akten von Gioacchino Rossini

Libretto: Angelo Anelli (1761–1920)
Musik: Gioacchino Rossini (1792–1968)
Uraufführung: 22. Mai 1813, Venedig (Teatro San Benedetto)
Dauer: ca. 2,5 Stunden, eine Pause

Akte:
1. Kleiner Saal; Meeresufer; Kleiner Saal; Prächtiger Saal
2. Kleiner Saal; Prächtiges Gemach

Hauptpersonen:
Mustafà, Bey von Algier: Bass
Elvira, seine Frau: Sopran
Zulma, Elviras Vertraute: Mezzosopran
Lindoro, ein italienischer Gefangener: Tenor
Isabella, eine Italienerin: Alt
Taddeo, Isabellas Begleiter: Bariton
Haly, ein Korsar, Hauptmann der Wachen: Bariton

Kurze Werkeinführung

„L’Italiana in Algeri“ ist eine zweiaktige komische Oper des italienischen Komponisten Gioacchino Rossini (1792–1968). Neben „Il barbiere di Siviglia“ und „La Cenerentola“ zählt das am 22. Mai 1813 in Venedig uraufgeführte Werk zu den bis heute am häufigsten gespielten Opern Rossinis.

Als Textbuch diente dem Komponisten ein Werk des italienischen Librettisten und Schriftstellers Angelo Anellis (1761–1920).

Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert stand Nordafrika im Zentrum einer allgemeinen Begeisterung für Orientalisches. Algier war ein entsprechend attraktiver Handlungsort; die Zeit für die lustvollen Ereignisse, die Rossini und Anelli thematisieren, ist mit 1810 angegeben.

Im Zentrum der Handlung stehen einerseits die ausufernden zwischenmenschlichen Bedürfnisse von Mustafà, des Bey (Herrn) von Algier, – und deren Folgen, sowohl für seine Frau Elvira (ihrer ist er überdrüssig), als auch für seine Sklaven. Und andererseits die couragierte Isabella, eine Italienerin, die dem mächtigen Herrscher schließlich zeigt, wo der Pfeffer wächst.

Rossini, als „Schnellschreiber“ bekannt, dürfte auch die Komödie „L’Italiana in Algeri“ in einer Rekordzeit komponiert haben. Angeblich benötigte er für das Werk nur 27 – einer anderen Quelle zufolge sogar nur 18 – Tage.

Die Handlung

Kurz und gut …

Ein verwöhnter Herrscher, der seiner Ehegattin überdrüssig ist, sollte sich als Ersatz nicht voreilig eine feurige Italienerin wünschen.

1. Akt: Kleiner Saal

Elvira, die Frau des Beys von Algier, beklagt gegenüber ihrer Vertrauten Zulma ihr trauriges Eheschicksal. Mustafà, ihr Gatte, wolle sich von ihr trennen. Wie zur Bestätigung erscheint der Bey und bekräftigt seinen Entschluss. Er habe genug vom Hochmut der Frauen („Delle donne l’arroganza“). Zulmas Versuche, Elvira zu trösten, bleiben erfolglos.

Seinem Vertrauten Haly, dem Hauptmann der Wachen, teilt Mustafá daraufhin mit, dass er Elvira mit Lindoro verheiraten wolle, einem italienischen Sklaven, den er sehr schätzt. Als Ersatz für seine Frau wünsche er sich für die Zukunft eine temperamentvolle Italienerin („Languir per una bella“). Haly solle ihm eine solche schleunigst auftreiben. Gelinge ihm das nicht, könne er damit rechnen, aufgespießt zu werden.

Lindoro ist von der Aussicht, nun Elvira, die Frau seines Herrn, heiraten zu sollen, nicht sonderlich angetan. Denn er ist in Isabella verliebt, eine Italienerin, die er vor seiner Gefangennahme kennengelernt hatte.

Wie sehnt mein Herz voll Liebe
Mit heißem, inn’gen Triebe
Sich hin zu der Geliebten,
Nach langer Trennung Pein.
Werd’ ich sie wiedersehen,
Soll ich noch glücklich sein? 

O Hoffnung, du Trösterin,
Dir folg’ ich mit treuem Sinn!
Sanft sprichst du zum Herzen
Bei Unmut und Schmerzen,
Verscheuchst aus der Seele
Den Kummer, die Qual.

Doch Lindoro fehlen die Argumente, um Mustafàs Angebot abzulehnen. Dieser stellt ihm in Aussicht, schon mit dem nächsten Schiff als freier Mann in seine Heimat zurückkehren zu können – unter der Voraussetzung, dass er Elvira heiratet und mitnimmt. („Se inclinassi a prender moglie“)

Meeresufer

Einer Gruppe von Korsaren ist es unter ihrem Hauptmann Haly gelungen, ein Schiff zu kapern. Es gibt reiche Beute – Schätze und Sklaven! Unter den Gefangenen ist auch Isabella. Sie hatte sich gemeinsam mit ihrem Begleiter Taddeo aufgemacht, ihren Geliebten, den vermissten Lindoro zu suchen – und nun ist sie selbst gefangen!

Doch Isabella lässt sich nicht entmutigen. Sie ist entschlossen, aus der misslichen Lage das Beste zu machen und wenn nötig ihre weiblichen Reize einzusetzen, um wieder die Freiheit zu erlangen.

Der eher ängstliche Taddeo gibt sich den Korsaren gegenüber als Isabellas Onkel aus – das Mädchen dürfe nicht von ihm getrennt werden.

Haly ist von Isabella begeistert: Diese Italienerin ist zweifellos genau das, was sein Herr sucht!

Doch auch Taddeo ist in Isabella verliebt. Er hat inzwischen erkannt, dass sie diese gefährliche Reise nur angetreten hat, weil sie auf der Suche nach ihrem Lindoro ist – und reagiert eifersüchtig. Doch das Wortgefecht findet schnell ein Ende: Angesichts der gefährlichen Situation wollen die beiden ihren Rollen als Onkel und Nichte treu bleiben.

Kleiner Saal

Zulma ist verwundert darüber, dass Elvira ebenso wenig Interesse an Lindoro zeigt wie dieser an ihr. Wenn der Bey die beiden als Paar sehen wolle, dann habe dieser Wunsch, meint sie, erfüllt zu werden …

Mustafá hat indes erfahren, dass in Kürze ein venezianisches Schiff seine Anker lichten und in Richtung Italien aufbrechen wird. Er stellt Lindoro seine Freiheit und außerdem Gold in Aussicht. Doch er müsse Elvira auf Nimmerwiedersehen mitnehmen und solle sogleich zum Kapitän des Schiffes eilen, um für die morgige Abreise alles vorzubereiten. Lindoro gehorcht.

Sodann bringt Haly seinem Herrn auch schon die Frohbotschaft, dass ihm eine besonders schöne Italienerin ins Netz gegangen sei. Mustafá ist entzückt und ruft alle zu einem großen Empfang zusammen. Elviras unmittelbare Abreise scheint nun umso dringender, denn natürlich will sich der Bey seiner neuen Frau ungestört nähern. („Già d’insolito ardore nel petto“)

Elvira, die ihren Mann trotz allem noch liebt, fügt sich ihrem Schicksal, gemeinsam mit Lindoro nach Italien zu ziehen.

Prächtiger Saal

Als der Bey Isabella erstmals erblickt, ist er von ihrer Schönheit hellauf begeistert und macht ihr den Hof. Sie spielt mit, schmeichelt ihm – und gewinnt damit Einfluss auf den Herrscher – was sich bald danach als hilfreich erweist. Denn als sich der eifersüchtige Taddeo zwischen Mustafá und Isabella drängt und der Bey ihn für seinen mangelnden Respekt kurzerhand aufspießen lassen will, gelingt es Isabella, ihn zu besänftigen und ihren „Onkel“ zu retten.

Dann geschieht das Unvermeidliche: Lindoro erscheint mit Elvira und Zulma, um Abschied zu nehmen – und Isabella sieht ihren Geliebten wieder!

Nachdem ihr klar geworden ist, was hier vorgeht, nennt sie Mustafà mutig einen „hartherzigen Tyrannen“ und fordert von ihm, dass er Elvira als Gattin behalten und den Sklaven Lindoro ihr überlassen soll. Nur unter diesen Bedingungen könne er mit ihrer Gunst rechnen.

Allgemeine Verwirrung über diese unerwartete Umkehr der gewohnten „Befehlsstruktur“ ist die Folge („Confusa e stupida“) …

2. Akt: Kleiner Saal

Elvira, Zulma, Haly und die Haremswächter sind sich darüber einig, dass Mustafà der hübschen Isabella vollkommen hörig ist („Uno stupido, uno stolto“). Zulma hofft deshalb, dass sich für Elvira letztlich doch noch alles zum Guten wenden wird.

Mustafà kämpft indes um die Zuneigung der forschen „Italienerin“. Er bittet Elvira, Isabella darauf vorzubereiten, dass er mit ihr Kaffee trinken wolle. Diese befürchtet insgeheim, dass Lindoro, ihr Geliebter, an Elvira Gefallen gefunden haben könnte. Doch er überzeugt sie schnell vom Gegenteil. Seine Liebe gelte nur ihr. Lindoro und Isabella beschließen nun, gemeinsam zu fliehen.

Mustafá, den das anstehende Kaffeekränzchen mit der Italienerin in freudige Erregung versetzt, lässt Taddeo zu sich bringen, Isabellas vermeintlichen Onkel. Er wolle ihn zum „Kaimakan“ ernennen, zu seinem Stellvertreter. Sofort werden Turban, Säbel und türkisches Gewand gebracht und Jubellieder für den neuen Herrscher angestimmt. Taddeos Vorbehalte, für dieses Amt nicht geeignet zu sein – er könne ja nicht einmal lesen! („Ho un gran peso sulla testa“) – verhallen. Mustafà, der hofft, Isabella leichter für sich gewinnen zu können, wenn er ihren „Onkel“ standesgemäß versorgt, beruhigt ihn: Taddeos einzige Aufgabe sei es, bei seiner Nichte ein guter Fürsprecher zu sein. Also willigt dieser – den drohenden Spieß als Alternative vor Augen – schließlich ein.

Prächtiges Gemach

Mit Elviras und Zulmas Hilfe legt Isabella ein prächtiges türkisches Gewand für ihr Treffen mit Mustafà an. Ihrem neuen „Sklaven“ Lindoro befiehlt sie, Kaffee für drei Personen zu bringen. Elvira meint jedoch, dass der Bey beim Kaffee sicher mit Isabella allein sein wolle – und beklagt noch einmal die Gleichgültigkeit, mit der ihr Mann sie nun behandle.

Isabella lädt Elvira und Zulma ein, ihr Treffen mit dem Bey vom Nebenraum aus mitzuverfolgen, um zu lernen, wie man einen solchen Mann behandeln müsse … Danach bereitet sie – heimlich beobachtet sowohl von Mustafà, als auch von Taddeo und Lindoro – ihre Garderobe fertig für das Treffen vor, um sich, wie sie ausgelassen singt, für ihren Liebsten schön zu machen („Per lui che adoro“). Alle drei Männer beziehen diesen Gesang natürlich auf sich …

Dann ist Zeit ist gekommen: Der Bey schickt Lindoro nach Isabella und weist Taddeo an, ihn mit der Italienerin allein zu lassen, sobald er ihm durch Niesen das Zeichen dafür gebe.

Zunächst stellt Mustafà Isabella ihren „Onkel“ stolz als seinen neuen Stellvertreter vor. Doch als er dann zum Tête-à-tête übergehen will, hilft ihm auch wiederholtes Niesen nichts: Lindoro und Taddeo verlassen den Raum nicht – und schließlich bittet Isabella auch noch Elvira herein, wodurch sich plötzlich ein munteres Quintett („Ti presento di mia man“) in Mustafàs Gemach tummelt.

Der Bey fühlt sich verhöhnt und gerät aus der Fassung. Gleichzeitig dringen die Anwesenden in ihn, Elvira, seine Frau, nicht zu verstoßen. Die Lage erscheint verworren …

Kleiner Saal

Haly, den Hauptmann der Wachen, belustigt die Lage des Bay und die Schläue der italienischen Frauen („Le femmine d’Italia“).

Taddeo, der frisch gebackene Kaimakan, hofft, „seine“ Isabella vor dem Bey retten zu können. Er offenbart Lindoro – den er für einen einfachen italienischen Sklaven hält –, dass er in Wirklichkeit gar nicht Isabellas Onkel sei. Vielmehr liebe er das Mädchen. Und angesichts der Lage müsse er sich jetzt wohl nicht mehr darum sorgen, dass Isabella noch an ihrem früheren Geliebten hänge, einem gewissen Lindoro …

Da tritt Mustafà zu den beiden. Er fühle sich von Isabellas Verhalten brüskiert. Lindoro und Taddeo beeilen sich ihm zu versichern, dass sie ihn glühend liebe. Isabella beabsichtige sogar, ergänzt Lindoro, ihn zum „Pappataci“ zu ernennen. Dies sei nach italienischer Tradition eine ehrenvolle Auszeichnung, die nur einem Mann gebühre, den Frauen wegen seines Verständnisses und seiner Großzügigkeit besonders schätzen und verwöhnen. Mit der Aufnahme in den „Bund der Pappataci“ sei ein unvergleichlich angenehmes Leben verbunden. Der Bey müsse sich, stets liebevoll umsorgt, nur noch dem Genuss des Essens, Trinkens und Schlafens hingeben.

Mustafà ist von dieser Aussicht begeistert und zeigt sich besänftigt …

Im Umfeld des Herrschers spricht sich indes Isabellas wahrer Plan herum: Ihr Ziel ist es, Mustafà wieder mit Elvira, seiner Gattin, zu versöhnen, ihm anderweitige Gelüste gründlich auszutreiben und alle italienischen Sklaven aus Algier zu befreien.

Prächtiges Gemach

Taddeo und Lindoro hoffen, dass Isabellas Vorhaben gelingen wird. Sie hat ein Fest organisiert, für das sich einige Italiener als Pappataci verkleiden müssten. Die anderen sollen sich auf ein Schiff  begeben und es für die gemeinsame Flucht vorbereiten.

Die Sklaven sind bereit, Isabella zu folgen und notfalls auch mit Waffengewalt für ihre Freiheit zu kämpfen. Der Gedanke, ihre Heimat wiederzusehen, beflügelt sie („Pronti abbiamo e ferri e mani“ – „Pensa alla patria“).

Taddeo hofft indes immer noch, dass Isabella ihn liebt. Den schon ungeduldig seiner „hohen Ehre“ entgegenfiebernden Mustafá lässt er wissen, dass sie bereits damit beschäftigt sei, das Fest für seine Ernennung zum Pappataci vorzubereiten.

Und bald beginnt die „traditionell italienische“ Feier („Dei pappataci s’avanza il coro“): Höchst offiziell bittet Mustafá – zur besonderen Belustigung von Lindoro und Taddeo – um seine Aufnahme in den Bund. Die beiden helfen ihm, seinen Turban gegen eine Perücke auszutauschen und das Pappataci-Gewand anzuziehen.

Danach muss der Bey die Statuten für die Aufnahmezeremonie in den Bund der Pappataci, die ihm feierlich vorgetragen werden, Zeile für Zeile wiederholen: Er darf, will er sich dieser Ehre als würdig erweisen, sich beim Essen und Trinken durch nichts ablenken lassen und muss beharrlich schweigen, was immer er während der Prüfung sehen oder hören wird.

Augen haben und nicht sehen,
Gute Tafeln nicht verschmähen,
Ohren haben und nicht hören,
Sich an and’rer Thun nicht kehren,
Ja, das will ich, das beschwör’ ich,
Pappataci Mustafà.

Also versichert Mustafà, auf nichts zu achten, was um ihn herum geschieht. Sollte er seinen Schwur brechen, müsse er seinen Bart rasieren.

Danach wird ein Tisch gedeckt, an dem Isabella den Pappataci-Aspiranten und Taddeo – als Kaimakan – Platz nehmen lässt.

Die Nagelprobe für Mustafà folgt sogleich: Er muss schweigend ertragen, wie Lindoro und Isabella einander zärtliche Liebesgeständnisse machen.

Das will ihm natürlich kaum gelingen, und Taddeo erteilt ihm eine ernste Rüge … während die Italiener inzwischen nach und nach das Schiff bemannen.

Taddeo wiederum fährt hoch, als er hört, wie seine Geliebte Lindoro beim Namen nennt – er erkennt jetzt erst, wer dieser italienische Sklave ist, wird nun aber von Mustafá seinerseits an das Schweigegebot erinnert.

Dieser glaubt auch noch an das Schauspiel der Pappataci-Prüfung, als Isabella, Lindoro und Taddeo sich – unter dem fröhlichen Gesang des Matrosenchores – bereits auf die Flucht begeben. Erst als Elvira und Zulma ihm klar machen, dass er einem Schwindel aufgesessen ist, erwacht Mustafà aus seinen Pappataci-Träumen. Doch er kann nicht einmal befehlen, die Flüchtigen zu verfolgen, denn alle seine Wachen sind längst betrunken.

Von feurigen Italienerinnen hat der Bey nun genug. Er bittet Elvira um Vergebung und findet sich damit ab, dass die Sklaven mit Frohgesängen in Richtung Heimat aufbrechen …

Wir lichten die Anker, wir stoßen vom Strande,
Und steuern dem Lande der Heimat nun zu.
Italiens Schöne, sie gibt uns die Lehre,
Daß Eifersucht nimmer zur Liebe bekehre,
Und weibliche Schönheit beherrsche die Welt.