Barry Lewinsons preisgekröntes Drama „Rain Man“
• Charlie Babbitt (Tom Cruise), ein gefühlskalter, beziehungsunfähiger, selbstverliebter Autohändler mit finanziellen Problemen, muss nach dem Tod seines Vaters erfahren, dass dieser sein 3-Millionen-Dollar-Vermögen nicht ihm, sondern jemandem in Wallbrook, einem Wohnheim für geistig Behinderte, vermacht hat.
Charlie will nun mit allen Mitteln um „sein“ Erbe kämpfen und erfährt, dass es sich bei dem Begünstigten um seinen älteren Bruder Raymond (Dustin Hoffman) handelt, von dem er – gründlich verkracht mit seinem Vater – bislang nichts gewusst hatte.
Raymond lebt in dem Wohnheim, weil er Autist ist. Er ist unfähig, tiefere Beziehungen zu anderen aufzubauen, abhängig von Alltagsroutinen, kann einfachste Aufgaben nicht ohne Hilfe ausführen, hat aber eine ausgeprägte Begabung, was Zahlen, Zählen und Auswendiglernen anlangt. Er ist ein exzellenter Kopfrechner, kann sämtliche Rufnummern aus einem Telefonbuch behalten, und wenn jemand beispielsweise einen Becher mit Zahnstochern verstreut, erkennt Raymond mit einem Blick, wie viele es sind. Sein Gehirn funktioniert exzellent – aber eben nur im Rahmen besonderer „Inselbegabungen“.
Charlie entschließt sich – zunächst, weil er das Erbe seines Vaters im Hinterkopf hat –, seinen Bruder aus dem Pflegeheim zu nehmen und sich selbst um ihn zu kümmern. Während der gemeinsamen Reise entpuppen sich Raymonds besondere kognitive Fähigkeiten sodann zunehmend als Segen – in Las Vegas etwa, wo die beiden Brüder beim Kartenzählen das große Geld machen …
In „Rain Man“ erzählt der US-amerikanische Filmregisseur Barry Levinson die Geschichte einer charakterlichen Entwicklung. Denn nach und nach schließt Charlie seinen autistischen Bruder ins Herz. Dabei wird ihm klar, dass die Erinnerung an eine besondere Phantasiegestalt, die für ihn als kleinem Jungen wichtig gewesen war – der sogenannte Rain Man – in Wirklichkeit die Erinnerung an seinen älteren Bruder ist. Als Dreijähriger hatte er Raymond „Rain Man“ genannt, und seine Eltern hatten den damals 20-jährigen Bruder schließlich in das Heim gebracht, weil sie gefürchtet hatten, er könnte Charlie ungewollt verletzen.
Nun finden die beiden Brüder endlich zueinander. Und Kampf um sein „verlorenes Erbe“ spielt für Charlie schließlich keine Rolle mehr.
Aber „Rain Man“ ist mehr als nur eine gute Familiengeschichte. Das Filmdrama fördert zweifellos auch das Verständnis für Autisten – vor allem dahingehend, dass diese Entwicklungsstörung nichts mit der Intelligenzentwicklung zu tun hat.
Und vielleicht sogar mehr als das: Raymonds Geschichte führt vor Augen, dass der eigentliche Mensch, dem Wertschätzung und Liebe gebührt, nicht mit Gehirnfunktionen gleichgesetzt werden sollte. Diese können „abnormal“ sein, sich nur in besonderen Begabungen zeigen, aber „hinter“ seinem neuronalen Werkzeug steckt immer der wirkliche Mensch. Eine Störung im Gehirn kann es schwerer machen, den Kontakt zu seinem Wesen zu finden, aber es ist trotzdem möglich.
Insofern kann der idealistisch orientierte Filmfreund die Geschichte von Charlie und Raymond auch als schönes Beispiel für die Entdeckung einer Menschenseele betrachten.
„Rain Man“ war 1989 für acht Oscars nominiert und wurde mit vier ausgezeichnet – in den Hauptkategorien „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bester Hauptdarsteller“ (Dustin Hofmann) sowie „Bestes Originaldrehbuch“ (Barry Morrow, Ronald Bass). Ein ebenso wichtiger wie unterhaltsamer und berührender Film!
(1988, 133 Minuten)