27. Juli 2024

Platz neben dem König

Gina Prince-Bythewoods Historien-Drama „The Woman King“ 

1823, Königreich Dahomey, Westafrika. König Ghezo (John Boyega) sieht seinen Stamm einem zahlenmäßig weit überlegenen Feind gegenüber: den Oyo. Immer wieder überfallen deren Krieger Dörfer, besetzen sie und nehmen Männer und Frauen gefangen. 

Die eigentlichen Profiteure dieser Stammesfehden aber sind die Europäer. Sie kaufen Afrikaner, egal aus welchem Stamm, als Sklaven und bezahlen stattliche Summen an skrupellose Könige, die mit ihnen kooperieren.

Ghezo will diesem Treiben ein Ende setzen. Sein Reich soll künftig vom Handel mit Palmöl profitieren. Niemand aus Dahomey soll sein Leben mehr in Gefangenschaft verbringen müssen.

Die Idee zu diesem tief greifenden Wandel stammt von einer einflussreichen Frau, die auch wesentlich dazu beigetragen hatte, dass Ghezo den Thron für sich erobern konnte: Nanisca (Viola Davis). Sie ist die Anführerin der Agojie, einer weithin bekannten Truppe von Kriegerinnen im Dienst des Königs, denen es durch ihre Furchtlosigkeit und Kampfkunst immer wieder gelingt, besetzte Dörfer zu befreien und den Oyo schmerzliche Verluste zuzufügen.

Nanisca hat beschlossen, dass die Bedrohung des Königreichs Dahomey durch die Sklaverei beendet werden muss – und König Ghezo folgt dieser Vision …

Mit ihrem fiktiven Historien-Drama „The Woman King“ beleuchtet die US-amerikanische Regisseurin und Drehbuchautorin Gina Prince-Bythewood ein besonders hässliches Kapitel der europäisch-afrikanischen Beziehungen.

Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein blühte ein transatlantischer Sklavenhandel, an dem viele europäische Nationen – vor allem die Briten, Franzosen, Niederländer, Spanier und Portugiesen – beteiligt waren. Die Europäer bezahlten afrikanische Häuptlinge mit Schusswaffen und Schießpulver, Alkohol, Glasperlen, Tabak oder Textilien – und erhielten dafür Menschen.

Diese verfrachteten sie nach Amerika, wo sie auf Plantagen arbeiten mussten. Die afrikanischen Sklaven brachten Zucker, Kaffee, Baumwolle, Tabak und Gewürze ein und galten in der Ausbeutungs-Logik, der Geschäftsleute sowohl in der Alten als auch die „Neue Welt“ folgten, bald als „wirtschaftliche Notwendigkeit“.

Niemand weiß, wie viele Afrikaner während dieser Jahrhunderte in Westafrika auf Schiffe verfrachtet und versklavt wurden. Schätzungen gehen von 10 Millionen Menschen aus. Viele von ihnen überlebten auf Grund der unmenschlichen Bedingungen nicht einmal die Überfahrt.

Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Sklavenhandel verboten, zunächst von Großbritannien, dann auch in den USA. Die Haltung von Sklaven jedoch blieb sowohl in den Kolonien als auch in den US-amerikanischen Südstaaten noch einige Jahrzehnte lang erlaubt.

In dieser letzten Epoche der Sklaverei spielt „The Woman King“. In ihrem Filmdrama erzählt Gina Prince-Bythewoods neben der Geschichte der Agojie-Anführerin Nanisca auch die der mutigen jungen Nawi (Thuso Mbedu). Diese hatte sich geweigert, einen Plantagenbesitzer zu heiraten, der sie als sein Eigentum betrachtete, und findet in der Agojie-Kriegerin Izogie (Lashana Lynch) eine Freundin und Fürsprecherin. Bis sich letztlich herausstellt, wie eng Nawis Leben mit dem Naniscas verbunden ist und diese als „Woman King“ neben König Ghezo Platz nehmen darf.

Gina Prince-Bythewoods „The Woman King“ erinnert nicht nur an historische Gegebenheiten, die sich in erschreckend naher Vergangenheit ereignet und die Geschichte des Filmdramas inspiriert haben. Er gilt zugleich als richtungweisendes kreatives Statement der „Black-Lives-Matter“-Ära.

Sehenswert.

(2022, 141 Minuten)