15. Oktober 2024

„Rom schöpft nun freudig neuen Atem“

Lucio Silla

• Oper in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart 

Libretto: Giovanni di Gamerra (1742–1803) 
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Uraufführung: 26.  Dezember 1772, Mailand (Teatro Regio Ducal)
Dauer: ca. 4 Stunden

Akte:
1. Am Ufer des Tiber; Gemächer in Sillas Palast; Prächtige dunkle Halle
2. Bogengang in Sillas Palast; Hängende Gärten; Kapitol in Rom
3. Vorhalle zu den Kerkern; Eine Halle

Hauptpersonen:
Lucio Silla,
Diktator: Tenor
Celia, Lucio Sillas Schwester: Mezzosopran
Cecilio, römischer Senator: Sopran (Kastrat)
Giunia, Cecilios Verlobte: Sopran
Lucio Cinna, Cecilios Freund: Sopran
Aufidio, Tribun, Lucio Sillas Vertrauter: Tenor

Kurze Werkeinführung

„Lucio Silla“ ist eine frühe „Opera seria“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). Die Handlung spielt im Jahr 79 v. Chr. in Rom. Im Mittelpunkt der Oper steht der römische Diktator Lucio Silla (Lucius Cornelius Sulla Felix), dessen Feindschaft mit Gaius Marius, einem großen römischen Feldherrn und Staatsmann, zu einem Zwist unter den Bürgern Roms geführt hat, da der verstorbene Marius für viele ein großes Vorbild ist.

Das Libretto zur Oper schrieb für Mozart der italienische Dichter und Geistliche Giovanni di Gamerra (1742–1803), dem eine Vorliebe für Schauriges nachgesagt wird. Angeblich ließ er die Asche seiner Frau ausgraben und verbrennen, um ihre Asche mit sich zu führen.

Den Auftrag zur Komposition der Oper erhielt Mozart nach dem Erfolg seines Werkes „Mitridate“, das ebenfalls einer historischen Figur gewidmet ist, die für die römische Geschichte eine wichtige Rolle spielte. 

Aber obwohl auch die Uraufführung von „Lucio Silla“ am 26. Dezember 1772 in Mailand ein großer Erfolg wurde, erhielt Mozart in Italien keine weiteren Kompositionsaufträge mehr.

Heute zählt die Oper zu den relativ häufig aufgeführten Frühwerken Mozarts.

Die Handlung

Kurz und gut …
Manchmal gelingt es ja doch, in einem Tyrannen die Stimme des Gewissens zu wecken. Der römische Herrscher Lucio Silla entdeckt, bestärkt durch seine Schwester, die Großherzigkeit.

1. Akt: Ufer des Tiber

In einer einsamen Gegend am Ufer des Tiber trifft der römische Senator Cecilio seinen alten Freund Lucio Cinna wieder. Der herrschende Diktator, Lucio Silla, hatte Cecilio, gemeinsam mit anderen Feinden, aus Rom verbannt, Nun aber ist Cecilio heimlich in die Stadt zurückgekehrt. Er möchte endlich Giunia, seine Verlobte, wieder sehen.

Lucio Cinna offenbart Cecilio, dass dies schwierig werden würde. Denn Giunia wohne inzwischen unter dem Dach von Lucio Silla. Der Diktator begehre sie zur Frau und habe sie wissen lassen, dass Cecilio, ihr Geliebter, inzwischen tot sei – dies, um „ihre treue Liebe zu besiegen“.

Trotzdem gebe es eine Möglichkeit, Giunia wiederzusehen. Cecilio solle einen versteckten Pfad beschreiten, der durch die Ruinen zu dem Grab ihres Vaters führt, das sie täglich besucht. Er, Cinna, werde indes mit Freunden zu Cecilios Schutz wachen. 

Erfreut stimmt der geächtete Senator diesem Plan zu und freut sich auf das Wiedersehen mit seiner Verlobten:

Den zarten Augenblick,
Den Preis so vieler Liebe,
Malt in den Gedanken
Süß das Herz sich aus.
Und welche Freude wird es sein,
Die, ihr zur Seite, mich erwartet,
Wenn schon der Freude Vorgefühl
Mich so sehr betört.

Gemächer in Sillas Palast

Lucio Silla bedrängt seine Schwester Celia, auf Giunia einzuwirken. Diese solle ihren Starrsinn und Stolz endlich aufgeben und ihn nicht mehr verachten. Ermutigt durch seinen Vertrauten Aufidio überlegt der Diktator, Giunia ein Ultimatum zu setzen: Entweder sie füge sich ihm, oder sie würde die Sonne nicht mehr aufgehen sehen. 

Celia rät ihrem Bruder zu einem gemäßigten Weg. Er solle sein Werben vorsichtig noch einmal erneuern. Damit werde er schließlich Erfolg haben.

Lucio Silla folgt diesem Rat, doch er stößt auf eisernen Widerstand. Giunia verachtet den Diktator zutiefst – als den Feind ihres Vaters Marius, gegen den Silla barbarisch vorgegangen war, und auch als Feind ihres Geliebten, den er „gemeinsam mit den würdigsten der Bürger“ aus Rom verbannt habe. Der Gedanke daran, dass Cecilio tot sei, könne sie nicht entmutigen:

Du nimmst an, des großen Marius Tochter
Durch das Bild des Todes zu entmutigen?
Keine Hoffnung habe Platz in Deiner Seele.
Die meine Liebe schänden könnte.

Lucio Silla kämpft mit dieser erneuten Zurückweisung und erlebt einen Zwist in sich. Sein Herz schlägt immer noch für Giunia, doch sein Wunsch, ein Machtwort zu sprechen und die Unfolgsame töten zu lassen, wächst.

Prächtige dunkle Halle

In einer prächtigen dunklen Halle mit Monumenten der Helden Roms wartet Cecilio, der dem Rat seines Freundes gefolgt ist und durch die Ruinen zu Marius Grab gefunden hat, auf seine Verlobte. Tatsächlich trifft Giunia, begleitet von jungen Frauen, bald ein. Sie wendet sich wehklagend an ihren Vater, verleiht aber zugleich auch ihrer Hoffnung Ausdruck, ihr „verlorener Geliebter“ möge herbei eilen, um ihr gegen Lucio Silla beizustehen.

Als Cecilio in diesem Augenblick wirklich hervortritt, glaubt Giunia zunächst an eine Sinnestäuschung.

Bist Du es? … Phantasiere ich vielleicht?
Ein Geist vielleicht? Bist Du es selber?
Täuscht mich mein Augenlicht?
Oh Götter!
Ach, ich weiß noch nicht,
Ob ich mich dieser süßen Illusion ergeben kann?

Schließlich erkennt Giunia, dass ihr Geliebter tatsächlich noch lebt, und beide fallen einander überglücklich in die Arme.

2. Akt: Bogengang in Sillas Palast

In seinem Palast berät sich Lucio Silla mit Aufidio, seinem Freund und Vertrauten. Der Herrscher hat sich bereits dazu durchgerungen, die widerspenstige Giunia töten zu lassen. Doch Aufidio rät ihm, seine Macht dazu zu nützen, Marius’ stolze Tochter auch gegen ihren Willen zu ehelichen. Damit ließe sich weiterer Bürgerzwist vermeiden, denn der Tote habe im Volk immer noch viele Anhänger. Und Giunia würde es nicht wagen, sich vor dem versammeltem Volk dem Willen des Herrschers zu widersetzen.

Silla stimmt diesem Vorschlag zu und gesteht Aufidio, sowieso immer froh zu sein, Bluttaten vermeiden zu können. Eine „Schwäche“ …

Bald danach berichtet Lucio Silla auch seiner Schwester Celia von der unmittelbar bevorstehenden Hochzeit. Sie ist überrascht und vermutet nichts Gutes, denn ihr ist klar geworden, dass Giunia ihren Bruder wohl niemals lieben wird.

Gleichzeitig aber lässt der Herrscher seine Schwester wissen, dass er sie mit Lucio Cinna verehelicht sehen will. Und damit löst er helle Freude aus – denn Celia liebt Cinna, hatte es aber bisher nicht gewagt, ihm ihre Liebe zu offenbaren.

Cecilio hat sich indes dazu entschlossen, den verhassten Lucio Silla zu ermorden. Das Andenken an Marius und seine Liebe zu Giunia bestärken ihn in diesem Vorhaben. 

Schon hat er sich mit seinem Schwert auf den Weg zu den Gemächern des Herrschers gemacht, als ihm Cinna begegnet und ihn von seiner Tat abhält. Cecilio würde damit seine eigenen Pläne durchkreuzen; er selbst werde für Sillas Abgang sorgen. 

Cecilio vertraut seinem Freund und zieht sich vorerst zurück.

Nun wendet sich Celia an Lucio Cinna. Sie hat sich vorgenommen, ihm angesichts der bereits geplanten Hochzeit endlich ihre Liebe zu offenbaren. Letztlich aber bleibt ihr Geständnis unausgesprochen, sie ist zu schüchtern.

Cinna spürt ihre Zuneigung. Auch er liebt Celia, doch will er sich von seinen Gefühlen für sie nicht irritieren lassen. Ihr Bruder soll sterben! 

In Cinnas Attentats-Plänen soll Giunia eine Schlüsselrolle spielen. Sie soll dem Mann, der sie begehrt, ins Bett folgen, denn dann hätte sie, sobald er schläft, die beste Gelegenheit zur Tat. 

Doch Giunia lehnt eine solche heimtückische Ermordung ab: „Mein Name sei niemals befleckt … durch niedrigen Betrug.“

Also entschließt sich Cinna, die Tat selbst auszuführen, unmittelbar nach der geplanten Hochzeit Lucio Sillas mit Giunia:

Im Augenblick des Glücks,
Den er in seinen Wünschen nahe sieht,
Will ich, dass zur Rache aller,
Er sein Leben aushaucht, mir zu Füßen.

Hängende Gärten

Lucio Silla bespricht mit Aufidio die nahende Hochzeit, „den Höhepunkt des Glückes“. Doch Giunia gibt dem Herrscher einmal mehr deutlich zu verstehen, dass sie ihn verachte und auch bereit sei, diese Einstellung mit dem Tod zu bezahlen: „Eher als dich lieben – sterben!“

„Du wirst sterben, Stolze, aber nicht allein“ verkündet ihr Silla daraufhin – und Giunia bangt nun um das Leben ihres Geliebten. 

Cecilio hat inzwischen erfahren, dass Silla, „der gottlose Tyrann“, Giunia „zum Altare schleppen“ will, und er ist entschlossen, das unter Einsatz seines Lebens verhindern. Giunia aber ringt ihm das Versprechen ab, sich – als Beweis für seine Liebe – zurückzuhalten und zu fliehen, um nicht weiterhin in Todesgefahr zu schweben.

Voller Kummer bleibt Giunia allein zurück. 

Für Celias gut gemeinten Rat, sie solle sich doch noch ihrem Schicksal als „Braut des Herrschers“ fügen, hat Giunia nur abschätzige Worte übrig: „Lass mich in Frieden“. Sie ist entschlossen, sich Lucio Silla nicht zu beugen – und vor dem römischen Senat für Cecilio, ihren Liebsten, um Gnade zu flehen.

Kapitol in Rom

Lucio Silla hält vor den versammelten Senatoren und Patriziern eine feierliche Ansprache, in der er seine Heirat mit Giunia öffentlich bekannt gibt. Der „unheilvolle Hass“, der ihn mit Marius, dem Vater seiner Braut verband, solle damit endgültig überwunden sein.

Der Senat schweigt zu dieser Ankündigung – und bringt damit sein Wohlwollen zum Ausdruck. Doch als Giunia Silla zum Altar folgen soll, kann sie sich nicht mehr zurückhalten. Sie stellt sich öffentlich gegen den Herrscher, beschimpft die Senatoren („Dass hier auch nicht einer ist,

dessen Brust ein Römerherz umschließt!“) und herrscht Silla mit dem Dolch in der Hand an, ihr fernzubleiben: „Nahe Dich mir nicht, sonst stoße ich mir dieses Eisen in die Brust.“

Lucio Silla will Giunia entwaffnen lassen und gegen ihren Willen zum Altar führen, da stürmt Cecilio mit gezogenem Schwert heran, nachdem er sich „durch die Scharen einen Weg gebahnt“ hat. Er hat den Wunsch seiner Geliebten, sich zurückzuhalten, doch nicht befolgt.

Schon steht ein weiterer Kampf bevor, in den auch Cinna verwickelt zu werden droht, da tritt Giunia dazwischen und beschwört ihren Geliebten, seine Waffe abzugeben und sich ihrer „Treue und der Gunst des Himmels“ anzuvertrauen.

Mit verhaltener Wut ringt Cecilio sich dazu durch, dem Wunsch Giunias zu folgen. 

Lucio Silla lässt die beiden Liebenden abführen und „in das dunkelste Gefängnis“ werfen.

3. Akt: Vorhalle zu den Kerkern

Lucio Silla hat Cecilio in Ketten legen lassen. 

Cinna besucht seinen Freund im Kerker. Er beklagt die Entwicklungen, die den Tod des Tyrannen verhindert haben, aber er ist zuversichtlich, Cecilio und Giunia doch noch retten zu können. Celia habe Einfluss auf ihren Bruder und könne ihn dazu bewegen, Milde walten zu lassen.

Als Cinna ihr in Aussicht stellt, sie „zur Belohnung“ zu heiraten, erklärt Celia sich glücklich bereit, es zu versuchen – umso mehr, als sie weiß, dass ihr Bruder mächtige Feinde hat, die durch Cecilios Tod nur noch weiter angespornt würden.

Bald danach besucht Giunia ihren Geliebten. Lucio Silla hatte ihr gestattet, ihm „das letzte Lebewohl“ zu sagen. Sie ist dazu entschlossen, an Cecilios Seite zu sterben.

Aber schon wird er von Aufidio und seinen Wachen zur Aburteilung weggebracht. 

Giunia bleibt allein in der Vorhalle zu den Kerkern zurück.

In düsteren Gedanken an den Tod
Scheine ich den Gefährten schon entseelt zu sehen,
Wie er mit eisiger Hand
Mir die vom Blut noch warme Wunde weist
Und sagt: „Was zögerst Du zu sterben?“
Ich wanke, verlösche, sterbe schon.
Und eilig folge ich dem Schatten
Des angebeteten dahingeschiedenen Bräutigams.

Eine Halle

In einer Halle erwartet Cecilio sein Todesurteil. Doch Lucio Silla überrascht ihn und alle Anwesenden: Er begnadigt seinen Feind – und gestattet Cecilio gleichzeitig, die stolze Giunia zu heiraten.

Die Fürsprache seiner Schwester hatte sein schlummerndes Gewissen erweckt.

Selbst als Cinna dem Herrscher nun offen gesteht, gemeinsam mit Cecilio ein Attentat auf ihn geplant zu haben, ändert dies nichts an Sillas Entschluss, Milde walten zu lassen. Er bekräftigt sogar seine Absicht, Celia mit Cinna zu vermählen.

Aufidio bedauert es nun, Lucio Silla zur Gewaltanwendung geraten zu haben. Und alle preise die Großherzigkeit ihres geläuterten Herrschers.

Der große Silla!
Durch ihn schöpft Rom nun freudig neuen Atem.
Heute macht er sich zum Sieger,
Erhaben über jeden Ruhm und jedes Lob.

 

Hinweise:
Alle Zitate aus der deutschen Übersetzung des Librettos lt. Opera Guide
Titelbild: „Lucio Silla“ in einer Inszenierung des TOBS, Solothurn, Schweiz, 2017