Mitridate, re di Ponto
• Oper in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto: Vittorio Amedeo Cigna-Santi (1730–1795) •
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) •
Uraufführung: 26. Dezember 1770, Mailand (Teatro Regio Ducale)
Dauer: ca. 2,5 Stunden
Akte:
1. Ein Platz in Ninfea
2. Ein Gemach im Schloss von Ninfea; Mitridates Feldlager
3. Ein Gemach im Schloss von Ninfea; Das Innere eines Turms; Ein Atrium nahe dem Schlosshof
Hauptpersonen:
Mitridate, König von Pontus: Tenor
Aspasia, Verlobte von Mitridate: Sopran
Sifare, Sohn von Mitridates: Sopran (Kastrat)
Farnace, Sohn von Mitridates: Alt (Kastrat)
Ismene, Tochter des Königs von Parthien, Farnaces Geliebte: Sopran
Marcius, römischer Tribun und Freund Farnaces: Tenor
Arbate, Stadthalter von Ninfea: Sopran (Kastrat)
Kurze Werkeinführung
„Mitridate, re di Ponto“ ist ein Frühwerk von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791). Den Kompositionsauftrag erhielt er während seiner ersten Italienreise – im Alter von 14 Jahren. Mozart stellte die Komposition der dreiaktige Oper innerhalb weniger Monate fertig, so dass sie am 26. Dezember 1770 in Mailand uraufgeführt werden konnte.
Der erfolgreichen Premiere folgten über 20 weitere Aufführungen. Danach allerdings geriet das Werk in Vergessenheit – ehe es 1971 von den Salzburger Festspielen wiederentdeckt wurde.
Den Text zu der Oper verfasste der italienische Librettist Vittorio Amedeo Cigna-Santi (1730–1795), der dafür einen Roman des französischen Schriftstellers Jean Baptiste Racine (1639–1699) adaptierte.
Im Mittelpunkt der Handlung steht eine historische Figur, König Mitridates VI. Eupator (132-63 v. Chr.), den König des kleinasiatischen Reiches Pontus, dessen Reich große Küstengebiete an der südlichen Schwarzmeerküste umfasste.
Mitridate kämpft in Kleinasien gegen die Römer. Seine Verlobte, Prinzessin Aspasia, die bereits als Königin proklamiert worden ist, hat er der Obhut seiner beiden Söhne Sifare und Farnace übergeben. Da er die beiden – sie sind politische Gegner – auf die Probe stellen will, hat er die Nachricht von seinem Tod verbreiten lassen. Sifare und Farnace werben nun um die Gunst der Prinziessin und künftigen Königin.
Die Handlung
Kurz und gut …
Ein umsichtiger König sollte die hübsche junge Frau, die er heiraten will, lieber nicht mit seinen Söhnen allein lassen, während er in den Krieg zieht.
1. Akt: Ein Platz in Ninfea
Mit einem Gefolge von Offizieren und Soldaten trifft Sifare, der Sohn von König Mitridate, in der Stadt Ninfea ein. Arbate, der Stadthalter, empfängt ihn gemeinsam mit den Stadtvätern und jubelndem Volk.
Sifare zeigt sich erfreut über Arbates Treue, die in dessen Begrüßung zum Ausdruck kommt, hätte sich aber mehr erwartet. Denn er weiß, dass sich auch sein ungeliebter Bruder Farnace seit kurzem in der Stadt aufhält – und dieser hätte hier besser nicht empfangen werden sollen.
Zwischen den beiden Königssöhnen hat sich ein Zwist entwickelt, denn sie lieben die gleiche Frau – Prinzessin Aspasia, eine wunderschöne Griechin. Eigentlich ist sie ja die Verlobte des Königs, also des Vaters, und auch schon als künftige Königin benannt. Doch der König ist verschwunden, wohl im Krieg gegen die Römer gefallen …
Der Stadthalter versichert Sifare seiner Loyalität, und bald danach wird dem Königssohn auch klar, dass Aspasia kein Interesse an seinem Bruder hat. Sie sucht Sifares Schutz. Farnace würde sie bedrängen, sie wolle „aus den verruchten Händen“ gerettet werden.
Sifare fühlt sich durch die Bitte um Schutz angespornt und hofft, Aspasias Herz für sich gewinnen zu können.
Bald danach bedrängt Farnace die Prinzessin erneut. Sie solle und werde an seiner Seite als Königin regieren. Aspasia jedoch weist ihn entschlossen zurück und wirft ihm vor, mit den Römern zu kollaborieren. Farnace lässt sich diese Abfuhr nicht gefallen und ergreift mit Gewalt ihre Hand: „Gegen meinen Willen sträubst Du dich vergeblich!“
Da tritt Sifare dazwischen. Schon wollen die Brüder mit Schwertern aufeinander losgehen, als Arbate mit einer unerwarteten Nachricht eintrifft: Mitridate, der König, sei am Hafen von Ninfea gesichtet worden! Die Kunde von seinem Tod war offensichtlich falsch gewesen.
Diese Nachricht ändert alles. Prinzessin Aspasias Herz hatte bereits für Sifare zu schlagen begonnen. Nun zwingt sie die Wiederkehr des Königs dazu, sich von ihm zu lösen. Im Abschied der beiden schwingt die Liebe mit …
Während Sifare seinem Vater loyal sein will, hat Farnace andere Pläne. Unterstützt von seinem Freund Marcius, einem römischen Tribun, träumt er davon, dass Mitridate Rom in ihm, seinem Sohn, „achten und fürchten“ lernen solle …
Inzwischen ist Mitridates Schiff am Hafen von Ninfea vor Anker gegangen. An der Seite des Königs, der eine entscheidende Schlacht gegen die Römer verloren hat, trifft Ismene ein, die Tochter des Königs von Parthien.
Sifare und Farnace eilen nun herbei, um ihren Vater zu empfangen. Seine Frage, warum sie denn überhaupt hierher in die Stadt gekommen seien, anstatt in den ihnen anvertrauten Gegenden zu bleiben, beantwortet Farnace mit dem Hinweis auf „die unglückselige Kunde Deines Todes“, und heuchlerisch fügt er hinzu: „Wohl machten wir uns durch das Übertreten Deiner Weisung schuldig. Haben aber so die große Freude und das Glück, Den heil wieder zu erblicken. Den wir bisher so sehr betrauert und beweint …“
Mitridate verkündet seinem Sohn daraufhin, dass er Ismene, die Farnace schon früher kennen- und lieben gelernt hatte, nun zur Frau nehmen solle: „Bereite Deine Seele zu dem erhabenen Bunde, der auch meiner Wahl entspricht, und lerne, Dich eines solchen Schicksals würdig zu erweisen!“
Farnace reagiert verhalten, und Ismene, die darauf gehofft hatte, hier von dem geliebten Königssohn empfangen zu werden, spürt, dass Unheil in der Luft liegt:
Nur Freude und Entzücken
Sollte ich im Herzen fühlen
Beim Anblick dessen,
Der für mich in Liebe brennt.
Doch ich fühle eine Qual,
Die ich nicht verstehen.
Die finstere Braue
Und der Lippe Schweigen
Bringen meinen Frieden in Gefahr.
Schon sagen sie mir Leid voraus …
Arbate berichtet dem König nun, was nach der Kunde von seinem Tod geschehen war: Farnace sei unmittelbar in die Stadt geeilt, um an Aspasias Seite den Thron zu beanspruchen. Von Sifare dagegen berichtet der Stadthalter nur Gutes.
Mitridate hatte seine beiden Söhne prüfen wollen – auch, weil er schon vermutete, dass sie Nebenbuhler sein könnten.
Nun, nach Arbates Bericht, glaubt der König Bescheid zu wissen: Sifare erscheint ihm als der treue, an der Königin nicht interessierte Sohn und als der loyale Nachfolger, den er in ihm erhofft hatte. Farnace dagegen als gefährlicher Verräter …
2. Akt: Ein Gemach im Schloss von Ninfea
Als Ismene mit Farnace allein in einem Gemach ist, bewahrheitet sich ihr ungutes Gefühl: Der Königssohn, der ihr Gemahl werden sollte, liebt sie nicht mehr. Farnace gibt dies auch offen zu: „Wahr ist, dass eine Zeit ich dich verehrte. Fern von Dir, hat sich die Glut verringert. Nach und nach erlosch sie ganz und machte einer anderen Liebe Platz.“
Ismene berichtet dies dem König, und dieser sichert dieser ihr zu, dass sein ungeliebter Sohn für diese Beleidigung büßen werde. Indes würde Sifare sich als ein würdigerer Ehemann erweisen.
Seinem zweitgeborenen Sohn gegenüber äußert Mitridate dann den Verdacht, dass Aspasia, die er nun heiraten wolle, ihn in seiner Abwesenheit mit Farnace betrogen habe. Sifare erhält von seinem Vater den Auftrag, die Prinzessin wieder auf Linie zu bringen: „Dein Bruder ist Aspasias Geliebter, sie liebt ihn. Du, dessen Treue niemals wankt, auch durch das üble Beispiel eines Bruders nicht, befreie Mitridate von des Übeltäters Hinterlist. Die Undankbare erinnere an ihre Pflicht.“
Doch das Gespräch zwischen Sifare und Aspasia nimmt einen anderen Verlauf – die beiden, die bereits Sympathien empfunden hatten, gestehen einander nun ihre Liebe. Aus Pflichtbewusstsein ihrem König gegenüber beschließen sie jedoch, ihre Gefühle zu unterdrücken und sich zu trennen. Aspasia leidet:
In bitterer Qual,
Die meine Brust bedrückt,
Fühle ich den Frieden
Meines Herzens schwinden.
Dem heftigen Gegensatz
Halte ich nicht stand:
Pflicht und Liebe
Zerreißen dieses Herz …
Mitridates Feldlager
Nach einem warnenden Hinweis von Ismene hegt König Mitridate den Verdacht, sein ungeliebter Sohn Farnace könnte mit den Römern kollaborieren. Er ruft seine beiden Söhne in sein Feldlager und offenbart ihnen, den Feind erneut angreifen zu wollen. Als Farnace sich diesem Plan entgegenstellt („Welch feindlich gesinnte Gottheit rät Dir das wahnwitzige Unterfangen?“) und seinem Vater rät, statt dessen ein Friedensangebot der Römer anzunehmen, ist dem König klar, dass Ismene mit ihrem Verdacht richtig liegt: Sein Sohn hat sich auf die Seite des Feindes geschlagen.
Er lässt Farnace entwaffnen und abführen.
Nun, da er „verraten“ wurde, entschließt Farnace sich, alles offenzulegen, was sich in der Abwesenheit des Königs ereignet hatte. Ja, sein größter Fehler sei gewesen, Mitridate durch sein Werben um Aspasia zu kränken. Doch damit, gibt er seinem Vater zu erkennen, sei er nicht allein gewesen: „Auch Sifare war dein Rivale, doch viel verhängnisvoller noch, dort, wo ich nur Weigerung, Verachtung und Strenge fand, empfing er Liebe, war willkommener als ich.“
Mitridate weiß zunächst nicht, ob er Farnace glauben soll, aber ein Gespräch mit Aspasia überzeugt ihn bald davon, dass die Prinzessin und Sifare einander wirklich lieben.
Der enttäuschte Mitridate ist nun entschlossen, sowohl an seinen beiden Söhnen alsauch an Aspasia Rache zu üben. Er will sie alle „vernichten“:
Schon bricht mein Zorn, Ihr Falschen,
Entfesselt über Euch herein.
Als gekränkter Vater und Geliebter
will ich Rache
Und will, dass der gerechten Strenge Last
euch zermalmen will.
Sifare versucht vergeblich, Aspasia zur Heirat mit seinem Vater zu überreden, um die Wogen zu glätten. Ihr erscheint der König nun als Ungeheuer, seine Liebe als erbarmungslos. Die Liebenden beschließen, sich gemeinsam ihrem Schicksal, dem Tod, zu ergeben.
3. Akt: Ein Gemach im Schloss von Ninfea
Ismene bittet Mitridate, Milde walten zu lassen. Und tatsächlich bietet der König Aspasia noch einmal an, ihn, wie ursprünglich vorgesehen, zu heiraten. Damit könne sie auch Sifares Leben retten. Sie jedoch lehnt ab.
In diesem Augenblick verkündet Arbate, dass die Römer den Strand erreicht und die Truppen Mitridates in die Flucht geschlagen hätten. Der König solle zum Kampfe aufbrechen oder sich retten.
Mitridate entschließt sich, alles für die Verteidigung der Stadt zu tun und eilt zu seinen Männern. Einen Wächter beauftragt er, Aspasia einen Kelch mit Gift zu reichen.
Die Prinzessin ist bereit, ihn zu leeren. Sie hofft, „im Grab den Frieden zu finden, den man mir raubte.“
Doch es kommt nicht dazu. Sifare stürzt ins Gemach, Ismene hatte ihn befreit. Nun will er seinem Vater im Kampf gegen die Römer beistehen: „Ungerecht wenngleich, ist er mein Vater doch. Alles habe ich verloren, wenn ich ihn nicht retten kann, und lebe in Verachtung.“
Wenn auch des gnadenlosen Schicksals Strenge
Mich in der Treue wanken lässt,
Soll sich im Tode wenigstens
die Reinheit meiner Seele offenbaren.
Das Innere eines Turms
Farnace sitzt in einem Turm an den Mauern Ninfeas gefangen. Nun aber wird er von den in die Stadt vordringenden Römern befreit. Damit stünde für ihn in Aussicht, wovon er immer geträumt hatte: der Thron! Er könnte herrschen.
Doch die Ereignisse der letzten Tage haben den Königssohn geläutert. Das Gewissen mahnt in – und er erkennt seine eigene Feigheit, die ihn dazu getrieben hatte, mit den Römern zu kollaborieren. Farnace bereut und verzichtet auf alle Ansprüche:
Schon wich der Schleier von den Augen.
Feigheit – von dir kehr’ ich mich ab.
Ich bereue,
Höre nichts als meines Herzens Klagen.
Ein Atrium nahe dem Schlosshof
König Mitridate hat erkannt, dass er die vordringenden Römer nicht besiegen kann und sich in sein eigenes Schwert gestürzt, um nicht dem Feind in die Hände zu fallen.
Sifare eilt zu seinem Vater, doch er kommt zu spät. Im Sterben erkennt der König beglückt die Treue und Tapferkeit seines Sohnes, der trotz allem an seiner Seite zu kämpfen bereit war.
Auch Prinzessin Aspasia erreicht nun den Sterbenden, der noch Kraft findet, ihr und Sifare seinen Segen zu geben. Der letzte Wunsch des Königs an das Paar: „Ewiges Vergessen soll die arge Erinnerung an mein Toben aus eurem Herzen streichen!“
Sifare bietet seinem Vater noch an, „den schuldbelasteten Farnace“ gebührend zu bestrafen. Doch da berichtet Ismene von dem Sinneswandel des Bruders, mit dem dieser die Römer überrascht habe. Deren Schiffe stünden nun in Flammen, sie seien zurückgeschlagen.
Glücklich kann der Sterbende nun auch seinem zweiten Sohn vergeben – und alle sind sich einig, dem Feind aus Rom weiterhin zu trotzen:
Niemals werden wir dem Kapitol uns beugen
Und leisten Widerstand dem zügellosen Stolz.
Immer Krieg und niemals Frieden
Sollen diesem stolzen Geist
Der es versucht, der ganzen Welt
Die Freiheit zu entziehen,
Durch uns bereitet werden.
Hinweise:
Das Titelbild zeigt eine Szene aus einer Produktion des Royal Opera House, Covent Garden, 2017 (Foto: Cooper)
Alle Zitate stammen aus dem übersetzten Libretto