Marc Forsters Tragikomödie „Ein Mann namens Otto“
• Otto Anderson (Tom Hanks) ist ein alter Griesgram. In öder Routine dreht er Tag für Tag seine Runden durch die Siedlung, in der er wohnt, sortiert den wieder einmal von irgend jemandem nicht richtig getrennten Müll, mockiert sich über Leute, die die Parkregeln nicht beachten und „beglückt“ seine Nachbarn bestenfalls mit mürrischen Zurufen.
Eines Tages jedoch trifft seine schlechte Laune auf unerwarteten Widerstand: Das Ehepaar Marisol (Mariana Treviño) und Tommy Mendes (Manuel Garcia-Rulfo) zieht mit seinen beiden Töchtern ins gegenüberliegende Haus und bittet Otto immer wieder einmal um Hilfe. Die Familie lässt sich von seinen Unfreundlichkeiten nicht irritieren, und vor allem Marisol scheint davon überzeugt, dass hinter der rauen Schale des Rentners doch ein liebevoller, hilfsbereiter Kerl steckt.
Also entwickelt sich zwischen dem notorisch unfreundlichen Otto und der lebenslustigen Nachbarsfamilie letztlich eine Beziehung, die alle Beteiligten verändert …
Zunächst lässt Marc Forsters Tragikomödie „Ein Mann namens Otto“ vermuten, hier werde lediglich eine Variante der meisterhaften Komödie „Besser geht’s nicht“ (1997) geboten, in der Jack Nicholson den „unmöglichen“ Griesgram gegeben hatte.
Doch sehr bald zweigt die Romanverfilmung (als Vorlage diente „Ein Mann namens Ove“ des schwedischen Autors Fredrick Backman) in eine andere Richtung ab. Es wird deutlich, dass hinter Ottos Unfreundlichkeiten eine schwere depressive Verstimmung steckt.
Sorgfältig bereitet der einsame Rentner – wiederholt – seinen Suizid vor, aber glückliche Zufälle verhindern jedesmal, dass Otto mit seinen Versuchen Erfolg hat.
Wie von höherer Hand gesteuert, stellt ihn das Leben vor immer neue Aufgaben: Er beaufsichtigt Luna und Abbie, die beiden Töchter der Familie Mendes, gibt Marisol Fahrstunden, bietet einer bedürftigen Straßenkatze ein neues Zuhause und kümmert sich schließlich auch um den jungen Zeitungsjungen Malcolm (Mack Bayda), den sein Vater auf Grund seiner Transsexualität verstoßen hat.
In Malcolm hat Otto einen Schüler seiner verstorbenen Frau Sonya (Rachel Keller) erkannt. Deren Tod hatte er nie verkraften können.
Sonya war die Liebe seines Lebens gewesen. Der junge Otto (gespielt von Truman Hanks, Tom Hanks Sohn) hatte sie durch einen Zufall auf einem Bahnhof kennen gelernt und mit ihr eine erfüllte, glückliche Beziehung geführt – bis ein Unfall alles veränderte.
Nach dem Tod seiner Frau hatte Otto keinen Sinn im Leben mehr gefunden, und erst dadurch war er zu dem missmutigen Sonderling mutiert. –
Zart, aber doch auffallend deutet Marc Foster in seiner Tragikomödie auch Ottos Nachtodkontakte an, dessen unbestimmtes Gefühl, dass Sonya immer noch präsent ist, sein Leben begleitet.
Schließlich findet Otto tatsächlich einen Weg aus dem Tal der Depression. Er gibt seine Suizid-Pläne auf und widmet sich engagiert den Aufgaben, die ihm das Leben stellt. So setzt er sich erfolgreich für zwei Nachbarn ein, die von einer Immobilienfirma aus ihrem Haus geekelt werden sollen. Und für das Ehepaar Mendes und deren Kinder gehört er sowieso längst zur Familie.
Dabei ist ihm bewusst, dass er nicht mehr lange zu leben haben wird. Eine unbehandelbare Herzkrankheit, über die er nicht viel spricht. Aber er weiß jetzt, wie er seinen Nachlass regeln wird …
„Ein Mann namens Otto“ ist ein empfindungsvoller, sehenswerter Film – ohne große Überraschungen, aber im Sinn der literarischen Vorlage sauber inszeniert, und auch wegen der schauspielerischen Leistungen ein Genuss.
Regisseur Marc Forster („James Bond: Ein Quantum Trost“) und sein Hauptdarsteller Tom Hanks lassen die Geschichte nie ins Klischeehafte kippen, und sie haben hochkarätige Kreative an ihrer Seite: David Magee („Life of Pi“, „Wenn Träume fliegen lernen“) formte aus der Romanvorlage ein rundes Drehbuch, Thomas Newman, einer der bedeutendsten Filmmusikkomponisten unserer Tage, sorgte für den Soundtrack.
Schön, dass sich solche Größen der Filmkunst (für die Produktion sorgten unter anderen Tom Hanks und seine Frau Rita Wilson) immer wieder auch unspektakulären, gut erzählten Geschichten widmen, die von Sympathieträgern und charakterlichen Entwicklungen „leben“. Gerne mehr davon!
(2022, 127 Minuten)