29. April 2024

Wenn der Gott des Meeres zürnt

Idomeneo, König von Kreta

Oper in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart

Libretto: Giambattista Varesco (1735–1805)
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Uraufführung: 29. Januar 1781, München (Residenztheater)
Dauer: ca. 3 Stunden

1. Akt: Galerie im Königspalast; Meeresufer
2. Akt: Königliche Gemächer; Der Hafen von Kydonia
3. Akt: Königlicher Garten; Platz vor dem Palast; Umgebung des Neptuntempels

Hauptpersonen:
Idomeneo,
König von Kreta: Tenor
Idamante, Idomeneos Sohn: Sopran
Ilia, Prinzessin von Troja (Tochter des Priamos): Sopran
Elektra, Tochter des Königs von Argos (Agamemnon): Sopran
Arbace, Vertrauter Idomeneos: Tenor
Oberprieser des Neptun: Tenor
Stimme: Bass

Kurze Werkeinführung

„Idomeneo“ gilt als Mozarts Choroper. Die Tragödie erzählt vom kretischen König Idomeneo, der sich nach seiner Rückkehr vom Trojanischen Krieg dazu veranlasst sieht, seinen Sohn Idamante zu opfern, um Neptun, den Gott des Wassers, zu besänftigen.

Die „Opera seria“ (ernste italienische Oper) wurde am 29. Januar 1781 im Münchener Residenztheater erfolgreich uraufgeführt und danach an zahlreichen deutschen Theatern gespielt, geriet dann aber etwas in Vergessenheit und wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein meist nur in veränderten oder gekürzten Fassungen gezeigt.

Heute zählt sie zu den Meisterwerken Mozarts, doch im Vergleich zu anderen Opern des Komponisten wird „Idomeneo“ eher selten aufgeführt.

Die Handlung

Kurz und gut …
Der Wille einer gewaltigen Naturgottheit ist nicht immer leicht zu deuten. Idomeneo glaubt, seinen eigenen Sohn opfern zu müssen, um Neptun zu besänftigen. Dabei will der Gott des Meeres mit seinen Stürmen etwas ganz anderes erreichen – behauptet er am Ende jedenfalls mit tiefer Donnerstimme.


1. Akt: Galerie im Königspalast

Ilia, die Prinzessin von Troja, hadert in ihren Gemächern im kretischen Königspalast mit ihrem Schicksal. Im Krieg hat sie ihre Liebsten verloren, sie seht sich nach ihrer Heimat, und gleichzeitig verurteilt sie sich selbst, weil ihr „Herz Sklave wurde“. Sie hat sich in Idamante verliebt. Der Sohn Idomeneos, ihres Kriegsfeindes, hatte sie auf See in einem schrecklichen Sturm vor dem Ertrinken gerettet. Und noch dazu ist Idamante Elektra versprochen, der Tochter Agamemnons – einer Frau, die Ilia als „verirrt“ und „bösartig“ betrachtet.

Jetzt aber beauftragt Idamante sein Gefolge mit der Vorbereitung einer Feier. Sein Vater, König Idomeneo, war der Heimat wegen des Trojanischen Krieg zehn Jahre lang fern gewesen. Nun kehrt er mit seinen Schiffen endlich zurück. Ein Freudentag! 

Aus diesem Anlass will Idamante den gefangenen Trojanern ihre Freiheit schenken. Und er gesteht Ilia, der er das Leben gerettet hatte, seine Liebe. Doch die Prinzession von Troja vermeidet es zuzugeben, dass sie gleich empfindet. Die Schrecken des Krieges sind ihr noch allzu gegenwärtig: „Bedenke doch, o Himmel, Idamante, wer dein Vater ist und wer der meine war.“

Dann werden in einem feierlichen Akt die Ketten der Trojaner gelöst.

Elektra, die Tochter des Königs von Argos, ist mit der Freilassung der Gefangenen nicht einverstanden, denn sie steht auf Seiten der Kreter. Als in Argos, ihrer Heimat, während der Abwesenheit ihres Vaters ein anderer die Herrschaft an sich gerissen hatte, war sie nach Kreta geflohen. Nun lebt sie in Idomeneos Palast – mit der Aussicht, hier an der Seite seines Sohnes herrschen zu können.

Dass der Prinz sein Herz nun offenbar an Ilia verloren hat, dass er eine Trojanerin liebt, erregt Elektras Zorn. Sie verurteilt Idamantes Großzügigkeit gegenüber den Gefangenen. Den Feind zu schützen sei „eine Beleidigung ganz Griechenlands“. 

Da nähert sich Arbace, ein Vertrauter Idamantes, und überbringt mit Tränen in den Augen eine Schreckensnachricht: König Idomeneo, dessen Ankunft man schon erwartet hatte, sei in Seenot geraten und ertrunken. 

Verzweifelt eilt Idamante zum Strand. Ilia empfindet tiefes Mitleid, Elektra hingegen sieht ihre Position durch den Tod des Königs geschwächt. Idamante könne nun ganz „nach seiner Neigung über ein Reich bestimmen“. Sie aber müsse zusehen, „wie eine trojanische Sklavin mit ihm Thron

und Brautbett teilt“. Sie ist entschlossen, sich an den beiden zu rächen („Tutte nel cor vi sento“):

Die mir dieses Herz raubte,
er, der das meine verriet,
sie sollen Rache und Grausamkeit
meines Zornes spüren.

Meeresufer

Die in Seenot geratenen kretischen Truppen haben Neptun, den Gott des Wassers, um Milde gebeten. Um ihn zu besänftigen, hat König Idomeneo einen Schwur geleistet. Er werde ihm den ersten Menschen, den er am Strand treffe, zum Opfer geben. 

Neptun scheint seine Kräfte tatsächlich zurück zu ziehen; die Stürme legen sich, Idomeneo und die Heimkehrer sind gerettet. Aber den König plagt das schlechte Gewissen. Wem würde er auf Grund seines Schwures jetzt das Leben nehmen müssen?

Kaum an Land, bemerkt er auch schon, wie sich ihm ein Mann nähert – und bald erkennt er entsetzt seinen eigenen Sohn. 

Überrascht und glücklich begrüßt Idamante seinen Vater. Wie schön, dass die Nachricht von dessen Tod doch verfrüht gewesen war! 

Idomeneo aber erwidert die Freude seines Sohnes nicht. Er wendet sich von ihm ab und verbietet ihm, nach ihm zu suchen: „Hüte dich, mich wiederzusehen“.

Idamante bleibt verständnislos und verzweifelt zurück:

Den geliebten Vater
finde und verliere ich im selben Augenblick.
Er flieht mich im Zorn,
bebend vor Entsetzen.
Ich glaubte zu sterben
vor Freude und Liebe;
jetzt, ihr unmenschlichen Götter,
tötet mich der Schmerz.

Indes erklingen rundum Lobeschöre. Die heimgekehrten Krieger besingen Neptun, lassen die Trompeten erschallen und sind bereit, „feierliche Opfer“ für ihre Errettung darzubringen. 

2. Akt: Königliche Gemächer

In den königlichen Gemächern seines Palastes in Kreta berichtet Idomeneo Arbace, seinem Vertrauten, von dem Schwur, den er Neptun geleistet hatte, und dass er am Meeresufer ausgerechnet seinem Sohn begegnet sei.

Arbace, den diese Nachricht entsetzt, schlägt als Lösung schließlich vor, dass Idamante Kreta verlassen müsse. Dann werde Neptun wohl auch auf andere Weise zu beschwichtigen sein.

Idomeneo gefällt der Vorschlag, und er verbindet ihn mit einem Auftrag: Sein Sohn soll Elektra nach Argos begleiten. Idamante könne ihr helfen, den verlorenen Thron wieder für sich zu gewinnen.

Nach einem freundschaftlichen Gespräch mit Ilia, die ihm herzlich für die gute Behandlung dankt und in ihm einen neuen Vater sehen will („Se il padre perdei“), erkennt Idomeneo, was er bisher nicht wusste: Dass sein Sohn und die Prinzessin von Troja einander lieben. Er vermutet nun, dass eben diese Liebe Neptuns Zorn ausgelöst haben könnte („Fuor del mar“).

Elektra ist indes entzückt darüber, dass Idamante sie auf ihrer Reise in die Heimat begleiten soll. Sie glaubt, diese günstige Gelegenheit, ihm nahe zu sein, für sich nutzen zu können. Elektras „liebendes Herz“ werde Idamantes Zuneigung zu Ilia aus dessen „Brust vertreiben“:

Das Feuer, das dir nahe ist,
wird das ferne Feuer aus deiner Brust vertreiben,
mehr vermag die Hand Amors,
wenn das liebende Herz dir nahe ist.

Bald werden Elektra und Idamante zu ihrem Schiff geleitet. Idomeneos Sohn reist nicht gerne ab, will sich jedoch dem Wunsch seines Vaters fügen.

Aber während sich die beiden mit Idomeneo und seinem Gefolge dem Schiff nähern, beginnt plötzlich, wie aus dem Nichts, ein schwerer Sturm zu toben. Das Meer schwillt an, Blitze setzen das Schiff in Brand, und ein schreckliches Ungeheuer scheint sich aus den Wellen zu erheben. Kein Zweifel: Neptun zürnt!

Idomeneo glaubt, dass der Gott des Meeres es auf seinen Sohn abgesehen hat, den er ihm ja hätte opfern sollen. Und während die entsetzten Kreter fliehen („Corriamo, fuggiamo“), bietet sich der König dem zürnenden Gott selbst als Opfer an.

3. Akt: Königlicher Garten

Im königlichen Garten seht Ilia sich nach Idamante. Sie will ihm ihre Liebe gestehen, doch als die beiden einander treffen, steht ein Abschied an: Idamante ist entschlossen, in den Kampf gegen das Ungeheuer zu ziehen, das Kreta bedroht. Er müsse das tun, aber Ilia solle wissen, dass er sie von ganzem Herzen liebe.

Die Prinzessin von Troja erwidert Idamantes Liebe („Ich stehe dir treu zur Seite“), aber als die beiden einander umarmen, werden sie von Idomeneo und Elektra überrascht. 

Der König zeigt Verständnis für seinen Sohn und bedauert, ihm mit einem „Herz aus Eis“ begegnet zu sein. Elektra indes hofft, dass sich die Lage doch noch zu ihren Gunsten entwickeln werde. Und alle bedauern gemeinsam ihr schweres Schicksal:

Mehr kann man nicht ertragen.
Schlimmer als der Tod ist
so großer Schmerz.
Ein grausameres Schicksal,
eine schwerere Qual
hat niemand erlitten!

Arbace berichtet Ideomeneo, dass das Volk den König sehen wolle. Vor dem Palast sei „eine gewaltige Volksmenge zusammengelaufen“. Neptuns Oberpriester führe sie an. 

Idomeneo will die von den Stürmen und dem Wüten des Ungeheuers verunsicherten Menschen anhören. Arbace fürchtet indes bereits den Untergang Kretas …

Platz vor dem Palast
Auf dem Platz vor dem Königspalast schildert der Oberpriester, wie schrecklich das Ungeheuer gewütet hat. Ganz offensichtlich verlange Neptun ein Opfer. Der König wisse, was zu tun sei, und solle nun endlich handeln:

Von dir allein hängt es ab,
den Ausweg zu finden, du kannst den Rest deines Volkes
dem Tode entreißen; es schreit auf in Entsetzen
und fleht dich um Hilfe an, und du zögerst noch? …
Zum Tempel, König, zum Tempel!
Wer ist das Opfer, und wo ist es? …
Gib Neptun, was sein ist!

Idomeneo gibt dem Drängen des Oberpriesters schließlich nach und nennt dem Volk den Namen des Opfers. Es sei Idamente – und das Volk werde nun sehen, „wie der Vater den eigenen Sohn tötet“.

Entsetzen macht sich breit. Die Kreter beklagen das „furchtbare Gelübde“ Idomeneos, und der Oberpriester bittet darum, dass Idamante nicht „der Hand des liebenden Vaters“ zum Opfer fallen möge („Oh voto tremendo!“).

Umgebung des Neptuntempels

Schon wird im Neptuntempel die Opferzeremonie vorbereitet, als Arbace herbeieilt und berichtet, dass Idamante im Kampf gegen das Ungeheuer siegreich gewesen sei. 

Der Held Idamantes,
suchte verzweifelt den Tod
und fand den Sieg. Wütend stürzte er sich
auf das verruchte Ungeheuer, überwand und tötete es.
Endlich sind wir gerettet!

Idomeneo aber kann Arbaces Freude nicht teilen. Er befürchtet, dass die Heldentat seines Sohnes Neptuns Zorn erst recht befeuert haben könnte.

Idamante wird, umgeben von Wachen und Priestern, in den Tempel geführt. Er kennt die Lage seines Vaters, weiß von dessen Schwur und ist bereit zu sterben. Er bittet Idomeneo darum, im Sinne des Friedens zu tun, was getan werden muss und sich nach seinem Tod wie ein Vater um Ilia zu kümmern.

Idomeneo ist zutiefst verunsichert. Er spürt die Liebe seines Sohnes, wie Idamante auch die seine fühlt. 

Schließlich ringt der König sich dazu durch, die Axt gegen Idamante zu erheben – doch im letzten Moment wird er von Ilia daran gehindert, den tödlichen Hieb auszuführen. 

Entschlossen erklärt die Prinzessin von Troja, dass sie selbst es sei, die zu sterben habe. Neptuns Wille sei falsch gedeutet worden. Er wolle keine Kreter als Opfer, sondern Griechenland von seinen Feinden befreien. Und zu diesen gehöre auch sie. 

Doch als Ilia vor dem Priester kniet, um sich anstelle ihres Geliebten zu opfern, ertönt plötzlich „großer unterirdischer Lärm“. Neptuns Statue scheint sich zu bewegen, eine Stimme ertönt und verkündet, auf welche Weise der Zorn des Meeresgottes tatsächlich zu besänftigen sei: Nicht durch Ilias Tod, sondern dadurch, dass sie an der Seite Idamantes zur Königin von Kreta werde. Idomeneo solle seine Krone dem Sohn übergeben.

Idomeneo folgt diesem Befehl ohne zu zögern, und unter dem Jubel des Volkes wird Idamante gekrönt. Alle feiern die Liebe des jungen Königspaares. („Scenda Amor, scenda Imeneo“)

Hinweise:
Alle Zitate aus dem Libretto
Foto: „Idomeneo“ in einer Aufführung der Metropolitan Opera, New York, 2017