Clint Eastwoods engagierter Antikriegs-Film „Letters From Iwo Jima“
• Im Jahr 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, kostete die Schlacht um die Insel Iwojima etwa 25.000 Menschen das Leben. Innerhalb weniger Wochen fielen im Kampf um die im Pazifik-Krieg zwischen Japan und den USA strategisch wichtige Insel 18.000 Japaner und 7.000 Amerikaner.
In den Vereinigten Staaten von Amerika gilt diese Schlacht als eine der wichtigsten – und verlustreichsten – ihrer Geschichte. Ein Foto, das amerikanische Soldaten zeigt, die auf dem Suribachi, einem Berg der Insel, ihre Flagge hissen (das Bild ging unter dem Titel „Raising the Flag on Iwo Jima“ um die Welt), wurde zu einem der bekanntesten Kriegsfotos überhaupt. Es suggerierte den US-Amerikanern den „glorreichen“ Kampf ihrer Helden gegen die Japaner und motivierte sie dazu, mehr Geld zur Finanzierung des teuren Kriegseinsatzes locker zu machen.
Dass das Foto unter seltsamen Umständen entstand – zu einem Zeitpunkt, als ein Sieg längst noch nicht errungen war, und unter Verwendung einer Ersatzflagge, weil sich davor ein kriegsbegeisterter US-Politiker das Original als Souvenir hatte einpacken lassen – war der Öffentlichkeit damals nicht bekannt.
Die Geschichte rund um dieses Foto nahm Clint Eastwood zum Anlass für seinen Spielfilm „Flags of Our Fathers“ (2006). Er produzierte diesen Streifen nicht nur (gemeinsam mit Steven Spielberg), sondern führte auch Regie und komponierte die Musik. Doch die Erwartungen, Eastwood – als Schauspieler selbst eine Ikone für den amerikanischen Helden –, würde mit seinem Film kritiklos den Sieg des Marine Corps auf Iwojima würdigen, wurden enttäuscht.
Nicht nur, dass er in seinem Film die skurrilen Auswüchse der bisweilen irritierenden Begeisterung für die US-amerikanische Flagge und vor allem das durch den Krieg verursachte Leid thematisierte, fasste Eastwood noch während der Dreharbeiten zu „Flags of Our Fathers“ den Entschluss, den Kampf um die Insel auch aus japanischer Sicht zu zeigen. Ein weiterer Film entstand – und so kam noch im gleichen Jahr der Streifen „Letters from Iwo Jima“ – Briefe aus Iwojima – in die Kinos.
Eindrucksvoller noch als „Flags of Our Fathers“ vermittelt dieser Film den unmenschlichen Horror, den ein Krieg – jeder Krieg – mit sich bringt.
Die Briefe aus Iwojima, die Eastwoods sehenswertem Film seinen Titel gaben, hatten japanische Soldaten an ihre Familien geschrieben – in einer zunehmend aussichtslosen Situation, schon den nahen Tod vor Augen. Sie konnten nicht mehr abgeschickt werden, und zuletzt, als der Sieg der technisch überlegenen amerikanischen Truppen nicht mehr zu verhindern war, fasst Saigo (Kazunari Ninomiya), ein japanischer Gefreiter, den Entschluss, sie zu vergraben. Er missachtet damit einen letzten Befehl seines Generalleutnants, Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe), der ihm befohlen hatte, die Briefe gemeinsam mit den verbliebenen Unterlagen zu verbrennen.
„Letters from Iwo Jima“ beginnt und endet in der Gegenwart: Japanische Wissenschaftler bergen im Höhlensystem der Insel, das dem Land zur Verteidigung gedient hatte, die Tasche mit den Briefen der Soldaten. Dazwischen tobt eine grauenhafte Schlacht. Und doch sind die Menschen, die hier als Feinde aufeinander treffen, in Wirklichkeit von ähnlichen Pflicht- und Ehrgefühlen motiviert. Sie begegnen einander mit ähnlichen Vorurteilen und leiden unter den gleichen Ängsten.
Es gibt vermutlich keinen besseren Weg, den Irrsinn des Krieges zu verdeutlichen, als einfach menschliche Schicksale auf beiden Seiten zu zeigen. Und so lässt Clint Eastwood „Flags of Our Fathers“ mit den folgenden Worten beginnen, die wohl als Leitmotiv für beide Streifen gelten:
„Viele Trottel glauben, sie wüssten, was Krieg ist. Besonders die, die nie in einem waren. Wir mögen die Dinge gern nett und einfach: gut und böse, Helden und Schweinehunde. Und es gibt immer viele von beidem. Meist sind sie aber nicht so, wie wir glauben …“
(2006, 141 Minuten)