Simon Curtis’ Historienfilm „Downton Abbey – Eine neue Ära“ •
1928. Robert Crawley, der Earl of Grantham (Hugh Bonneville), erfährt, dass Violet, seine Mutter (Maggie Smith), eine Villa an der Riviera geerbt hat. Die überraschende Nachricht aus Frankreich enthält auch eine Einladung: Die Crawleys sollen das Haus besichtigen.
Nach einigen Überlegungen entschließen sich Robert und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern), die Einladung anzunehmen. Denn einerseits möchten sie mehr über den verstorbenen Marquis de Montmirail und seine Beweggründe erfahren, Violet diese herrlich gelegene Villa zu schenken, und andererseits stehen zu Hause allzu bewegte Tage bevor, denen man nur zu gern mit einer Reise entflieht.
Im Anwesen der gräflichen Familien, Downton Abbey, sollen nämlich Dreharbeiten für einen Stummfilm stattfinden, in dessen Mittelpunkt Myrna Dagleish (Laura Haddock) und Guy Dexter (Dominic West) stehen, zwei absolute Superstars. Die Crawleys haben ihren Familiensitz dem absehbaren Wirbel nur deshalb geöffnet, weil die Erhaltung des Anwesens mehr Geld kostet als sie aufbringen können.
Und so wird es an zwei Schauplätzen spannend:
In Frankreich erfährt Robert Crawley vom Sohn des verstorbenen Marquis, dass dieser seiner Mutter in Liebe verbunden gewesen war. Und noch mehr: Nachdem Robert genau neun Monate nach Violets Aufenthalt in Frankreich geboren wurde, steht der Verdacht im Raum, dass er in Wirklichkeit das uneheliche Kind des Marquis sein könnte – und seinen Adelstitel damit zu Unrecht trägt.
Eine andere Katastrophe bahnt sich indes in Downton Abbey an: Das Filmstudio lässt die Arbeiten an dem neuen Stummfilm überraschend abbrechen, denn die Kinos folgen einer rasanten Revolution: Das Publikum ist von den neuen Tonfilmen derart begeistert, dass das Interesse an Stummfilmen praktisch über Nacht zum Erliegen gekommen ist.
Der Regisseur versucht das Projekt zu retten, indem er die bereits gedrehten Szenen nachvertonen lässt. Dabei zeigt sich aber, dass sein Superstar Myrna zwar optisch großartig wirkt, aber akustisch schnell an Grenzen stößt: Ihre Stimme und ihre Art zu sprechen sind unzumutbar …
Wie schon die vielfach ausgezeichnete Fernsehserie „Downton Abbey“ – sie erhielt 2011 einen Eintrag ins „Guiness Buch der Rekorde“ als die „von Kritikern am besten bewertete Fernsehserie“ – besticht auch der darauf basierende Historienfilm „Eine neue Ära“ durch beeindruckende Detailgenauigkeit: Kostüme, Ausstattung, Dialoge, das großartige Schauspieler-Ensemble und die perfekt komponierten Aufnahmen lassen unter der Regie von Simon Curtis die Welt vor 100 Jahren noch einmal gegenwärtig werden – am fiktiven Beispiel von englischem Adel in der Grafschaft Yorkshire und seiner Dienerschaft, aber vor dem Hintergrund tatsächlicher historischer Entwicklungen.
Die treibende Kraft der „Downton-Abbey“-Saga ist Drehbuchautor Julian Fellowes, genauer: Julian Alexander Kitchener-Fellowes, „Baron Fellowes of West Stafford“. Als Angehöriger der britischen Aristokratie, der sich zugleich – unter dem Pseudonym Rebecca Greville – im Schreiben von Historienromanzen übte, ehe er sich als Filmschauspieler und Drehbuchautor etablierte, hat sich Fellowes als Downton-Abbey-Erfolgsgarant bewährt – in den sechs Staffeln der Fernsehserie (mit insgesamt 52 Episoden) ebenso wie in den darauf folgenden Spielfilmen.
Seine Charaktere und Handlungsstränge berühren das Gemüt, gleiten aber nicht in den Kitsch ab; sie kommen ohne extreme Konflikte miteinander aus und sorgen dennoch für Spannung; sie verführen – vor allem durch exzellente Dialoge – durchweg zum Schmunzeln und fokussieren zugleich gesellschaftliche Tabus (der damaligen Zeit): Homosexualität, uneheliche Kinder, selbstbewusste Frauen, die sich von den ihnen zugeschriebenen Rollen emanzipieren …
Insofern nimmt „Downton Abbey“, was die Dramaturgie und die Anmutung anlangt, eine herausragende Sonderstellung ein. Dazu trägt nicht zuletzt auch der stimmungsvolle Soundtrack von John Lunn bei.
„Die neue Ära“ hat Kritiker ebenso überzeugt wie das Publikum.
Vordergründig mag „Downton Abbey“ als harmlose, auf kommerziellen Erfolg getrimmte Wohlfühl-Saga erscheinen. Aber nur, weil Filmkunst vom Feinsten dahinter steht.
(2022, 125 Minuten)

