Roman Polanskis herausragendes Filmdrama „Der Pianist“
• Warschau, 3. September 1939. Władysław Szpilman (Adrien Brody) stammt aus einer polnisch-jüdischen Familie und hat als herausragender Pianist Karriere gemacht. Doch an diesem Tag werden seine Aufnahmen in einem Tonstudio durch den Krieg unterbrochen: Die deutsche Luftwaffe bombardiert Warschau, verzweifelt suchen die Menschen Schutz. Und der Bombenhagel ist nur der Auftakt für die kommenden Schrecken.
Nach Jahren zunehmend demütigender Schikanen durch die deutschen Besatzungsmacht – öffentliche Brandmarkung aller Juden, gezielte Enteignungen, willkürliche Erschießungen – wird die im Warschauer Ghetto dahinvegetierende und längst nur noch ums nackte Überleben kämpfende jüdische Bevölkerung ins Konzentrationslager Treblinka abtransportiert – und dort ermordet. Auch Szpilmans Familie. Władysław Vater, seine Mutter, seine Geschwister … all die Menschen, für die der Pianist sich so lange eingesetzt hatte, werden eines Tages brutal in Viehwaggons verfrachtet und, auch wenn ihnen das selbst noch nicht bewusst ist, der von den Nazis beschlossenen „Endlösung“ zugeführt.
Er selbst entgeht dem Abtransport nur durch Glück. Ein alter Bekannter, jetzt Mitglied des von den Deutschen eingesetzten „jüdischen Ordnungsdienstes“, hilft ihm und sorgt dafür, dass Władysław Szpilman als Zwangsarbeiter weiterhin in Warschau tätig sein kann. Er wird in die Vorbereitungen für den Ghetto-Aufstand verwickelt, mit dem die Juden am 19. April 1943 die Deutschen überraschen (und mit dem sie sich wenigstens ein würdevolles Sterben erkämpfen), erlebt das Scheitern des Widerstandes, und mit Hilfe von Bekannten, die ihn als Mensch und Künstler schätzen, gelingt es ihm, sich zu verstecken – bis Warschau letztlich völlig zerstört ist.
Władysław Szpilman durchstöbert die Ruinen auf der Suche nach Lebensmittel-Resten und verbirgt sich schließlich auf dem Dachboden eines relativ gut erhaltenen Hauses, in dem auch ein Flügel unbeschädigt geblieben ist. Doch er wird entdeckt. Der deutsche Offizier Wilm Hosenfeld (Thomas Kretschmann) stellt ihn zur Rede, und Szpilman gibt „Pianist“ als seinen Beruf an.
Als Hosenfeld ihn anweist, ihm auf dem Flügel etwas vorzuspielen, wählt Szpilman die Ballade Nr. 1 des polnischen Komponisten Frédéric Chopin – sie steht für das Freiheitsstreben der Polen. Hosenfeld ist sichtlich bewegt, verrät das Versteck des Pianisten nicht und versorgt Szpilman fortan mit Lebensmitteln – bis Ende 1944 die Rote Armee in Warschau einmarschiert und Warschau befreit …
„Der Pianist“ zählt zu den großen Meisterwerken des polnisch-französischen Regisseurs Roman Polanski. Zu den zahlreichen Auszeichnungen gehören mehrere „Oscars“ (Beste Regie, bester Hauptdarsteller, bestes adaptiertes Drehbuch), die „Goldene Palme“ (Cannes, 2002), sieben „Césars“ (darunter „Bester Film das Jahres“, „Bester Hauptdarsteller“, „Bester Regisseur“) und viele andere.
Das Drama geht auf die 1946 veröffentlichte Autobiografie „Der Pianist – mein wunderbares Überleben“ (Originaltitel: „Śmierć miasta“) zurück, mit der Władysław Szpilman (1911–2000) die dramatischen Ereignisse in Warschau während des Zweiten Weltkriegs beschrieb. Polanski begann mit den Dreharbeiten nur wenige Monate nach dem Tod des Autors.
Spätere Geschichtsforschungen haben gezeigt, dass der deutsche Wehrmachtsoffizier Wilm Hosenfeld (1895–1952) nicht nur Szpilman, sondern mindestens 30 anderen polnischen Bürgern, darunter mehren Juden, das Leben gerettet hat. Im Januar 1945 geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft; 1950 wurde er – ohne dass ihm ein Vergehen nachgewiesen werden konnte – zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Am 13. August 1952 verstarb Hosenfeld, halbseitig gelähmt, im Gefangenenlager Stalingrad, vermutlich an den Folgen von schweren Misshandlungen.
Władysław Szpilman besuchte 1957 die Witwe Hosenfeld und berichtete ihr, dass ihr Mann ihm während des Krieges in Warschau das Leben gerettet hatte.
Postum erfuhr Hosenfeld mehrere Ehrungen. So wurde er 2007 durch den polnischen Präsidenten mit dem Orden „Polonia Restituta“ für die Rettung polnischer Bürger ausgezeichnet. In der hessischen Gemeinde Bibergmünd wurde 2008 ein Platz nach ihm benannt.
Zu Roman Polanskis Spielfilm schrieb der deutsch-polnische Autor und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920–2013): „Was ich nie zu hoffen wagte, das ist Roman Polanski hier gelungen – Sein Film ‚Der Pianist‘ ist eine fast unfassbar authentische Wiedergabe unseres Alltags im Warschauer Ghetto.“
„Der Pianist“ gehört zweifellos zu den bewegenden großen Meisterwerken, die der Aufarbeitung geschichtlicher Ereignisse dienen und die jeder kennen sollte, für den Filmkunst mehr als nur Unterhaltung ist.
(2002, 150 Minuten)