Jonathan Teplitzkys historisches Filmdrama „The Railway Man – Die Liebe seines Lebens“
• Eric Lomax (Jeremy Irvine) ist Eisenbahnliebhaber und britischer Offizier. Gemeinsam mit anderen Soldaten wird er während des Zweiten Weltkriegs von den Japanern gefangen genommen, unter brutalsten Bedingungen in ein Lager verbracht und dann zur Arbeit an der Thailand-Burma-Eisenbahnlinie gezwungen. Die Gefangenen werden wie Tiere behandelt, viele sterben qualvoll, keiner von ihnen weiß, was draußen in der Welt passiert, niemand kann ahnen, ob es noch Hoffnung gibt.
Da gelingt es Lomax, einen einfachen Funkempfänger zu bauen. Die Nachrichten der BBC geben den geschundenen britischen Soldaten neue Kraft und Zuversicht. Doch die Japaner entdecken die Konstruktion, Lomax muss vortreten, wird zunächst so brutal verprügelt, dass er fast nicht überlebt, und dann von den Kempeitai verschleppt. Die japanische Militärpolizei vermutet, Lomax sei ein Spion und sein Gerät diene der Nachrichtenübermittlung an den Feind.
Darüber, was in den folgenden Wochen geschieht, wird Eric Lomax nie sprechen.
Unter anderem pressen ihm die Folterknechte mit einem Schlauch Wasser in den Körper, bis er zu ertrinken droht. Immer und immer wieder werden auf diese Weise Todeskämpfe provoziert. Einer der Soldaten, dessen Gesicht Lomax nie vergessen wird, ist Takashi Nagase (Tanrō Ishida). Er verhört ihn auf Englisch – und seine Sprachkenntnisse, seine Dienste als Übersetzer werden ihn später, nach dem verlorenen Krieg, davor bewahren, von den Briten als Verbrecher verurteilt zu werden.
Diese dramatische Vorgeschichte mutet Regisseur Jonathan Teplitzky seinen Zuschauern aber nur häppchenweise, in Form von Rückblenden zu.
„The Railway Man“ setzt Jahrzehnte später ein, 1980. Während einer Zugfahrt lernt Eric Lomax (Colin Firth), inzwischen ein älterer Mann, die sympathische Patti (Nicole Kidman) kennen. Sie wird „die Liebe seines Lebens“ (so der deutsche Filmtitel), die beiden heiraten schon kurz nach ihrer Begegnung.
Doch bald danach droht das Eheglück zu scheitern. Denn immer noch wird Eric von Albträumen geplagt, immer noch ist die Folter präsent, das Gesicht seines Peinigers, immer noch nagen jene Ereignisse an ihm, über die er noch nie gesprochen hat und jetzt auch mit seiner geliebten Frau nicht sprechen will.
Patti sucht Hilfe bei Finlay (Stellan Skarsgård), einem Veteranen und Freund ihres Mannes, der die brutalen Ereignisse beim Bau der Eisenbahn allerdings selbst nie verkraftet hat. Finlay hat bei seinen Recherchen herausgefunden, dass Takashi Nagase, der einstige Folterknecht, inzwischen als Fremdenführer tätig ist. Er führt geschichtsinteressierten Touristen in seinem Museum genau jene Lokalitäten vor, in denen Eric und so viele andere gebrochen worden waren.
Finlay will Patti helfen, ihre Ehe retten. Längst ist er davon überzeugt, dass der schon Jahrzehnte währende Albtraum aus stummem Schmerz und hilflosem Ausgeliefertseins nur dort enden kann, wo er begonnen hat. Dem, der nie gerichtet worden ist, muss endlich durch Eric Gerechtigkeit widerfahren. Finlay drängt seinen Freund, nach Thailand zu reisen und Takashi zu stellen. Er selbst sei am Ende und nicht mehr in der Lage dazu.
Kurz danach wird Finlays Körper an einer Eisenbahnbrücke baumelnd gefunden. Er hat sich erhängt … und Eric damit den letzten Anstoß gegeben, sich aufzumachen.
Entschlossen, ihn zu töten, stellt Eric Lomax Takashi Nagase (Hiroyuki Sanada) zur Rede – eben dort, wo er einst verhört worden war.
Und doch es ist keine von blindem Hass getriebene Begegnung. Eric will an diesem Punkt seines Lebens nicht nur endlich physisch jene Rache üben, die er in Gedanken längst und immer wieder vollzogen hat. Er will seinen Peiniger als Mensch begreifen. Dessen Motivationen ergründen. Die Lügen entlarven, die Takashi Nagase beim Vergessen und Verdrängen geholfen haben.
Frage um Frage, Schritt für Schritt dringt Eric in die Seelenwelt seines Gegenübers ein. Aber dort versteckt sich kein sadistisches Monster, kein notorischen Verleugner, auch kein dumpfer, herzloser Befehlsempfänger. Hinter der Fassade des Fremdenführers steckt ein gebrochener Mensch, kaum fähig, die Last seiner eigenen Geschichte zu tragen. Einer, der selbst belogen worden war, dessen Ideale früher alles zu rechtfertigen vermochten und sich dann doch als elend leere Spreu erwiesen hatten. Einer, der bereit ist, für seine Verbrechen einzustehen.
Eric verzichtet letztlich auf den Rachemord. Und er findet vielleicht gerade dadurch den Weg zur seelischen Erlösung für sich selbst.
„The Railway Man“ ist keine Fiktion, sondern eine wahre Geschichte. Ihren Höhepunkt findet sie in der zweiten Begegnung zwischen Takashi Nagase und Eric Lomax, nachdem dieser gemeinsam mit seiner Frau abermals nach Thailand gereist ist: Am vereinbarten Ort tritt Nagase ihm entgegen und verneigt sich wortlos. Eine Geste der Ergebenheit, ein Geständnis, eine stumme, zarte Bitte.
Und Eric verzeiht seinem Peiniger. Ganz und ohne Vorbehalte. Die Bindung zwischen den Männern löst sich in Tränen, eine Freundschaft entsteht, die bis zum Lebensende der beiden währen sollte.
Wurde die Kraft der Vergebung jemals eindrucksvoller in Szene gesetzt?
(2013; 107 Minuten)