27. April 2024

Drum prüfe, wer sich ewig bindet …

La Cenerentola (Aschenputtel)

• Eine komische Oper (opera buffa) in 2 Akten von Gioachino Rossini

Libretto: Jacopo Ferretti (1784–1852)
Musik: Gioachino Rossini (1792–1868)
Uraufführung: 25. Januar 1817, Teatro Valle, Rom
Dauer: ca. 2,5 Stunden, eine Pausen

Aufzüge:
1. Im Schloss des Barons Don Magnifico; im Schloss Don Ramiros
2. In Don Ramiros Schloss; im Schloss des Barons Don Magnifico

Hauptpersonen:
Don Ramiro,
ein junger Fürst: Tenor
Dandini, sein Kammerdiener: Bariton
Don Magnifico, Baron von Montefiascone: Bariton
Clorinda, Tochter Don Magnificos: Sopran
Tisbe, Tochter Don Magnificos: Mezzosopran
Angelina, Stieftochter Don Magnificos („Aschenputtel“): Mezzosopran
Alidoro, Philosoph und Berater Don Ramiros: Bass

Kurze Werkeinführung

„La Generentola“ – mit vollem Titel „Aschenputtel oder: Der Sieg der Sanftmut“ – gehört zu den bekanntesten Werken Gioachino Rossinis. Es entstand als Auftragswerk für das römische Teatro Valle. Rossini unterschrieb den Kompositionsvertrag nur neun Tage nach der erfolgreichen Premiere seiner Oper „Der Barbier von Sevillia“ – genau an seinem 24. Geburtstag, am 29. Februar 1816. Siebzehn Opern hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits fertig gestellt, zwei weitere schloss der geniale Schnellschreiber noch vor der „Generentola“-Premiere ab.

Als Vorlage diente dem Librettisten des Werkes, Jacopo Ferretti, das bekannte Kindermärchen vom Aschenputtel, das in „La Cenerentola“ mit folgenden Charakteren „bestückt“ ist:

Don Magnifico, der Baron von Montefiascone, steht vor dem Ruin. Die große Hoffnung des verarmten Adeligen besteht darin, die beiden heiß geliebten Töchter – Clorinda und Tisbe – möglichst gewinnbringend zu verheiraten, um dadurch dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen „Aus“ zu entgehen.

Neben den beiden wohnt noch Angelina im verfallenden Schloss des Barons – eine gutherzige Seele, die es hier aber nicht leicht hat. Seit dem Tod ihrer Mutter, die Don Magnifico als Witwe geheiratet hatte, steht sie als dessen Stieftochter im Schatten ihrer hochnäsigen Halbschwestern. Sie muss die niedrigsten Arbeiten verrichten, erträgt die regelmäßigen Demütigungen aber mit Geduld und ohne Groll. Ein richtiges Aschenputtel eben.

Nicht allzu weit entfernt vom baufälligen Anwesen des Barons liegt das Schloss des jungen, reichen Fürsten Ramiro. Dieser ist auf Brautsuche, aber: mit großer Vorsicht! Er will genau wissen, wie es um die charakterlichen Eigenschaften möglicher Heiratskandidatinnen steht. Deshalb sendet Ramiro seinen Berater Alidoro als Kundschafter aus. Er selbst reist mit Dandini, seinem Kammerdiener, hinterher, um sich die in Frage kommenden Damen näher anzusehen – allerdings mit vertauschen Rollen: Dandini spielt den Fürsten, Ramiro seinen Diener. Eine geschickte und entlarvende Strategie, wie sich im Schloss des Barons Magnifico zeigen wird …

Die Handlung

Kurz und gut …

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz tatsächlich auch zum Herzen – und nicht nur zum Vermögen findet!

1. Aufzug: Im Schloss des Barons Don Magnifico

Alltag im Schloss Don Magnificos: Während die eitlen Geschwister Clorinda und Tisbe einander in Selbstbewunderung überbieten, singt „Cenerentola“ Angelina das alte Lied von einem Königssohn, der drei Brautanwärterinnen unterschiedlichen Charakters hatte; der Prinz entscheidet sich für das gutherzige Mädchen.

Da kommt Alidoro, Fürst Ramiros Berater – als Bettler verkleidet – im Schloss an. Angelina serviert ihm sogleich Brot und Kaffee, wird deshalb aber von Clorinda und Tisbe gescholten. Zu viel unnötige Menschlichkeit – was soll das bringen?

Bald danach erscheinen Abgesandte des Fürsten mit der Einladung zu einem Ball, auf dem Don Ramiro die Würdigste im Land zu seiner Braut wählen will. Clorinda und Tisbe geraten ob dieser Aussichten in helle Verzückung. Sie überhäufen Angelina (die nach ihrer Meinung als Braut natürlich nicht in Frage kommt) mit Befehlen und eilen zu ihrem dahin dösenden Vater, um ihm die Frohbotschaft zu überbringen.

Don Magnifico träumt gerade – von einem Esel (wohl eine Traumgestalt, die ihn selbst darstellt). Aber eigentlich, meint er, könnte dieser Traum ein glückliches Omen sein: Clorinda und Tisbe als Fürstinnen, er als Ahnherr einer königlichen Nachkommenschaft („Miei rampolli femminini“)

Halb entschlummert gegen Morgen
Träumte mir von einem Esel,
Einem Esel, wohlgestaltet;
Welch ein Wunder! Er entfaltet
Plötzlich schöne bunte Schwingen,
Die ihm aus den Schultern dringen,
Flieget in die Höhe bald,
Und auf eines Kirchturms Spitze
Macht er gravitätisch Halt!
Und die Glocken klangen nieder
Von dem Turme in mein Ohr:
Da jagt Euer Schnattern wieder
Aus dem Traume mich empor.

Wahrend Don Magnifico, Clorinda und Tisbe sich für den Ball eiligst in Gala werfen, trifft Don Ramiro selbst – als Diener verkleidet – im Schloss ein. Alidoro führt seinen Herrn mit Angelina zusammen, und der ist von der schlichten Anmut dieses Mädchens sofort verzaubert („Un soave non so che“). Auch „Cenerentola“ fühlt ihrerseits unmittelbar eine tiefe Zuneigung zu dem sympathischen „Diener“, wird aber von den Kommandorufen ihrer Schwestern bald aus ihren Tagträumen gerissen. Don Ramiro erlebt den Terror, den Clorinda und Tisbe gegenüber „Cenerentola“ ausüben, hautnah mit.

Als Dandini, Don Ramiros Diener, als Fürst auftritt (wie es der geplante Rollentausch vorsieht), wird er sogleich von den Hofherren bedrängt, doch endlich zu heiraten. Er antwortet, in seiner Rolle regelrecht aufblühend, die Richtige einfach noch nicht gefunden zu haben („Come un’ape“). Aber er müsse nun bald heiraten, sonst würde sein sterbender Vater ihn enterben. Also, auf zum Brautwahl-Ball! Der Wagen steht schon bereit zur Abfahrt!

„Cenerentola“ Angelina bittet ihren Stiefvater darum, auch mit zum Ball gehen zu dürfen, wenigstens für eine einzige Stunde, eine halbe Stunde nur. Doch das kommt für den hartherzigen Baron nicht in Frage.

Alidoro nimmt Don Magnifico daraufhin ins Verhör: Ihm sei ein ein Register bekannt, demzufolge der Baron drei heiratsfähige Töchter haben müsse. Wo also ist die dritte? „Längst gestorben!“, lügt Don Magnifico – denn Angelina darf es einfach nicht geben. Längst hat er nämlich den Erbteil, den seine frühere Frau ihrer Tochter zugedacht hatte, verprasst. Es gibt nur noch die Dienerin „Cenerentola“ – und deren zaghafte Ansätze, Alidoro auf sich aufmerksam zu machen, erstickt der dem Ruin nahe Baron mit brutalen Gewalt-Androhungen.

Traurig bliebt Angelina also zurück, als alle zum Ball aufbrechen. Alle – bis auf Alidoro. Der Berater des Fürsten tröstet „Cenerentola“ und verspricht ihr eine rasche Wendung zum Guten. („Là del ciel nell’arcano prodondo“) Er werde sie mit den besten Kleidern ausstatten und zum Ball auf das fürstliche Schloss kutschieren. Als Angelina erkennt, dass es Alidoro, der ihr ursprünglich ja als Bettler begegnet war, tatsächlich ernst meint, verwandelt sich ihre Trauer in glückliches Staunen.

In Don Ramiros Schloss

Auf dem Schloss Ramiros geht die Verwechslungskomödie weiter: Clorinda und Tisbe buhlen um die Gunst des falschen Fürsten Dandini, während Don Magnifico, der sich gesellig und mit großem Stehvermögen durch den Weinkeller des Prinzen zecht, zum „Kellermeister“ ernannt wird.

Dandini kann sich der beiden Schwestern, die um seine Gunst buhlen, nur mit Mühe erwehren – und macht schließlich den Vorschlag, dass die von ihm Verschmähte doch seinen „Diener“ (den echten Prinzen) heiraten könne – was Clorinda und Tisbe freilich beide als Zumutung empört zurückweisen. Eine „plebejische“ Verbindung? Nein, danke! Dieser Mann kommt nicht für sie in Frage. (Wie wahr!)

Für Don Ramiro ist längst klar, dass keine der beiden Schwestern als Braut taugt. Wie aber passt das zur Einschätzung seines Beraters? Der weise Alidoro hatte ihm doch versichert, dass eine von Don Magnificos Töchtern die ideale Braut sei?

Da meldet Alidoro die Ankunft einer unbekannten Schönen, die sogleich die bewundernden Blicke aller auf sich zieht. Es ist Angelina, festlich gekleidet, aber mit Schleier, so dass niemand sie erkennt. Schließlich folgt sie dem Drängen und gibt den Blick auf ihr Antlitz frei.

Don Ramiro ist entzückt. Wie sehr erinnert ihn die Frau an das Mädchen, dem er bei Don Magnifico begegnet war!  Diesem, Tisbe und Clorinda hat es beim Anblick Angelinas erst recht die Sprache verschlagen. Aber sie trösten einander mit der Zuversicht, dies könne – bei aller Ähnlichkeit – doch unmöglich „Cenerentola“ sein – und ebenso wenig eine ernstzunehmende Konkurrentin …

2. Aufzug: In Don Ramiros Schloss

Don Magnifico ist davon überzeugt, dass eine seiner Töchter bald die neue Fürstin sein wird. Er ermahnt die beiden, ihn an ihrem Aufstieg teilhaben zu lassen und sieht sich schon als einflussreichen Herrscher, der Bittsteller nach Gutdünken abweisen kann, sofern sie ihn nicht für seine Vermittlertätigkeiten gut bezahlen. Wie herrlich es doch ist, in Korruption zu leben!

Don Ramiro geht indes die strahlende Schönheit, die gerade unerwartet aufgetaucht ist, nicht mehr aus dem Kopf. Er grübelt über ihre Ähnlichkeit mit dem armen Mädchen aus dem Haus Don Magnificos.

Aus einem Versteck beobachtet er, wie sich nun der immer noch als Fürst verkleidete Dandini um die Schöne bemüht, von dieser jedoch abgewiesen wird. Sie gesteht ihm, seinen (vermeintlichen) „Diener“ zu lieben.

Jetzt hält Ramiro nichts mehr. Er tritt aus seinem Versteck hervor und trägt der Unbekannten seine Hand an. Sie aber nimmt den Antrag nicht sogleich an und verrät ihm auch nicht ihre Identität. Statt dessen gibt sie Ramiro ein Armband und bittet ihn, sie zu suchen. Wenn er sie gefunden habe, sie unter ihren gewöhnlichen Lebensumständen kenne und dann immer noch zur Frau wolle, werde sie ihm gerne folgen. Er werde sie an einem zweiten Armband, das dem ersten gleiche, wieder erkennen. Mit diesen Worten verlässt eine glücklich hoffende Angelina den Ball.

Ramiro will mit der Suche nach der entschwundenen Geliebten sofort beginnen und ruft alle Hofleute und Freunde zusammen. Der Rollentausch mit Dandini wird nun natürlich rückgängig gemacht. Für Don Magnifico und seine Töchter, die sich inzwischen in die ausuferndsten Visionen eines neuen Lebensstils verstiegen haben, wird die plötzliche „Entthronung“ Dandinis zur eiskalten Dusche. („Un segreto d’importanza“)

Im Schloss des Barons Don Magnifico

Wieder daheim und in den gewohnten zerlumpten Kleidern singt „Cenerentola“ ihr altes Lied von dem Königssohn. Don Magnifico, Tisbe und Clorinda kommen wütend nach Hause. Angelinas Anblick steigert nur noch ihre unliebsamen Erinnerungen an den Ball und die unerwartete Konkurrenz, die dort plötzlich aufgetreten war. Diese Ähnlichkeit – unglaublich! Aber nein, das kann nicht sein …

Indessen ist Ramiro bereits unterwegs, um seine Geliebte zu finden. Er gerät dabei mit seinem Kutschwagen in ein Gewitter, ein Rad bricht, und er muss Zuflucht im Schloss von Don Magnifico suchen. Welch glücklicher Zufall! Ramiro und Angelina werden einander unerwartet schnell wiedersehen.

Zunächst aber wittert Don Magnifico noch die Chance, eine seiner Töchter jetzt beim richtigen Fürsten „unterzubringen“, als dieser sein Domizil betritt. Ramiro aber erkennt an „Cenerentola“ das Armband – und trifft seine Wahl. Angelinas Armut und ihr Schattendasein“ im Haus des Stiefvaters spielen für ihn keine Rolle.

Angelina aber braucht noch Zeit, um zu begreifen, dass es in Wirklichkeit der Fürst selbst ist, den sie liebt. Dann aber folgt sie ihm freudig auf sein Schloss.

Don Magnifico und seine Töchter wollen sich zunächst immer noch nicht damit abfinden, dass „Cenerentola“ die Auserwählte sein soll – bis Alidoro sie auf den Boden der Tatsachen holt. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, verdeutlicht er dem Trio: Entweder in Armut sterben – oder Ramiro und Angelina um Gnade bitten … („Dunque noi siam burlate?“)

In Don Ramiros Schloss

Im Schloss des Fürsten wird Hochzeit gefeiert. Auch Don Magnifico, Tisbe und Clorinda sind unter den Gästen, während die Hofgesellschaft den Sieg der Liebe über den Hochmut preist.

Angelina ist selig. Großmütig verzeiht sie ihrem Stiefvater und ihren Schwestern – und erweicht mit ihrer Versöhnlichkeit nicht nur die Herzen ihrer Verwandtschaft, sondern des gesamten Hofstaats.

Und alle freuen sich am Glück des jungen Paares.

Ein Engel ist erschienen,
Die Herzen hier zu rühren,
Dich kann der Thron nicht zieren,
Es zieret ihn Dein Herz!
Alles wechselt stets im Leben,
Freude folget nach dem Schmerz;
Und es fühlt mit frohem Beben
Sel’ge Wonne nun Dein Herz.

(Libretto-Übersetzung ins Deutsche: opera-guide.ch)