25. April 2024

Geheiligter Retter der Musik

Palestrina

• Musikalische Legende in drei Akten von Hans Pfitzner

Libretto: Hans Pfitzner (1869–1949)
Musik: Hans Pfitzner (1869–1949)
Uraufführung: 12. Juni 1917, München (Prinzregententheater)
Dauer: ca. 3,5 Stunden

Akte:
1. Rom, im Haus des Komponisten Palestrina
2. Trient, Halle im Palast des Fürstbischofs Madruscht
3. Rom, im Haus des Komponisten Palestrina

Hauptpersonen:
Papst Pius IV.:
Bass
Giovanni Morone, Kardinallegat: Bariton
Bernardo Novagerio, Kardinallegat: Tenor
Kardinal Christoph Madruscht, Fürstbischof von Trient: Bass
Carlo Borromeo, römischer Kardinal: Bariton
Kardinal von Lothringen: Bass
Abdisu, der Patriarch von Assyrien: Tenor
Anton Brus von Müglitz, Erzbischof von Prag: Bass
Graf Luna, Orator des Königs von Spanien: Bariton
Bischof von Budoja: Tenor
Theophilus, Bischof von Imola: Tenor
Avosmediano, Bischof von Cadix: Bariton
Giovanni Pierluigi da Palestrina, Kapellmeister an der Kirche St. Maria Maggiore in Rom: Tenor
Ighino, Palestrinas Sohn
Silla, Palestrinas Schüler
Bischof Ercole Severolus, Zeremonienmeister des Konzils von Trient: Bass

Kurze Werkeinführung

„Palestrina“ ist das erfolgreichste Bühnenwerk des deutschen Komponisten Hans Pfitzner (1869–1949). Die „musikalische Legende“, zu der Pfitzner selbst das Libretto verfasste, entstand zwischen 1912 und 1915 und wurde am 12. Juni 1917 im Münchner Prinzregententheater uraufgeführt.

Das Werk spielt im 16. Jahrhundert in Italien (Rom und Trient) und thematisiert das Verhältnis zwischen Künstler und Welt.

Im Mittelpunkt von Pfitzners Bühnenwerk steht eine historische Figur, der Komponist Giovanni Pierluigi da Palestrina (vermutlich 1525–1594). Dessen bekanntestes Werk ist die „Missa Papae Marcelli“, die lange Zeit immer zum Anlass der Papstkrönung gesungen wurde.

Einer Überlieferung zufolge habe dieses herausragende musikalische Werk die auf dem Konzil von Trient (1545–1563) geforderte Abschaffung von Kirchenmusik während eines katholischen Gottesdienstes verhindert. Diese Überlieferung – sie gilt heute als historisch falsch – nahm Pfitzner als Grundlage für sein Bühnenwerk.

Die Handlung

Kurz und gut …

Wohl manche Papstkrönung hätte ohne emotionale Höchstgefühle über die Heiligen Bühnen gehen müssen, hätte Palestrina nicht mit seiner „Missa Papae Marcelli“ die Musik gerettet …

1. Akt: Rom, im Haus des Komponisten Palestrina

Silla, der 17-jährige Schüler des berühmten Komponisten Palestrina, arbeitet mit seiner Geige an einer Komposition im Stil einer neuen musikalischen Richtung aus Florenz. Nun kommt auch Ighino ins Arbeitszimmer, Palestrinas Sohn. Er offenbart seinem Freund, dass es dem Vater nicht gut gehe. Der Schein seiner Berühmtheit trüge. Palestrina habe seit dem frühen Tod seiner Frau Lukrezia keine Note mehr geschrieben. Silla versucht Ighino aufzuheitern und spielt ihm ein „Liedchen im allerneuesten Stil“ vor.

In diesem Moment betritt Palestrino mit Kardinal Borromeo das Zimmer. Dieser kommt vom Trienter Konzil und wundert sich über die allzu weltlichen, sündhaften, „seltsamlichen Geräusche“, die er „hier im Haus des strengen Meisters“ zu Gehör bekommt.

Palestrino sieht die musikalischen Vorlieben seines Schülers gelassener („Das ist die neue Zeit, die in ihm gärt“). Der Kardinal aber betont, wie wichtig der alte Musikstil sei, denn er weiß, dass der Papst den neuen Entwicklungen kritisch gegenüber steht und fürchtet, dass das Erbe der alten Meister ganz verloren gehen könnte, wenn die Musik aus den Kirchen weitgehend verbannt würde. Palestrino möge daher eine neue „Muster-Messe“ im alten Stil komponieren, damit könne er musikalisch richtungweisend wirken:

Wenn denn ein solches Werk gelänge
– dies hat der Papst mir zuerkannt –,
so sei gelöst des Fluches Strenge
die die gesamte Kunst noch bannt;
der neuen Messe Stil und Haltung
sie sei fortan die feste Norm.
So brächte dieses Werks Gestaltung
der Tonkunst Richtung und Reform.

Doch Palestrina, der sich am Ende seiner Schaffenskraft sieht, lehnt den Kompositionsauftrag ab. Er sein nicht mehr der „unermüdlich schaffensfrohe Mann“ von einst und nicht einmal der Papst könne seine Kreativität erzwingen.

Borromeo wirft dem Komponisten Bosheit und Gotteslästerung vor, aber er kann ihn nicht umstimmen und verlässt erbost das Arbeitszimmer.

Palestrina sieht ihm gedankenvoll nach – „… der letzte Freund, der mir noch wohlgesinnt, nun geht auch er …“

Dann aber überwältigt ihn eine Vision: Die großen Meisterkomponisten der Vergangenheit erscheinen ihm und beauftragen ihn, mit der Komposition der neuen Messe zu beginnen und sein musikalisches Lebenswerk damit zu krönen. Und tatsächlich beginnt Palestrina, inspiriert durch die Erscheinung seiner Frau Lukretia, mit der Komposition. Er schreibt und schreibt … bis er schließlich erschöpft einschläft.

Am nächsten Morgen findet Silla die Noten seines Lehrers: Palestrina hat eine ganze Messe in einem Zug durchkomponiert.

2. Akt: Trient, Halle im Palast des Fürstbischofs Madruscht

Im Palast des Fürstbischofs Madruscht zu Trient bereiten die Kardinäle Borromeo und Novagerio sowie der Zeremonienmeister, Bischof Ercole Severolus, die nächste Sitzung des Konzils vor.

Borremo berichtet, dass er bei Palestrina mit seinem Anliegen, eine neue Messe zu komponieren, nicht erfolgreich gewesen sei. Dabei ist die Angelegenheit wichtig. Denn der deutsche Kaiser Ferdinand hat beim Papst dezidiert seinen Wunsch deponiert, dass die Kirchenmusik nicht abgeschafft werden soll. Aber dieses Zugeständnis erfordert eben eine musikalisch adäquate Messe.

Dann eröffnet Giovanni Morone, der Kardinallegat, der bei Kaiser Ferdinand bereits Zugeständnisse auf die Kirchenmusik gemacht hat, feierlich betend die Konzilssitzung:

Den Heil’gen Geist, der die Konzilien leitet
Der auch die heutige Versammlung lenkt
Wir bitten ihn, dass er auf uns sich senkt
Und unserm Werk ein gutes End’ bereitet …

Doch der Wunsch nach einem harmonischen Konzilsverlauf erfüllt sich nicht. Im Gegenteil: Zu sachlichen Differenzen gesellen sich persönliche Eitelkeiten, und den Wortgefechten folgen zuletzt sogar Handgreiflichkeiten unter den Dienern einiger Kirchenfürsten. Schon werden Dolche gezogen; die Spanier stürzen sich auf die Italiener und Deutschen.

Schließlich greift der Hausherr, Fürstbischof Madruscht, durch und gibt den Soldaten Schießbefehl:

„Schießt und schlagt,
und was noch zappelt auf die Folter!“

3. Akt: Rom, im Haus des Komponisten Palestrina

Im Schein der untergehenden Abendsonne sitzt Palestrina zu Hause in seinem Lehnstuhl. Aus der Ferne ertönt beständiges Glockengeläute. Der Komponist hat eine schwere Zeit hinter sich und wirkt mitgenommenen. Er war verhaftet, eingekerkert und erst wieder freigelassen worden, nachdem sein Sohn Ighino den Schergen der Kirche die Partitur seiner neu komponierten Messe übergeben hatte.

In diesen Minuten war das Werk zum ersten Mal aufgeführt worden. Erfolgreich?

Hochrufe aus der Straße, die dem Haus des Komponisten immer näher kommen, beantworten die Frage: „Eviva Palestrina!“

Bald verkünden die Sänger der päpstlichen Kapelle den großen Erfolg von Palestrinas neuer Komposition, der „Missa Papae Marcelli“. Das Volk jubelt überschwänglich („Retter der Musik!“), und auf dem Höhepunkt der Begeisterung erscheint der Papst – Pius IV. – höchstpersönlich, um Palestrina zum lebenslangen Leiter der Kirchenmusik in der Sixtina und zum „Fürsten der Musik“ zu ernennen.

„Wie einst im himmlischen Zion Johannes, der heilige,
Hörte singen die Engel der Höhe,
Also lieblich und hehr tönte im Ohre mir
Die Messe eines anderen Giovanni.
Bis an Dein Ende nun bleibe, Pierluigi, bei mir;
Fromm die Sixtina mir leite,

Fürst der Musik aller Zeiten!
Dem Papste Diener und Sohn.

Auch Borromeo ist überwältigt von Palestrinas Musik („Aus dir spricht Gott und ich erkannt’ es nicht!“).

„Er will in leidenschaftlicher Zerknirschung Palestrina die Füße küssen, dieser hebt ihn rasch auf und küsst ihn auf die Wange.“

Schließlich bleibt der Komponist allein mit seinem Sohn zurück. Auch Ighino hat der allgemeine Freudentaumel erfasst. Und es hält ihn nicht lange an der Seite seines abgeklärten Vaters, auf den er so stolz ist. Er eilt hinaus auf die Straße, um mitzuerleben, wie er gefeiert wird.

Palestrina „geht einige Schritte in das Zimmer hinein und verweilt dann eine Zeitlang vor dem Bilde der Lukrezia.“

Dann setzt er sich an die Orgel und „versenkt sich, leise spielend, in musikalische Gedanken, den Blick über die Tasten weg ins Weite gerichtet.“

„Von der Straße ertönen wieder die Rufe ,Eviva Palestrina, eviva der Retter der Musik!‘

Palestrina scheint es nicht zu hören.“

(Zitate aus dem Libretto)