19. März 2024

Verharren in der Verbrennungs-Wohlfühlzone

Ein österreichisches Autofahrer-Magazin und die Bremser der Branche 

In einem Editorial des reichweitenstarken ÖAMTC-Magazins „autotouring“ – es ist mit etwa 2 Millionen Lesern (lt. Mediaanalyse) das größte Magazin Österreichs – tritt Chefredakteur Peter Pisecker gegen die konsequente Forcierung der Elektromobilität ein (Ausgabe 3/2023). 

Er macht es indirekt, indem er für die Verbrennungstechnologie eintritt. Nicht die Verbrennungsmotoren seien „per se ein Problem für das Weltklima, sondern die fossilen Kraftstoffe, die darin verbrannt werden.“ Man solle also mit Hilfe von „grünem Strom“ synthethische Kraftstoffe (E-Fuels) produzieren, die dann „sogar weniger zum Klimawandel“ beitragen als „E-Fahrzeuge, für die der Strom, den sie zum Fahren benötigen, in Kohlekraftwerken erzeugt wird“.

E-Fuels könnten demnach beispielsweise im sonnenreichen Südchile produziert werden, und der Treibstoff wird zu uns transportiert, um damit die guten alten Verbrennungsmotoren zu speisen.

Klingt plausibel, oder?

Für mich nicht. 

In dem Beitrag Äpfel mit Birnen verglichen werden – konkret: E-Autos, deren Energie aus Kohlekraftwerken (die es in Österreich gar nicht gibt) stammt, mit Motoren, die E-Fuels aus grünem Strom verbrennen. Und abgesehen davon sprechen die Fakten klar gegen synthetische Kraftstoffe für PKW.

Ein Elektroauto verbraucht auf 100 km rund 18 kWh Strom. Für einen Liter E-Fuel-Diesel werden 27 kWh benötigt. Bei einem Kraftstoff-Verbrauch von 6 Litern auf 100 km sprechen wir also vom neunfachen (!) Strombedarf.

Eine Studie des deutschen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) kam 2021 zum Schluss, dass das Verbrennen von E-Fuels in Motoren oder Triebwerken durchschnittlich fünfmal so viel Energie verbraucht als wenn der Strom direkt für den Antrieb genutzt wird.

Es wäre also deutlich vernünftiger, die Sonne Südchiles – stellvertretend für die weltweit verfügbaren erneuerbaren Energien – direkt für die Elektromobilität zu nutzen.

Denn nichts brauchen wir dringender als klimafreundlich produzierten Strom. Wie sehr die Produktion von grüner Energie noch in den Kinderschuhen steckt, zeigen die Fakten – ich empfehle dazu die App „Electricity Maps“, die tagaktuell weltweit den Ursprung des Stroms und die Entwicklung in den vergangenen Jahren visualisiert. 

Alle vorhandenen Ressourcen müssen sinnvoll eingesetzt werden, wenn die Wende noch gelingen soll. Natürlich ist die umweltfreundliche Produktion von E-Fuels auch sinnvoll – aber nur für Motoren und Triebwerke, für die es (noch) keine Alternativen gibt, also vor allem für Flugzeuge. Oder beispielsweise für Oldtimer, die von der Filmindustrie benötigt werden.

Zum Einsatz bei Kraftfahrzeugen sind E-Fuels keine zukunftsweisende Lösung. Ebenso wie die Hybrid-Technologie sollen sie den nötigen Umstieg nur hinauszögern, weil viele Konsumenten in ihrer Verbrennungs-Wohlfühlzone verharren wollen.

Fachleute warnen deshalb davor, breit auf E-Fuels statt auf die Elektrifizierung zu setzen.

Die Lösung kann meines Erachtens nur sein: Grüne Energien so rasch wie möglich ausbauen, möglichst viel dezentral produzieren und speichern, Elektromobilität (auch als Stromspeicher) fördern – technisch, finanziell und emotional, zum Beispiel durch Ladetarife, die flexibel auf den Ursprung der Stromproduktion reagieren oder mit generellem Tempo 100 auf Autobahnen, mit Ausnahme für grüne Nummerntafeln.

Ich fahre seit vier Jahren (oder aktuell rund 120.000 Kilometern) ein Elektroauto, brauche keine Tankstelle, weil ich zu Hause (wenn möglich mit Strom aus der eigenen Photovoltaik-Analge) lade, und habe auch bei längeren Reisen quer durch Deutschland, Frankreich, die Schweiz oder Slowenien nie Lade- oder Reichweitenprobleme. 

Bei solchen Fahrten ein paar mal öfter eine Kaffeepause am Supercharger einzuplanen, ist zumutbar und gestaltet die Reisen letztlich sogar deutlich entspannter. Kurz gesagt: Ich bin zufrieden und möchte kein anderes Auto mehr fahren.

Mit dem ÖAMTC-Slogan „Ein gutes Gefühl, im Club zu sein“ habe ich inzwischen allerdings Probleme. Denn leider vertritt „autotouring“ genau jene Bremser in der Branche, die eine überzeugte Neuorientierung seit vielen Jahrzehnten verzögern. Und das, obwohl die Folgen der Klimaerhitzung die Tagesnachrichten immer öfter dominieren.

Vielleicht darf man von einem solchen Verein nicht erwarten, dass er verantwortungsbewusst wirkliche Lösungen fördert. Aber seriöse Neutralität sollte bei einem Fachmagazin drin sein. Oder will „autotouring“ das gar nicht sein?