Maria Schraders Enthüllungs-Drama „She Said“
• 2017 hatte die „New York Times“ über sexuelle Belästigungen durch den Moderator Bill O’Reilly berichtet. Der konservativ-republikanische Sender „Fox News“, einer der bekanntesten Nachrichtenkanäle der USA, hatte daraufhin die Notbremse gezogen und O’Reilly entlassen. Doch Times-Herausgeberin Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) ist ganz sicher, dass das nicht der einzige derartige Fall in der Medien- und Unterhaltungsbranche war. Sie ermutigt Jodi Kantor (Zoe Kazan), eine Investigativjournalistin ihres Blattes, zu weiteren Recherchen.
Die Recherchen konzentrieren sich bald auf einen ganz Großen der Szene, den Hollywood-Filmproduzenten Harvey Weinstein. Er ist Geschäftsführer von „Miramax“ und der „Weinstein Company“. Zwei Schauspielerinnen – Rose McGowan und Ashley Judd – haben Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben. Und es könnten noch viel mehr sein.
Aber wer ist bereit auszusagen? Und werden die Recherchen zu einer hieb- und stichfesten Story führen, die auch vor Gericht hält und zu Konsequenzen führt?
Jodi erhält bei ihren aufwändigen Recherchen Unterstützung von ihrer Kollegin Magan Twohey (Carey Mulligan), die mit dem Thema der sexuellen Belästigung Erfahrungen hat. Nach ihren Recherchen konnte ein ähnlicher Bericht wie über den Fox-News-Moderator Bill O’Reilly auch über Donald Trump veröffentlicht werden.
Doch im Fall Weinstein stehen die beiden Investigativjournalistinnen vor einer Mauer des Schweigens. Mehrere Schauspielerinnen geben „off the records“ zu, dass sie am Anfang ihrer Karriere von Weinstein sexuell belästigt oder sogar missbraucht worden sind. Aber keine will zitiert oder namentlich genannt werden. Und einige dürfen auch gar nicht aussagen, weil sie eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnet und Geld dafür bekommen haben.
In ihrem Filmdrama „She Said“ zeichnet die deutsche Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader den Arbeitsalltag der beiden Journalistinnen nach – durchwegs nach wahren Begebenheiten. Das mühevolle „Türklinkenputzen“ bei zahllosen Familien, die Suche nach Strategien, um vielleicht doch zu brauchbaren Aussagen zu kommen, die Drohungen Weinsteins und seiner Verteidiger – und die stete Sorge, der ganze Aufwand könnte letztlich doch zu keinem Ergebnis führen und alles könnte so weitergehen wie bisher.
Als Ashley Judd – sie spielt sich in dem Filmdrama selbst – und die ehemalige Produktionsassistentin Laura Madden (Jennifer Ehle) schließlich einwilligen, namentlich genannt und zitiert zu werden, bricht der Damm …
Im Oktober 2017 veröffentlicht die „New York Times“ das Ergebnis ihrer Recherchen. Damit wird öffentlich, dass Weinsteins Verhalten in der Filmbranche weithin bekannt war und gezielt vertuscht wurde. Über Jahrzehnte hatte der Produzent seine Machtposition gegenüber jungen Frauen aus der Branche ausgenutzt und sie anschließend mundtot gemacht.
Der Weinstein-Skandal löst schließlich auch die #MeToo-Bewegung (deutsch: „ich auch“) in den sozialen Netzwerken aus. Weltweit fühlen sich Frauen ermutigt, auf sexuelle Belästigungen aufmerksam zu machen. Verhaltensweisen übergriffiger Männer, die bislang oft toleriert oder „übersehen“ wurden, weil darin nichts Illegales erkannt wurde oder weil sie einfach als üblich galten, werden neu bewertet.
Maria Schrader hat ihr Drama „She Said“ – es endet mit der Veröffentlichung des Artikels in der „New York Times“ – geradlinig und faktenbasiert inszeniert, auf dramaturgische Zuspitzungen weitgehend verzichtet und mit den beiden Journalistinnen, die ihre Recherchen im gleichnamigen Buch veröffentlichten, eng zusammengearbeitet. Nichts für einen entspannten Wohlfühl-Kinoabend, aber sehenswert!
(2022, 129 Minuten)