20. April 2024

Begegnung mit dem Tod: „Wir brauchen keine Angst zu haben“

Astrid Dauster im Gespräch (2013)

Astrid Dauster aus Weilheim (Deutschland) hat mehrere tiefgehende Nahtoderfahrungen erlebt. In diesem Interview berichtet sie von ihrem jüngsten Erlebnis, das sie, klinisch tot, wieder an die „Schwelle zum Jenseits“ brachte. Für sie steht fest: „Wir brauchen keine Angst vor dem Tod zu haben. Es geht danach weiter!“

Frau Dauster, Sie hatten vor nicht allzu langer Zeit eine Nahtoderfahrung. Was geschah damals?

DAUSTER: Es war an Fronleichnam 2011. Schon am Vortag war es mir nicht gut gegangen, ich hatte Schmerzen im Bereich des Brustbeins, aber die Nacht relativ gut verbracht. Am diesem Morgen dachte ich noch, Magenschmerzen hast du ja öfters, vielleicht ist es auch ein ausgerenkter Wirbel; es wird schon nicht so schlimm sein. Aber es ging mir überhaupt nicht gut. Ich wollte eigentlich nach Meran fahren. Und während die eine Stimme in mir sagte: „Das kennst du doch!“, drängte mich eine andere, tätig zu werden. Also rief ich den Rettungsdienst. Die Sanitäter waren innerhalb kürzester Zeit bei mir, ich empfing sie und schilderte meine Beschwerden. Das EKG zeigte dann, dass bereits ein Herzinfarkt abgelaufen sein musste. Deshalb wurde ein Notarzt angefordert. Ich unterhielt mich mit den Sanitätern und habe irgendwann registriert, dass ein Rettungsstuhl bei mir im Wohnzimmer stand. Da habe ich noch gesagt: „So ein Schmarren, ich geh’ zu Fuß zum Krankenwagen, ihr müsst mich nicht mit diesem Stuhl transportieren!“ Dass man mich in den Stuhl gesetzt hat, daran kann ich mich nicht bewusst erinnern. Einer der Sanitäter hat mir Wochen später, als ich mich nach der Reha bei den Sanitätern in der Leitstelle bedankte, gesagt, dass ich einfach kollabiert bin. Man wollte mich aus der Wohnung tragen, musste mich dann aber im Flur ablegen, um mich zu reanimieren …

Das heißt, Sie wären in diesem Moment gestorben

DAUSTER: Ja, ich hatte Herzkammerflimmern und keinen Kreislauf mehr. Deshalb begannen die Sanitäter mit der Reanimation.

Wie erlebten Sie diesen Zeitraum? Woran können sie sich erinnern?

DAUSTER: Die Erinnerung daran kam mir erst, nachdem der körperliche Erholungsprozess so weit abgeschlossen war, dass ich die nötige Energie und Kraft dafür hatte. Denn der Beginn des Nahtoderlebnisses war sehr, sehr schlimm für mich. Ich habe mich von oben gesehen. Ich habe auf meinen Körper geschaut und die drei Rettungssanitäter beobachtet, die sich darum bemüht haben, mich wieder zurückzuholen. Ich habe gesehen, wie der Körper bei der Reanimation mit dem Defibrillator achtmal geschockt wurde, ich habe den Notarzt gesehen und meine Tochter, die auch anwesend war.

Gleichzeitig konnte ich aber auch alle Emotionen der anwesenden Menschen spüren. Das gedankliche Chaos, in dem meine Tochter hin und her geworfen wurde, auch das Ohnmachtsgefühl der Sanitäter während der Reanimationsversuche, deren Fassungslosigkeit darüber, dass das jetzt passiert ist. Niemand hatte damit gerechnet, dass ich kollabiere.

Das alles habe ich gesehen und gespürt. Es war fast nicht zu ertragen. Ich wollte, dass man meinen Körper, der ständig geschockt wurde, endlich in Ruhe lässt. Ich habe versucht, mich bemerkbar zu machen, habe einen Sanitäter ein bisschen gezupft, aber er war natürlich nur mit der Reanimation beschäftigt.

Später im Krankenhaus hat dieser Sanitäter meiner Tochter erzählt, dass ich während der Wiederbelebung versucht habe, ihn von mir wegzudrücken. Das sei ihm in seinen 20 Dienstjahren noch nie passiert.

Das hat er wahrgenommen

DAUSTER: Ja, er hat die Kraft der Seele wahrgenommen. Ich konnte das alles bald nicht mehr ertragen und bin gegangen. Ich habe den Raum einfach verlassen, sehr langsam und sehr traurig.

Und dann fand ich mich an einem wunderbaren, kristallklaren Wasser wieder, in das ich hinein geweint habe – bis ich aufstand und irgendwie auf einen Berg gelangte, immer höher, bis es nicht mehr weiter ging. Dann habe ich mich nach oben gewandt und um Hilfe gebeten: „Bitte hilf mir, ich weiß nicht, was ich tun soll!“ Daraufhin hat sich über mir das Universum … oder der Himmel … geöffnet, und ich wurde in ein wunderbares Licht eingehüllt. Es durchdrang mich, floss den ganzen Berg hinab bis ins Tal. Soweit ich sehen konnte, war nur dieses wunderbare Licht, die sichtbare und fühlbare Liebe Gottes. Und ich habe mich einfach nur wohlgefühlt, unendlich wohl.

Ich konnte völlig ruhig sein. In diesem Moment war alles Erdenleid, die traurige Situation, aus der ich gekommen war, einfach vergangen. Ich empfand nur Liebe, die göttliche Liebe. Und dann hörte ich eine vertraute Stimme, die ich schon seit meiner Kindheit kenne. Sie sagte zu mir: „Du weißt, was du tun musst. Du musst zurück gehen!“

Mir wurde klar, dass mein Körper zwischen den Welten liegt, dass er die Seele braucht – um zu leben oder zu sterben. Aber ich wollte nicht zurück. Ich hatte Angst, wieder dieses Leid ertragen zu müssen. Ich war in diesem Licht und bin dann irgendwie noch einen Schritt weiter darin gegangen, obwohl es höher eigentlich gar nicht mehr ging. Ich nahm einfach nur Liebe auf, die alles durchdringende, fühlbare und sichtbare Liebe Gottes, die sich auch in wunderbaren Farben offenbarte … Regenbogenfarben in hauchzarten Abstufungen, die sich lebendig bewegten und durch die ich ein Gesicht schimmern sah, das aber schon wieder weg war, ehe ich irgend etwas ausmachen konnte. Aber das war egal, das Erleben war einfach nur Schönheit. Farben dieser Art gibt es auf der Erde nicht. Stellen Sie sich die leuchtendsten Töne vor – es würde im Vergleich doch der Glanz fehlen, die Liebe.

Ja, ich habe gezögert, wieder zurückzugehen, 27 Minuten lang, aber zuletzt bin ich doch gegangen – oder wurde zurückgeschickt. Und ich musste zum Glück das Leid meines Körpers nicht noch einmal miterleben.

Sie hatten schon als Kind Jenseitserlebnisse?

DAUSTER: Ja, ich habe eine sehr schwere Kindheit hinter mir und schlimmste Verletzungen nur überlebt, weil ich sozusagen ausgestiegen bin. Damals ging das blitzschnell, ich gelangte durch einen Tunnel in ein Licht, fand mich auf einer wunderschönen Blumenwiese wieder und begegnete einem Schäfer, der eine Herde schneeweißer Schafe hütete und der mir meine kindlichen Fragen beantwortete. Ich konnte nicht begreifen, weshalb Menschen imstande sind, einander so viel Leid anzutun. Das Licht, das ich als Kind erlebt hatte, war damals schon das gleiche.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie anderen Menschen von ihren Erlebnissen berichten? Gelingt es Ihnen, das Tabu, mit dem unsere Gesellschaft das Thema Tod belegt hat, zu durchbrechen und auf Verständnis zu stoßen?

DAUSTER: Absolut. Sobald man darüber spricht, ist es nach meiner Erfahrung kein Tabu mehr. Die Menschen hier in Weilheim haben an dem, was mir passiert ist, viel Anteil genommen – und mich auch mit großen Augen angeschaut, als es mir nach zwei Monaten schon wieder so gut ging. Auch die Ärzte auf der Intensivstation und die Sanitäter waren erstaunt darüber, dass ich wieder so fit wurde und nach dieser langen Reanimation kein Schaden geblieben ist.

Wenn Sie Ihre Erlebnisse zusammenfassend betrachten: Sehen Sie das, was Sie erfahren haben, eher als ein Spiel des Zufalls oder glauben Sie, dass damit eine Aufgabe verbunden ist, die Sie in ihrem Leben zu erfüllen haben?

DAUSTER: Ich habe ein sehr hartes Leben gehabt, aber ich habe immer wieder Hilfe von oben bekommen, um meinen Weg gehen zu können. Diese Hilfe ist vielfältig. Man hat zum Beispiel plötzlich Menschen an seiner Seite, mit denen man gemeinsam gehen kann, und niemand hat mich jemals auf die Schiene gestellt: „Da ist eine, die tickt nicht mehr ganz richtig.“

Ich hatte viele Gelegenheiten, bei denen ich vermitteln konnte, wie es weitergeht, wenn wir diese Erde verlassen dürfen. Persönlich bin der Meinung, dass alles einen Sinn hat. Nichts geschieht ohne Sinn. Jedes Wort, jeder Gedanke, jede Begegnung mit Menschen ist einerseits für mich persönlich wichtig, aber es ist auch Teil eines großen Ganzen.

Wohin etwas sich entwickelt, das erkennt man manchmal erst Jahre später. Vielleicht ist es auch gar nicht möglich, das fertige Bild schon zu sehen. Und es ist grundsätzlich sehr schwer für mich, die Empfindungen in den Licht-Erfahrungen zu beschreiben. Es gibt in unserer Sprache kein Wort dafür. Unvorstellbare Geborgenheit, unendlicher Friede, unendliche Liebe … solche Begriffe kennen wir – aber es ist noch viel mehr damit verbunden.

Größere Tiefe

DAUSTER: Ja, es sind Empfindungen, wie ich sie hier auf der Erde in den glücklichsten Momenten nicht erlebt habe.

Die meisten Menschen haben große Angst vor dem Tod. Was ist die zentrale Botschaft, die sie auf Grund Ihrer Nahtoderfahrungen weitergeben möchten?

DAUSTER: Das Wichtigste ist: Wir brauchen keine Angst vor dem Tod zu haben! Es geht danach weiter!

Aber das Leben nach dem Tod hat überhaupt nichts mehr mit der Erdenschwere zu tun. Es existiert Bewusstsein, aber ohne die Schwere der Gedanken, die man auf Erden hat. Ich persönlich habe keine Angst vor dem Sterben mehr. Ich habe nur den Wunsch, nicht als Pflegefall leben zu sollen. Meine Bitte ist, dass ich einmal, wenn es endgültig so weit ist, ohne große Dramatik gehen darf und ich mich von meinen Lieben verabschieden kann.

Nahtoderfahrung: „Wir brauchen keine Angst zu haben!" | Astrid Dauster im Gespräch

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