18. April 2024

Der Liebe süße Götterlust

Ekkehard

• Oper in fünf Akten von Johann Josef Abert • 

Libretto: Adolf Kröner (1836–1911), Wilhelm Hertz (1835–1902), Carl Hecker (1795–1873) • 
Musik: Johann Josef Abert (1832–1915) • 
Uraufführung: 11. Oktober 1878, Berlin (Hofoper)
Dauer: ca. 2,5 Stunden

Aufzüge:
1. Vor dem Kloster Reichenau
2. Burggarten auf dem Hohentwiel; Am Heidenstein
3. In der Burgkapelle
4. Im Burggarten
5. Vor dem Hohentwiel

Hauptpersonen:
Ekkehard,
ein Mönch: Tenor
Hadwig, Herzogin von Schwaben: Sopran
Praxedis, Hadwigs Vertraute: Mezzosopran
Spazzo, Hadwigs Kämmerer: Bariton
Graf von Montfort: Bass
Watzmann, Abt: Bass
Rudimann, Kellermeister: Bariton
Waldfrau: Mezzosopran

Kurze Werkeinführung

Die selten gespielte fünfaktige Oper „Ekkehard“ wurde vom deutsch-böhmischen Komponisten und Dirigenten Johann Josef Abert (1832–1915) geschrieben. Dieser war am Hof des Königs von Württemberg lange als Hofkapellmeister und später als Königlicher Musikdirektor tätig. 

Als musikalisches Vorbild diente Abert die „Grande Opera“, die große Oper im französischen Stil, in der liedhafte Abschnitte mit großen Ensembleszenen abwechseln.

Das Libretto entwarf der Verleger Adolf Kröner (1836–1911), der vor allem für sein Engagement im deutschen Verlagswesen und für den Buchhandel bekannt wurde.

„Ekkehard“ spielt im 10. Jahrhundert, die Orte der mittelalterlichen Handlung sind der Hohentwiel (ein Berg in der Nähe des Bodensees) sowie die Insel Reichenau.

Uraufgeführt wurde „Ekkehard“ im Oktober 1878 in Berlin. 

Im Oktober 1998 fand eine konzertante Aufführung des Werks in der Festhalle von Bad Urach (Dirigent: Peter Falk) statt, die für eine CD-Produktion* aufgezeichnet wurde. Unter den Sängern war Jonas Kaufmann, für den dieses Werk damals die zweite Operngesamtaufnahme (nach „Die drei Wünsche“) war. Mit dessen Weltkarriere als Tenor wurde im 21. Jahrhundert auch „Ekkehard“ wieder einem größeren Publikum bekannt.

Die Handlung

Kurz und gut …

Die literarische Liebe eines christlichen Mönchs zum römischen Dichter Virgil endet tödlich. Immerhin aber wird der sterbende Ekkehard von zwei liebenden Frauen gleichzeitig getröstet.

1. Akt: Vor dem Kloster Reichenau

Vor dem Kloster Reichenau feiern die Landleute und Winzer vom Bodenseeufer das Weinlesefest. Abt Watzmann segnet den Klosterwein:

„Ihr alle, versammelt hier in frommem Sinn,
nehmt voll Dankes die Gaben hin,
die uns aufs Neue ließ gedeih’n
der Herr in seiner Gnade Schein.
Er streute aus mit milder Hand
sein Füllhorn auf Sankt Pirmins Land.
Sankt Pirmin, unser Schutzpatron,
bitte für uns an des Höchsten Thron!“

Von ihrer nahe gelegenen Burg Hohentwiel kommend, begeben sich nun auch die verwitwete Herzogin Hadwig und ihre Vertraute, Praxedis, auf das Fest – ohne dass sie zunächst als Edelfrauen erkannt werden.

Unmittelbar erregt die Herzogin die Aufmerksamkeit des jungen Mönchs Ekkehard („Wer ist die Fremde, deren holdes Bild gleich einem Wunder mir das Auge blendet?“) – und er sogleich auch die ihre („Wie Sonnenschein aus düst’rer Wolken Saum, so strahlt sein Antlitz hell aus dem Gewande.“)

Rudimann, der Kellermeister, zeigt sich von den beiden Frauen besonders angetan und rätselt, was wohl der größere Genuss sei – ein „kühler Trunk“ oder „ein brennender Weiberkuss“.

Seine Annäherungsversuche erstickt Ekkehard allerdings im Keim („Du trunkener Sünder, hinweg von ihr!“)

Abt Watzmann ist von der Ankunft der beiden Frauen wenig begeistert, denn einem „heil’gen Brauch“ zufolge darf „kein Weiberfuß“ die Schwelle des Klosters berühren. Und nun ist offenbar um die beiden – wie er vermutet – „fahrenden Weiber“ ein Streit entbrannt …

Der Kellermeister entschuldigt sich bei Watzmann für sein unziemliches Verhalten, zu dem der Wein ihn verführt habe, beschuldigt aber gleichzeitig Ekkehard, der ihn zuvor ja rüde zurechtgewiesen hatte, ein viel größerer Sünder zu sein – und das „bei nüchternem Magen“. Denn dieser Mönch würde „heidnischen Sängen voll Liebesglut“ huldigen, „der christlichen Lehre zum Hohn“.

Zu seiner Verteidigung zieht Ekkehard daraufhin ein Pergament mit Werken des römischen Dichters Virgil hervor, das „für Herz und Geist der Dichtung unendliche Welten“ erschließe. Virgil spottend als „heidnisch“ zu bezeichnen, das, meint der Mönch selbstbewusst, könne nur jemand, der ihn nicht „fasse“.

Abt Watzmann zeigt dennoch wenig Verständnis für den „göttlichen“ römischen Dichter. Er sieht Ekkehards Sündhaftigkeit durch das Pergament bestätigt und will ihn schon fortschaffen lassen, als sich nun Hadwig für den Mönch einsetzt, die der Abt erst jetzt als die Herzogin von Hohentwiel erkennt.

Sie schlägt kurzerhand vor, Ekkehard „zur Strafe seiner schweren Sünden“ vom Kloster zu verbannen: 

„Er bess’re sich auf Hohentwiel
bei uns als Leser des Virgil
wozu wir hiedurch ihn ernannt
und feierlich verurteilt haben.“

Ekkehard ist nicht unglücklich über diese Schicksalswende, die ihn in Hadwigs Nähe führt („Sie rufet mich, gern folg’ ich ihr“), Abt Watzmann kann damit leben, doch einer ist so richtig zornig: Graf Montfort. Er hat die zarten Bande, die sich zwischen Hadwig und Ekkehard zu spinnen begonnen haben, instinktiv erkannt … denn er selbst hat schon lange ein Auge auf die Herzogin geworfen …

2. Akt: Burggarten auf dem Hohentwiel

Ekkehard bewährt sich als Leser des Virgil überaus gut, und die Texte des römischen Dichters tragen das ihre dazu bei, seine eigenen romantischen Gefühle und auch die von Hadwig und Praxedis zu beflügeln. 

Der Herzogin wird klar, dass sie für den jungen Mönch ernsthafte Gefühle der Liebe entwickelt.. Sogar der Ruf ihres Kämmerers zum Abendmahl verhallt ungehört. Hadwig hat nur noch Ohren für Ekkehard.

Doch sie bleibt nicht unbeobachtet. Graf Montforts Eifersucht wächst:

Sie liebt den Fant, ihn sucht ihr Blick
klar liegt ihr buhlerisches Spiel.
Mich stößt sie kalt von sich zurück,
doch ruh’ ich nicht, bis ich am Ziel!
Wagt er’s, sein Aug’ zu ihr zu heben,
soll er vor meiner Rache beben!“

Konkret: Ekkehards „Beben“ soll mit dem Tod enden. Als Graf Montfort die Waldfrau erblickt, eine heidnische Hexe, der alles gefällt, was Mönchen schadet, tut er sich mit ihr zusammen. Sie möge ihm „zwei Tränke voll Zauberkraft“ brauen, „von denen der erste Verderben schafft und glühende Liebe der zweite“. 

Die Waldfrau ist einverstanden. Sie weist Montfort an, ihr zum Heidenstein zu folgen. Dort, wo zur Sonnenwende den Göttern das Opfer geweiht wird, werde sie die Tränke zubereiten.

Am Heidenstein

Am Heidenstein feiern die Bauern gemeinsam mit der Waldfrau die Nacht der Sonnenwende, „Freia und Wodan zu Ehren“.

Doch dann wird die traute heidnische Runde jäh gestört: Unerwartet und ehern tritt Ekkehard auf („Weh über euch, verstockte Sünderschar“). Die Hilferufe der Waldfrau („Auf, tötet ihn!“) verhallen ungehört; der Mönch weist sich als „Gottgesandter“ aus und vernichtet kurz entschlossen „der falschen Götzen Trugbild“:

„Unendlich ist des Herren Macht,
unendlich seine Milde,
unendlich seines Himmels Pracht,
ein leuchtend’ hehr’ Gefilde.“

Doch als Ekkehard den Herrn, dem er dient, zuletzt auch „Gott der Liebe“, hakt die Waldfrau ein: 

„Ein Gott der Liebe? Ja,
du folgst seinen Lehren:
Liebst deine Herzogin
mit sündlichem Begehren.“

Das sitzt. „Weh mir, sie sagt’s, was ich mir selbst verschwieg“, gesteht sich Ekkehard. 

Und freudig beobachtet die eloquente Hexe, wie der Mönch ins Wanken kommt: „Den alten Göttern bleibt der Sieg!“

3. Akt: In der Burgkapelle

Zum Anlass seines Namenstags schmücken Praxedis und einige Edelfrauen die Grabkammer des verstorbenen Herzogs von Hohentwiel mit frischen Blumen.

Ausgerechnet hier in der Burgkapelle, in dieser „heil’gen Stätte“, die Hadwig aufsucht um zu beten, begegnet sie nun Ekkehard. Beide haben ihre Empfindungen einander noch nicht gestanden, doch die Herzogin weiß um die Bande, die sie mit dem jungen Mönch verbinden … und dass es sich um eine verbotene Liebe handelt:

„Es kommt wie Zauber über mich,
o weh mir, was beginnen?
Es fesselt an die Stelle mich,
ich kann nicht mehr entrinnen.
Die Glut, die ich in ihm entfacht,
fühl’ ich auch mich verzehren.
Auch mich beherrscht der Hölle Macht.
Ich kann dem Drang nicht wehren!
Der Liebe süße Götterlust,
sie reißt mich ins Verderben.“

Nun bricht es auch aus Ekkehard hervor. Der Mönch bekennt sich bedingungslos zu seinen Gefühlen für Hadwig („Was mir auch droht, ich acht’ es nicht!“), aber die Herzogin fürchtet um den jungen Mönch („Verderben droht durch solche Liebe dir!“) und kämpft zugleich mit sich selbst, um ihren starken Gefühlen für ihn zu widerstehen („Geist meines Gatten, steh’ mir bei!“).

Doch Ekkehard kennt kein Halten mehr. Er wendet sich an das Christusbild in der Burgkapelle, um den Segen für seinen Bund mit der Herzogin zu erflehen: „Mein ist sie, mein für alle Ewigkeit!“

„Sacrilegium!“

In diesem Augenblick durchtönt die Stimme des Abts die Burgkapelle. Er sieht den „heil’gen Ort“ durch Ekkehard geschändet und den Mönch der „ewigen Verdammnis geweiht“.

Auch Ekkehard erlebt sich nun plötzlich „aus einem wüsten Traum erwacht“. Er sei „vom Wahnsinn geblendet“ gewesen, bereut zutiefst und bittet um Verzeihung und Gnade.

Doch Mitleid erweckt Ekkehard allein noch bei Praxedis („Seht, wie er bereut!“). Montfort frohlockt („Nicht mehr des Dolchs bedarf es nun, sein Leben ist vernichtet!“), und selbst Hadwig übt sich in Entrüstung („Verzeihen kann ich nicht, als Weib nicht, nicht als Herzogin, ob auch das Herz mir bricht! – Es walte Recht!“)

Ekkehard wird gefesselt und abgeführt.

4. Akt: Im Burggarten

Ekkehard scheint zwar ausgeschaltet, aber Graf Montfort konnte bei der Herzogin trotzdem nicht landen. Im Burggarten beklagt er sich bei der Waldfrau über die mangelnde Kraft des Zaubertrankes, den sie ihm bereitet hatte, um Hadwig erobern zu können. 

Aber die Hexe hat einen neuen Plan ausgeheckt, der Montfort zu einem zweifachen Sieg verhelfen soll. Er solle sich mit den Hunnen verbünden, die bereit zum Angriff seien, und an deren Spitze die Burg der Herzogin erstürmen. Ein Feuerzeichen werde ihm den günstigsten Zeitpunkt für den Sturm  zeigen. Dies würde Montfort mehr nur einen Sieg im Kampf bringen, denn „mit der Burg, die du bezwungen, hast du das Liebchen dir errungen“.

Hadwig also als Draufgabe. Auch wenn ihn sein Gewissen vor einem Pakt mit den Hunnen mahnt („Die Pflicht, die Ehre ruft: Halt ein!“) – diesem Köder kann der Graf nicht widerstehen.

Indes berichtet Praxedis, die Ekkehard seit seinen Virgil-Lesungen ebenfalls liebt, dem Mönch von dem bevorstehenden Angriff der Hunnen. Er solle sich dem Verteidigungsheer des Kaisers anschließen – und zwar mit dem Schwert, das der Herzog einst getragen: „Zu neuen Siegen weis’ es Euch die Bahn!“). 

Praxedis verschafft Ekkehard dieses Schwert und ist außerdem dazu entschlossen, ihn selbst in die Schlacht zu begleiten – verkleidet als Klosterschüler:

„Des Klosterschülers fromm’ Gewand
soll schützend sie bedecken,
des Glaubens Kreuz in ihrer Hand
sei seiner Feinde Schrecken.“

Nach anfänglichem Zögern ist Ekkehard mit Praxedis’ Plan einverstanden. Er hofft, sich durch den Kampf gegen die Hunnen rehabilitieren zu können und „als Sieger oder nie“ zu Hadwig zurückzukehren.

Unmittelbar darauf entdeckt er, noch vor allen anderen, das Flammenzeichen der Waldfrau. Schon stürzt Montfort heran. Am Burgtor trifft er im Kampf auf Ekkehard und wird von ihm getötet („Unseliger, nimm deines Frevels Lohn!“).

Auch Watzmann und die Mannen der Kirche und des Kaisers greifen nun ein. Es gelingt ihnen, Hadwig aus ihrer Burg, die von den Hunnen bereits in Brand gelegt wurde, zu retten.

5. Akt: Vor dem Hohentwiel

Die Schlacht gegen die Hunnen ist in vollem Gang. Ekkehard führt die Mönche im Kampf an, und es spricht sich schnell herum, dass er siegreich ist. Voller Freude befiehlt Hadwig, das Banner Schwabens vor dem Hohentwiel zu setzen, um „mit freud’gem Gruß die nah’nden Sieger zu ehren“.

Doch die Waldfrau trübt die Freude der Herzogin. Ekkehard, kündet sie, sei gefallen. Ein giftiger Hunnenpfeil habe ihn getroffen.

Hadwig ist entsetzt. Sie gibt sich selbst die Schuld für Ekkehards Schicksal. Ihretwegen sei er in diesen Krieg gezogen, um dort im Kampf sein Leben zu lassen.

Als der bejubelte „Schirmherr der Schwaben“ aber doch zurückkehrt und die Herzogin, offenbar nur verwundet, um Verzeihung für seine Schuld bittet, schöpft Hadwig neue Hoffnung. Sie ist entschlossen, den Geliebten gesund zu pflegen: „Kein Wort davon, ich hab’ Euch wieder!“

Ekkehard aber weiß, dass er sterben muss. Hadwigs Vergebung war das letzte, das er für sein Leben erhofft hatte:

„O Götterbild aus Himmelssphären,
erleuchtend meines Lebens Nacht,
vergib, wenn irdisches Begehren
sich einst in meiner Brust entfacht!
Ich hab’s gesühnt voll reiner Weihe,
im Tod noch blick’ ich nach dir hin.
Und sprachst Du huldvoll: ,Ich verzeihe‘,
so hat’s der Himmel auch verzieh’n.“

Ekkehard dankt Praxedis für ihren Beistand („Weine nicht um mich“) und antwortet, schon im Sterben, auf Hadwigs Zuruf „Ekkehard, ich liebe dich!“ mit den letzten Worten: „Wir seh’n uns dort!“

Voller Bitterkeit wünscht sich die Herzogin nun auch ihren eigenen Tod herbei („Auf Erden kann ich nie mehr ruh’n; Herr, nimm mich auf zu Dir!“). Und auch Praxedis möchte Ekkehard nachfolgen:

„Zu Dir stand ich in Kampf und Streit,
getreu in Not und Schmach.
Verschmähst Du jetzt auch mein Geleit,
bald folge ich Dir nach.“

(Zitate aus dem Libretto)

* Das Titelbild zu diesem Beitrag wurde aus dem Titelbild einer Neuauflage dieser Produktion gestaltet.