Seit etwa 10 Jahren interviewe ich für mein Projekt „Thanatos TV“ Nahtoderfahrene und auch Sterbeforscher, deren persönliche Geschichten beziehungsweise Schlussfolgerungen der naturalistisch-materialistischen Weltanschauung, wie sie heute den Wissenschaften zugrunde liegt, im Regelfall widersprechen. In meinen Interviews wird immer wieder die Gewissheit geäußert, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und dass Bewusstsein offenbar auch unabhängig vom Körper existieren kann. Warum halte ich das für möglich? Weshalb veröffentlichte ich immer wieder solche Interviews? Bin ich mehr „Eso-Schwurbler“ als Journalist? – Eine Standortbestimmung in eigener Sache.
Idealismus – ja, bitte!
Meine Interviews mit Nahtoderfahrenen und Menschen mit ähnlichen Erlebnissen – es sind inzwischen weit über hundert – haben mich, rückblickend betrachtet, zweifellos auch selbst verändert. Denn die Bereitschaft, solche Geschichten ohne weltanschauliche Vorurteile ergebnisoffen zu dokumentieren, stärkt im Ergebnis fast zwangsläufig die Einsicht, dass da wirklich „etwas ist“, dass es sich eben nicht nur um Phantastereien oder ähnliches handelt.
Ich kann inzwischen gut nachvollziehen, warum die meisten Sterbeforscher, die sich analytisch mit den Erlebnissen Nahtoderfahrener befassen, die „Überlebenshypothese“ als die wahrscheinlichste Erklärung für zahlreiche Phänomene in Todesnähe halten, auch wenn ihre Ansicht, das menschliche Bewusstsein könne den körperlichen Tod überdauern, als Aussenseitermeinung gilt.
Je nach Alter, Bildungsgrad, Kultur und Religionszugehörigkeit, und auch abhängig von ihrer Motivation, erzählen Nahtoderfahrene ihre persönlichen Geschichten grundsätzlich zwar sehr unterschiedlich. Aber im Vergleich fällt doch auf, dass sich deren Gehalt gleicht. Die Menschen erleben ähnliche Momente, haben vergleichbare Empfindungen, und sie kommen stark verändert aus ihrer Erfahrung zurück – tief bewegt, aber oft auch traumatisiert und durchweg unfähig dazu, ihr Leben in gewohnter Weise weiterzuführen.
Viele von ihnen haben eine „Hyperrealität“ erlebt, eine Wirklichkeit, der gegenüber ihnen alles andere wie ein Traum erscheint. Und sie haben größte Probleme, das Erlebte in Worte zu fassen und ihren Alltag damit in Einklang zu bringen.
Die Einsicht, dass unterschiedlichste Menschen in tatsächlicher oder vermeintlicher Todesnähe (oder unter anderen Umständen) vergleichbare Bewusstseinserfahrungen machen, hat mich auch zunehmend motiviert, in diesen Interviews die Erlebnisebene hinter den Worten zu erkunden. Und dieser Versuch nachzuempfinden, was jenseits des Beschreibbaren liegt, hat über die Jahre auch meine eigenen weltanschaulichen Positionen verändert. Umso mehr, als die vielen Nahtoderfahrenen, denen ich persönlich begegnet bin (ich mache nur in Ausnahmefällen Online-Interviews), bis auf sehr wenige Ausnahmen schlicht und einfach – von Mensch zu Mensch – überzeugend wirkten.
Gleichzeitig ist mir natürlich klar, dass die allgemeine Skepsis gegenüber solchen Schilderungen nach wie vor groß ist.
Zwar ist das Thema in unserer Gesellschaft heute deutlich präsenter als im vergangenen Jahrhundert, als es für das, was Betroffene erleben, noch keinen Begriff gab. (Von einer „Nahtoderfahrung“ sprach erstmals in den 1970-er Jahren der US-amerikanische Psychiater und Sterbeforscher Raymond Moody.) Aber wenn jemand beispielsweise in eine Fernseh-Talkshow eingeladen wird, um von seinen Erlebnissen zu erzählen, dann wird ihm meist immer noch die Rolle des „Kasperls“ zugedacht, der es in der Sendung mit einem „Krokodil“ zu tun bekommt, also einem seriösen, streng naturalistisch orientierten Vertreter der Wissenschaft, der dann mit möglichen Erklärungen für die Erlebnisse aufwartet, das heißt mit solchen, die dem materialistischen Weltbild entsprechen.
Ausgeklammert wird in solchen Diskussionen üblicherweise die philosophische Frage, inwieweit sich der Materialismus überhaupt dazu eignet, Bewusstseinserfahrungen zu beschreiben. Denn die Qualitäten des menschlichen Innenlebens – also alles das, was wir bewusst erleben –, sind nicht quantitativ festzumachen. Es gibt keine objektiven Maßeinheiten für Gedanken oder Empfindungen.
Dennoch werden – in den Bildungseinrichtungen und auch von den seriösen Medien – fast ausschließlich materialistische Ansätze zur Erklärung innerer Erlebnisse zugelassen. Irgendwie, auch wenn die Details für eine schlüssige Theorie noch fehlen, sei das allein Gehirn für alles Erlebte verantwortlich. Das geheimnisvolle Neuronenfeuer unter der Schädeldecke wird als einziger Schlüssel zur Erforschung des Bewusstseins akzeptiert. Jeder andere Ansatz, etwa die „Transmissionshypothese“, der zufolge das Gehirn Bewusstsein nicht erzeugt, sondern vermittelt, läuft Gefahr, dem Eintopf des „Esoterik-Geschwurbels“ zugeordnet zu werden.
Ich hoffe, dass Gedanken und Erklärungen, die sich im philosophischen Idealismus (der eben nicht nur die Materie anerkennt) gründen – zum Beispiel im Idealismus von Bernardo Kastrup – künftig doch eingehender diskutiert werden. Denn vielleicht finden sich hier letztlich deutlich plausiblere Erklärungen für außergewöhnliche Bewusstseinserfahrungen.
Und hier verorte ich mich auch selbst: als Anhänger des Idealismus – in der Auffassung, dass der Mensch nicht nur aus seinem Körper besteht.
Eso-Geschwurbel – nein, danke!
Mein Verhältnis zur Esoterik ist indes zwiespältig – und das betrifft alle Aspekte dieses Begriffs.
„Esoterik“ kann aus dem Altgriechischen übersetzt werden mit „dem inneren Bereich zugehörig“, im Gegensatz zur „Exoterik“. Diese umfasst demnach das allgemein zugängliche Wissen, während die Esoterik mit ihrem „inneren“ Wissen einem besonderen Personenkreis vorbehalten ist.
Diese Definition sagt im Grunde nichts Konkretes. Denn während das allgemein zugängliche „exoterische“ Wissen heute als die Summe dessen betrachtet werden kann, was – als Ergebnis des wissenschaftlichen Diskurses – gelehrt und unterrichtet wird, bleiben esoterische Ansätze verschwommen, widersprüchlich und unüberschaubar.
Behauptungen aus dem Bereich der Esoterik entziehen sich oft nicht nur der Beweisbarkeit, sondern erscheinen auch unlogisch, beliebig und pauschalisierend. Sie fördern bisweilen sogar eine problematische Denkhaltung, der zufolge alles möglich und nichts gewiss sei – was Blindgläubigkeit, Fanatismus und Wissenschaftsskepsis fördert und die Bereitschaft erhöht, auch den kruden Rezepten eines Demagogen, „Führers“ oder „Erlösers“ Glauben zu schenken.
Andererseits aber gehören zum Menschsein zweifellos innere, spirituelle und in diesem Sinn esoterische Aspekte.
Der lebende Mensch ist mehr als nur die Summe körperlicher Merkmale, er ist ein spirituelles Wesen mit Intentionen und einem tief verankerten Bedürfnis nach Sinn. Und erst diese Spiritualität drängt ihn dazu, die Welt auch wissenschaftlich zu erforschen.
Sinnvolle Brücken bauen
Ich wünsche mir daher eine Gesellschaft, in der – auch im Sinne von Demokratie und Freiheit – ein klares Ja zu Bildung und Wissenschaft gilt, in der zugleich aber auch dem Bedürfnis nach Spiritualität ausreichend Raum gegeben wird – etwa dadurch, dass die aktuellen Grenzen der materialistischen Weltanschauung anerkannt und respektiert werden.
Außergewöhnliche persönliche Erfahrungen wie etwa Nahtoderlebnisse könnten als Anregung dafür betrachtet werden, weltanschaulich über den Tellerrand zu blicken und idealistische Ansätze zur Frage, was Bewusstsein eigentlich ist, vorurteilsfrei mit in Betracht zu ziehen.
Jedenfalls ist es nicht sinnvoll, die Gräben zwischen der (vermeintlich) objektiven, „sauberen“ wissenschaftlichen Sicht und (vermeintlich) „dümmlichem“ Eso-Geschwurbel noch weiter zu vertiefen.
Brücken sind nötig.
An ihrem Bau im Rahmen meiner journalistischen Möglichkeiten beizutragen – darin sehe ich eine sinnvolle Aufgabe.
Hinweis: Ein ausführlicheres Gespräch zum Thema finden Sie auf „Thanatos TV“:
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Titelbild: KI-geniert via „Photoshop“