Manon
• Oper in fünf Akten von Jules Massenet •
Libretto: Henri Meilhac (1831–1897) & Philippe Gille (1831–1901) •
Musik: Jules Massenet (1842–1912) •
Uraufführung: 19. Januar 1884, Paris (Opera-Comique) •
Dauer: ca. 2,5 Stunden •
1. Akt: Gasthof von Amiens
2. Akt: Wohnung in der Rue Vivienne, Paris
3. Akt: Promenade Cours-la-Reine; Priesterseminar von Saint-Sulpice
4. Akt: Spielsalon im Hotel Transsylvanien
5. Akt: Landstraße nach Le Havre
Hauptpersonen:
Chevalier Des Grieux: Tenor
Manon: Sopran
Lescaut, Leibgardist, Manons Vetter: Bariton
Guillot-Morfontaine, Generalpächter: Tenor
Monsieur De Brétigny: Bariton
Poussette, Manons Freundin: Sopran
Javotte, Manons Freundin: Sopran
Rosette, Manons Freundin: Mezzosopran
Graf Des Grieux: Bass
Kurze Werkeinführung
Die Oper „Manon“ des französischen Opernkomponisten Jules Massenet (1842–1912) entstand nach dem gleichnamigen Roman von Antoine-François Prévost (1697–1763), der unter dem Originaltitel „Histoire du Chevalier Des Grieux et de Manon Lescaut“ im Jahr 1731 veröffentlicht wurde und als literarischer „Bestseller“ seiner Zeit mehrere Komponisten, darunter Daniel-François-Esprit Auber, Jacques-François-Fromental Halévy, Giacomo Puccini und Hans Werner Henze zu musikalischen Werken inspirierte. Den größten Bekanntheitsgrad erreichte wohl Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“, uraufgeführt 1893 in Turin.
Massenets „Manon“ kam allerdings bereits neun Jahre früher auf die Bühne und war schon damals, 1884, ein großer Erfolg. Die Oper zählt bis heute – neben „Werther“ und „Le Cid“ – zu den am häufigsten aufgeführten Werken des Komponisten.
Das Libretto von Henri Meilhac (1831–1897) und Philippe Gille (1831–1901) hält sich genauer an die Romanvorlage als Puccinis „Manon Lescaut“, aber in beiden Opern steht ein lebens- und liebeshungriges Mädchen im Zentrum, das zwischen ihrer Zuneigung zu einem jungen Liebhaber und zu einem alten, aber reichen Verehrer schwankt.
„Manon“ spielt in Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die Handlung
Kurz und gut …
Es ist vielleicht nicht ganz einfach, sich für die Liebe seines Lebens zu entscheiden, wenn man stattdessen auch ein glamouröses Leben als „Königin“ führen könnte. Manon will irgendwie beides und bringt ein und denselben Mann dazu, ins Kloster zu gehen und im Spielsalon für sie zu zocken.
1. Akt: Gasthof von Amiens
In einem Gasthof in der französischen Stadt Amiens, wo die Postkutsche nach Paris Station macht, kehren zwei reiche Männer, Guillot-Morfontaine und Monsieur De Brétigny, mit drei jungen Freundinnen ein: Pousette, Javotte und Rosette.
Während sie bewirtet werden, trifft auch der Soldat Lescaut ein. Er soll hier seine Cousine abholen, die junge Manon, um sie auf ihrem Weg ins Kloster zu begleiten, und er ist überrascht, ein so hübsches Mädchen anzutreffen. Doch vor der geplanten Abreise nimmt Lescaut sich noch Zeit fürs Kartenspielen in einem Nebengebäude.
Manon bleibt im Gasthof sinnend zurück. Von dem für sie vorgesehenen Leben hinter Klostermauern ist sie nicht wirklich überzeugt. Zwar wehrt sie sich brav gegen die Annäherungsversuche von Guillot und De Brétigny, aber der Blick auf deren Damengesellschaft, auf Pousette, Javotte und Rosette erweckt einen in ihr schlummernden Erlebnishunger, den sie zunächst als „eitlen Traum“ abtun will.
Wie doch so schön sind jene Frauen!
Und die Jüngste, sie trug ein gold’nes Halsband doch!
Ach, wie reich und bunt sind die Kleider,
und die Frisuren, ach,
sie machten diese Mädchen reizender noch!
So zeig, Manon, den ernsten Willen,
wirf die eitlen Träume weit von dir!
Sie können niemals sich erfüllen,
stehst du doch vor des Klosters Tür!
Als dann der junge Chevalier Des Grieux den Gasthof betritt, verwirft Manon recht schnell alle Kloster-Pläne. Die beiden verlieben sich unmittelbar ineinander und fassen den Entschluss, gemeinsam nach Paris zu ziehen – und augenblicklich abzureisen, noch ehe Lescaut mit seinem Kartenspiel fertig ist.
Als dieser dann entdeckt, dass seine Cousine verschwunden ist, vermutet er zunächst, dass Guillot oder De Brétigny dahinter stecken, dass sie Manon von der Reise ins Kloster abgebracht und damit „die Familienehre geschändet“ haben könnten.
Doch dann erfährt Lescaut, dass ein anderer junger Mann mit dem Mädchen abgereist ist …
2. Akt: Wohnung in der Rue Vivienne, Paris
Manon und Des Grieux sind in Paris angekommen und leben in der Rue Vivienne. Er ist dabei, seinem Vater einen Brief zu schreiben, in dem er um die Einwilligung zur Hochzeit ersucht. Der Name des Mädchens, dessen Schönheit jeden entzücken müsse, sei Manon. Schwärmerisch beschreibt Des Grieux die Lieblichkeit ihrer Stimme, die Zärtlichkeit ihrer Blicke – und Manon, die den Brief liest, ist entzückt von der Liebe ihres Freundes, der sie zur Frau haben will.
Doch die traute Zweisamkeit wird unterbrochen. Eine Dienerin meldet zwei Besucher: „Einer behauptet, Madames Verwandter zu sein.“
Schnell ist klar, dass Lescaut und De Brétigny vor der Tür stehen, und im Vertrauen flüstert die Dienerin Manon noch zu, dass der andere ein reicher Pächter sei, der nicht weit entfernt wohne und sie liebe.
Das Aufeinandertreffen von Lescaut und Des Grieux verläuft zunächst stürmisch und droht in Gewalttätigkeiten zu kippen. Schließich aber lässt sich Manons Cousin davon überzeugen, dass hinter der „Entführung“ ehrliche Absichten stehen. Vor allem der Brief von Des Grieux beweist, dass hier nicht jemand nur das schnelle Abenteuer sucht.
Während sich die Situation zwischen den beiden Männern langsam entspannt, versucht De Brétigny Manon für sich zu gewinnen. Er bietet ihr Reichtum für ihre Liebe („Sie werden Königin!“) und erzählt ihr zugleich, er wisse, dass Graf Des Grieux veranlasst habe, seinen Sohn aus Paris fortbringen zu lassen. Noch heute Abend werde dieser Befehl ausgeführt.
Manon ist zunächst empört und entschlossen, das zu verhindern. Sie werde ihrem Geliebten vom Vorhaben seines Vaters berichten. Doch De Brétigny gelingt es, ihr das auszureden. Sie würde Des Grieux dadurch nur „elend machen“ und könne die Tatsache ja doch nicht ändern, dass sein Vater diese Beziehung nicht wünsche. Andererseits sei das ihre Gelegenheit für ein Leben in Freiheit, Reichtum und Luxus – an seiner Seite.
Manon, einem glamourösen Leben nicht abgeneigt, schwankt und entschließt sich dann tatsächlich, ihrem Geliebten nichts über die Pläne seines Vaters zu erzählen.
Nachdem Lescaut und De Brétigny sich verabschiedet haben, gestehen Manon und Des Grieux einander nochmals ihre Liebe. Er bringt den Brief an seinen Vater auf den Weg, während Manon über ihre eigene innere Zerrissenheit nachsinnt:
Mein armer Chevalier!
Gewiss, ihn liebe ich allein!
Und warum doch schwank’ ich so sehr?
Nein, nein! … Ich bin seiner nicht würdig mehr!
Ich höre die lockende Stimme,
sie verwirrt meinen Sinn:
Manon! Manon, du wirst durch deine Schönheit
Königin! Ja, Königin!
Des Grieux ist bald wieder zurück – und berichtet Manon von einem wunderschönen Tagtraum, den er soeben gehabt habe, von einem paradiesischen Leben mit ihr an seiner Seite:
Ich schloss die Augen, und ich sah
eine einfache Hütte
in des Waldes Mitte, weiß und freundlich
stand sie da!
Es herrschte Dunkel und Stille;
in einer Quelle kühl und rein
spiegelt sich der Blätter Fülle,
und es singen Vögelein.
’s wär’ das Paradies!
Doch nein! Alles schaut so grämlich trübe,
das Beste fehlt’, wenn ich bliebe,
könnt’s nur mit Manon sein!
„Das sind Träume, die entschweben!“, kommentiert Manon traurig – und als es an der Tür klopft, weiß sie, was nun passieren wird. Der unwissende Des Grieux umarmt sie kurz, um den unerwünschten Besucher abzuweisen, dann hört Manon nur noch „den Lärm von Ringenden“ und „das Rollen einer Kutsche“, in der ihr Geliebten weggebracht wird.
3. Akt: Promenade Cours-la-Reine
Auf dem dem Cours-la-Reine, einer Promenade in Paris, ist ein Volksfest im Gange, Musik und Tanz. Auch Pousette, Javotte und Rosette sowie Lescaut und Guillot haben sich unter die Menge gemischt.
Als Manon, begleitet von De Brétigny und mehreren jungen Edelleuten, aus einer Kutsche steigt, erregt ihre Schönheit größte Aufmerksamkeit – und sie genießt den Auftritt. Sie hat sich zu einem sorglosen Leben an der Seite des reichen Monsieur entschieden und versucht, die „Liebesglut“, die sie mit Des Grieux erlebt hatte, zu vergessen.
Ich bin gut, das wird man wohl glauben;
mir bewundernd zu nah’n, will ich gnädig erlauben!
Ja, überall bin ich bekannt,
mein Reiz, der das Szepter führet,
vor mir beugt man sich, küsst meine Hand,
meine Schönheit allein, sie regieret!
Königin bin ich!
Ein sorglos’ Dasein ist mir beschieden,
nicht frag’ ich nach Liebesglut,
die Mächtigen ziehen vor mir den Hut,
ich bin die Schönste, ich bin zufrieden!
Monsieur de Brétigny erblickt in der Menschenmenge einen alten Bekannten – den Grafen Des Grieux. Manon bekommt mit, dass die beiden Männer von ihrem ehemaligen Geliebten sprechen. Sein Sohn, berichtet der Graf, sei entschlossen, ein Geistlicher zu werden. Er lebe jetzt im Priesterseminar von Saint-Sulpice, man müsse also vom Abbé Des Grieux sprechen.
Manon entschließt sich, den Grafen nach dem Befinden seines Sohnes zu fragen und erfährt, dass er „im Stillen viele Tränen vergossen“, sich dann aber entschieden habe, seine Geliebte zu vergessen …
Manon zu Ehren beginnt nun eine öffentliche Vorstellung des Balletts der Pariser Oper – De Brétigny hat zu Ehren der „Prinzessin“ an seiner Seite für diese kleine Sensation gesorgt.
Doch Manons Gedanken weilen bei Des Grieux. Er kann sie doch unmöglich wirklich vergessen haben!
Als sie ihren Cousin Lescaut erblickt, bittet sie ihn spontan, er möge sie nach Saint-Sulpice bringen …
Priesterseminar von Saint-Sulpice
In einer Kapelle von Saint-Sulpice hat Des Grieux gerade eine überaus wirkungsvolle Predigt gehalten und damit sowohl die vornehme Damenwelt beeindruckt als auch seinen Vater. Doch der Graf ist noch nicht davon überzeugt, dass es für seinen Sohn der richtige Weg ist, sich „auf ewig dem Himmel“ zu weihen. Er wisse noch so wenig vom Leben, könnte sich „ein ehrsames Mädchen zur Frau“ nehmen und als Vater im Kreis seiner Familie leben …
Des Grieux, der immer noch darum ringt, Manon zu vergessen, bleibt aber entschlossen, diesen Weg zu gehen: „Nichts kann mich abhalten, das Gelübde zu tun!“
Also zeigt sich der Graf schließlich einverstanden und verspricht seinem Sohn, ihm zur finanziellen Unterstützung „noch heute dreissigtausend Livres“ zu schicken.
Des Grieux bleibt allein zurück, bereitet sich auf die Priesterweihe vor und hofft, die Erinnerung an Manon auf diesem Weg besiegen zu können:
Mein Los soll sich entscheiden!
Nichts will ich teuer nennen
als die heil’ge Ruh, die der Glaube gewährt!
Mein Herz soll die Welt nicht mehr kennen,
nur Gott allein, den es verehrt!
Flieh, ach, flieh, holdes Bild, mit den Wonnen und Qualen;
achte nun meine Ruh’, als schwer errung’nes Gut,
und bedenk’, wenn ich trank aus ach! so bitt’ren Schalen,
dass mein Herz sie gefüllt mit seinem heißen Blut.
Inzwischen hat Manon sich Einlass ins Priesterseminar erbeten. Sie begegnet nun dem völlig überraschten Des Grieux. Der will sich auf ein Gespräch mit der „Treulosen“ zunächst nicht einlassen; der „schöne Traum“ sei endgültig vorbei.
Doch Manon lässt sich nicht abschütteln. Sie versichert Des Grieux, künftig nicht mehr ohne ihn leben zu können („Dir zu Füssen sterbe ich. Wenn du willst, dass ich lebe, gib mir deine Liebe wieder!“), ihn zu lieben! Schließlich, als es zum Gebet läutet, will sie ihn nicht mehr gehen lassen –
und Des Grieux gibt ihr nach:
Und sollten Erd’ und Himmel auch erbeben,
nicht länger will ich kämpfen gegen mich!
In deinem Herzen liegt, in deinem Blick mein
Leben!
Ach! Komm! Manon! Ich liebe dich!
4. Akt: Spielsalon im Hotel Transsylvanien
Manon und Des Grieux sind nun wieder ein Paar – und ihr Bedürfnis nach einem glamourösen Leben kommt den Chevalier teuer zu stehen. Er hat all sein Geld für sie bereits ausgegeben, und nun wünscht sich Manon, dass er, der noch nie gespielt hat, hier, im großen Spielsalon des Hotels Transsylvanien, sein Glück versucht.
Auch Pousette, Javotte und Rosette sind anwesend, und ebenso Guillot und Lescaut, der – selbst ein passionierter Spieler – Des Grieux dazu ermuntert, es auch einmal zu versuchen. Das Glück sei ihm sicher hold.
Schließlich setzt sich Des Grieux tatsächlich an den Spieltisch. Denn Guillot hat ihn herausgefordert. Er, der schon immer ein Auge auf Manon geworfen hatte, ist davon überzeugt, ihren Liebhaber wenigstens im Spiel zu bezwingen.
Aber es kommt anders. Des Grieux, von Manons zunehmend euphorischen Liebesbeteuerungen inspiriert, hat keine Skrupel, im Spiel aufs Ganze zu gehen – und gewinnt wieder und wieder, während Guillot große Geldsummen verliert – bis er schließlich voller Zorn den Spieltisch verlässt.
Kurz danach kommt er in Begleitung der Polizei und des Grafen Des Grieux zurück und bezichtigt dessen Sohn des Falschspiels. Die Situation eskaliert – und der Graf, der sich mit der neu entflammten Liebe seines Sohnes zu Manon nicht abfinden will, stellt sich gegen die beiden:
Ich kam, dich der Schmach zu entreißen,
auch dein Fleh’n kann nicht anders
entscheiden;
kein Mitleid mehr!
Nein! Kein Mitleid mehr!
Für unsre Ehre wache ich!
Manon und Des Grieux werden abgeführt – er mit der Aussicht, später wieder frei zu kommen, sie, um als Komplizin eines Falschspielers im Frauengefängnis zu landen. Der allgemeine Ruf nach Gnade und Mitleid verhallt …
5. Akt: Landstraße nach Le Havre
Manon ist im Gefängnis schwer erkrankt und zur Deportation verurteilt worden.
Auf der Landstraße nach Le Havre wartet Des Grieux auf den Zug der verurteilten Mädchen. Gemeinsam mit Lescaut hat er geplant, Manon zu befreien und zu diesem Zweck Leute angeheuert.
Doch Lescaut bringt schlechte Nachrichten: Die Männer stünden nicht mehr zur Verfügung, die Feigen seien angesichts der bewaffneten Soldaten, die den Zug begleiten, geflohen.
Des Grieux ist verzweifelt. Immerhin aber gelingt es Lescaut, den verantwortlichen Sergeanten zu bestechen. Manon wird also für kurze Zeit, bewacht von nur einem Soldaten, frei kommen und Des Grieux wiedersehen können.
Die Begegnung der beiden wird zum Abschied für immer: Des Grieux muss erkennen, dass Manon bereits am Ende ihrer Kräfte ist. Sie bittet ihn um Vergebung:
Nur bestrebt, nach der Torheit zu jagen,
leicht und flatterhaft war ich,
deine Lieb’ für mich lohnt’
ich mit Undank!
Ich verabscheue mich mit aller Glut,
denke ich an unsre Lieb’, deren Tod ich verschuldet.
Ach, nimmer kann bezahlen ich mit meinem Blut
nur die Hälfte der Schmerzen, die ich verschuldet!
Verzeihe mir! Ach! Verzeihe mir!
Des Grieux vergibt seiner Geliebten von Herzen gern. Die beiden erinnern sich an ihre glücklichen Momente, an die schöne gemeinsame Zeit – bis Manon in in seinen Armen stirbt.
„Des Grieux stößt einen erschütternden Schrei aus und bricht über Manons Leiche zusammen.“
Hinweise:
Alle Textzitate aus der deutschen Übersetzung des Opernlibrettos lt. „Opera Guide“
Titelbild: Kristina Mkhitaryan (Manon) und Vittorio Grigolo (Des Grieux) in einer Aufführung der Wiener Staatsoper, 2024 (© Wiener Staatsoper, Michael Pöhn)