27. April 2024

„Ohne Eigennutz verzeih’n, ist nur der großen Seelen Sache.“

Die Entführung aus dem Serail

Oper in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart

Libretto: Johann Gottlieb Stephanie d. J. (1741–1800)
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Uraufführung: 16. Juli 1782, Wien (Burgtheater)
Dauer: ca. 2,5 Stunden

1. Akt: Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meeres
2. Akt: Garten von Bassa Selims Palast
3. Akt: Platz vor dem Palast des Bassa Selim; Saal im Palast des Bassa

Hauptpersonen:
Konstanze,
eine junge Spanierin, Geliebte des Belmonte: Sopran
Belmonte, ein spanischer Edelmann: Tenor
Blonde, englische Zofe der Konstanze: Sopran
Pedrillo, Aufseher über die Gärten des Bassa: Tenor
Osmin, Aufseher über den Palast des Bassa: Bass
Bassa Selim (Sprechrolle)

Kurze Werkeinführung

Die am 16. Juli 1782 uraufgeführte „Entführung aus dem Serail“ entstand im Auftrag von Kaiser Joseph II. und gilt das das erste reife Meisterwerk unter den Opern von Wolfgang Amadeus Mozart. Zugleich ist sie eine der ersten bedeutenden deutschen Opern. Der Kaiser wollte ein „Nationalsingspiel“ als Gegenstück zur italienischen Hofoper schaffen lassen – erfolgreich!

Bereits die Uraufführung im Wiener Burgtheater kam sehr gut an, und „die Entführung“ steht bis heute auf den Spielplänen aller großen Opernhäuser.

Die Textdichtung für Mozart verfasste der österreichische Schauspieler und Librettist Johann Gottlieb Stephanie d. J. (1741–1800). Die Handlung der Oper spielt im 16. Jahrhundert an der türkischen Küste. Dort hat Bassa (Pascha) Selim, ein gebürtiger Spanier, seinen Palast und Regierungssitz. 

In diesem „Serail“ leben eine junge Spanierin, Konstanze, ihre englische Zofe Blonde und deren Freund Pedrillo, der nun Gartenaufseher für Selim ist. Während einer Schifffahrt waren die drei von Seeräubern überfallen und auf einem Sklavenmarkt verkauft worden. Selim hatte sie gekauft und gewährt ihnen ein den Umständen entsprechend gutes Leben. Der Bassa ist selbst, wie Konstanze, in Spanien geboren.

Auf dem Schiff hatte sich auch Konstanzes Geliebter befunden, Belmonte, ein spanischer Edelmann, der durch den Überfall der Seeräuber von ihr getrennt worden war. Lange hatte er nach den Vermissten gesucht – bis er endlich einen Brief von Pedrillo erhielt. Jetzt weiß Belmonte, wo sich die drei befinden, und er ist unterwegs zur türkischen Küste, um die Entführten aus dem Serail zu befreien …

Die Handlung

Kurz und gut …
Was macht ein mächtiger Pascha mit einem Gefangenen, den er als den Sohn seines größten Feindes erkennt, der ihm seine zukünftige Frau entführen wollte und sich als falscher Baumeister in seinen Palast geschlichen hat? Er läßt ihn frei (sofern er eine wirklich „große Seele“ ist).


1. Akt: Platz vor dem Palast des Bassa am Ufer des Meeres

Belmonte ist an der türkischen Küste angekommen. Der junge spanische Edelmann sieht den Palast vor sich, in dem er Konstanze und die beiden anderen Vermissten vermutet („Hier soll ich dich dann sehen, Konstanze! Dich, mein Glück!“). Er weiß aber noch nicht, wie es ihm gelingen soll, sich Eintritt zu verschaffen.

Osmin, ein alter Diener Selims, der im Garten beschäftigt ist, ignoriert Belmonte. Er ist an Fremden nicht interessiert („Solche hergelaufne Laffen, die nur nach den Weibern gaffen, mag ich … nicht.“). Ihm reicht es schon, Pedrillo mit seinem „Galgengesicht“ um sich dulden zu müssen, und er lässt den Spanier seine Abneigung bei jeder Gelegenheit spüren.

Wenig später aber hat Belmonte doch Glück: Vor dem Palast trifft er auf Pedrillo, der in seinen Diensten steht und ihm in einem Brief den Aufenthaltsort aller Vermissten mitgeteilt hatte. Die Männer sind nun fest entschlossen, die beiden Frauen zu befreien. Belmonte kann es kaum erwarten, seine Geliebte wieder zu sehen:

Konstanze! dich wieder zu sehen – –
O wie ängstlich, o wie feurig
Klopft mein liebevolles Herz!
Und des Wiedersehens Zähre
Lohnt der Trennung bangen Schmerz.

An der Küste landet nun Selim mit seinem „Lustschiff“, umgeben von den Janitscharen, seiner treuen Leibgarde („Singt dem Bassa große Lieder“). Der Herrschaft hat sich in Konstanze verliebt, aber er wirbt vergeblich um sie. Stets findet er sie in großer Trauer, obwohl er ihr mehr Freiheiten als allen anderen Frauen gewährt und obwohl er großmütig darauf verzichtet, sie sich zu Diensten zu zwingen.

Selim will nun wissen, was das Gemüt dieser jungen Frau so sehr trübt, weshalb sie seine „zärtliche Liebe“ nicht erwidert. Und Konstanze gesteht, dass ihr Herz einem anderen gehört, den sie trotz der Trennung nicht vergessen kann.

Ach, ich liebte,
War so glücklich,
Kannte nicht der Liebe Schmerz!
Schwur ihm Treue
Dem Geliebten,
Gab dahin mein ganzes Herz:
Doch wie bald schwand meine Freude,
Trennung war mein banges Loos;
Und nun schwimmt mein Aug’ in Tränen,
Kummer ruht in meinem Schoß.

Konstanzes Geständnis erzürnt Selim, zugleich aber ist er beeindruckt von ihrer Treue. Sie bekräftigt ihre Bereitschaft, dem Bassa treu als Sklavin zu dienen, doch dürfe er nicht ihre Liebe erwarten.

Selim ist das zu wenig. Er rät Konstanze dringend, seine Güte nicht zu missbrauchen, will ihr aber doch noch einen Tag Zeit geben, um ihren Schmerz zu vergessen.

Indes hat Pedrillo gemeinsam mit Belmonte den Weg zum Bassa gefunden. Er stellt Selim den Fremden als höchst begabten Baumeister vor, der dem Herrscher seine Dienste anbieten wolle – und dieser ist bereit, Belmonte Gelegenheit zu geben, sein Können zu beweisen. Er werde ihn morgen wieder rufen lassen. 

Die beiden Männer jubeln. Damit ist der Weg in den Palast frei! 

Dem argwöhnischen Osmin gefällt es jedoch gar nicht, dass er diesen Fremden durch die Tür lassen soll. Er stellt sich Belmonte und Pedrillo in den Weg („Marsch! Trollt euch fort!“). Doch die beiden stoßen ihn kurz entschlossen beiseite und betreten den Palast.

2. Akt: Garten von Bassa Selims Palast

Auch Blonde, Konstanzes Zofe, hat mit unerwünschten Annäherungsversuchen zu tun. Sie liebt Pedrillo, muss sich aber immer wieder gegen Osmins Begehrlichkeiten durchsetzen. Europäischen Mädchen, macht sie ihm klar, habe er anders zu begegnen als türkischen Sklavinnen:

Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln,
Gefälligkeit und Scherzen,
Erobert man die Herzen
Der guten Mädchen leicht:
Doch mürrisches Befehlen
Und Poltern, Zanken, Plagen
Macht, dass in wenig Tagen
So Lieb’ als Treu entweicht.

Nachdem Blonde ihn entschlossen von sich stößt, gibt Osmin seine plumpen Annäherungsversuche auf und zieht sich zurück.

Konstanze sieht indes keine Hoffnung mehr für sich, ihrem Schicksal zu entkommen. Blonde versucht sie zu trösten, aber schon sucht Selim sie auf. Der Tag, den er ihr noch Zeit gegeben habe, sei bald verstrichen. Sie müsse sich nun für ihn entscheiden oder sie werde seine Macht zu spüren bekommen. 

Konstanze lässt sich von dem Herrscher jedoch nicht einschüchtern. Offen gesteht sie dem Bassa, dass sie ihn niemals lieben werde. Ihr Herz gehöre einem anderen, und dem werde sie treu bleiben.

Martern aller Arten
Mögen meiner warten,
Ich verlache Qual und Pein.
Nichts soll mich erschüttern,
Nur dann würd’ ich zittern,
Wenn ich untreu könnte sein.

Bassa Selim ist von Konstanzes Mut beeindruckt, vermutet aber, dass sie im Stillen immer noch meint, aus seinem Palast entkommen zu können. Er ist fest entschlossen, das zu verhindern.

Indes berichtet Pedrillo seiner Geliebten, dass Belmonte bereits im Palast ist. Man bereite die gemeinsame Flucht vor. Um Mitternacht würden Leitern an die Fenster gelehnt, über die der Weg in die Freiheit offen stehe; Osmin werde mit einem Schlaftrunk außer Gefecht gesetzt sein.

Blonde jubelt („Welche Wonne, welche Lust herrscht nunmehr in meiner Brust!“) und eilt sofort zu Konstanze, um ihr die frohe Botschaft von der bevorstehenden Rettung zu überbringen. 

Pedrillo schreitet indes zur Tat und macht Osmin mit einer Flasche Wein betrunken („Vivat Bacchus! Bacchus lebe!“).

Schließlich tut auch der Schlaftrunk seine Wirkung, so dass Belmonte seine geliebte Konstanze tatsächlich endlich wieder in die Arme schließen kann („Wenn der Freude Tränen fließen“). Zu seiner Freude versichert sie ihm, auch in der Zeit ihrer Gefangenschaft immer treu geblieben zu sein.

Um Mitternacht wollen die beiden Paare nun gemeinsam aus dem Plast fliehen.

3. Akt: Platz vor dem Palast des Bassa Selim

Es ist Mitternacht. Klaas, ein Vertrauter Pedrillos, bringt die Leitern herbei, und zunächst scheint alles zu gelingen: Belmonte kann mit Konstanze aus dem Palast fliehen. Doch als Pedrillo den beiden gemeinsam mit seiner Geliebten Blonde folgen will, wird er von Osmin und einem seiner Vertrauten entdeckt. 

Sofort werden Wachen gerufen, und bald danach sind alle vier gefasst. 

Der Fluchtplan ist missglückt – und Osmin frohlockt. Er freut sich schon auf die Hinrichtung der Fremden, die ihm immer ein Dorn im Auge waren:

O! wie will ich triumphieren!
Wenn sie euch zum Richtplatz führen
Und die Hälse schnüren zu;
Hüpfen will ich, lachen, springen
Und ein Freudenliedchen singen
Denn nun hab’ ich vor euch Ruh.

Saal im Palast des Bassa

Osmin berichtet dem Bassa stolz von der soeben vereitelten Flucht. Pedrillo sei ein schändlicher Verräter, und der große Baumeister, der sich an seiner Seite Zugang zum Palast verschaffte, habe Konstanze entführen wollen.

Selim lässt sich die Gefassten vorführen und verurteilt die Frau seiner Träume als heuchlerische Sirene. Konstanze zeigt sich bereit, selbst zu sterben, bittet aber um Gnade für das Leben ihres Geliebten. Belmonte sei der Mann, dem schon lange ihr Herz gehöre.

Als dieser dem Bassa nun Geld anbietet – er stamme aus einer großen spanischen Familie, die für seine und Konstanzes Freiheit jedes Summe zahlen werde –, wird der Herrscher hellhörig. Und bald stellt sich heraus, dass Belmontes Vater der größte Feind des Bassa ist. Seinetwegen habe er einst Spanien verlassen müssen, seinetwegen habe er sein Vermögen, auch seine Geliebte, sein ganzes Glück verloren. „Und dieses Mannes einzigen Sohn habe ich nun in meiner Gewalt! Sage er an meiner Stelle, was würde er tun?“, fragt der Bassa Belmonte.

„Mein Schicksal würde zu beklagen sein“, antwortet dieser. Selim stimmt ihm zu und befiehlt Osmin, ihm zu folgen: „Ich will dir Befehle zu ihren Martern geben!“

Während Bassas Abwesenheit nehmen Belmonte und Konstanze Abschied voneinander – und vom Leben („Welch ein Geschick! O Qual der Seele“). 

Bald darauf werden auch Pedrillo und Blonde hereingeführt, um das Urteil des Herrschers zu vernehmen. „Im Vorbeigehen“ hat Pedrillo bereits von der Strafe gehört, die ihn erwartet: Er „soll in Öl gesotten und dann gespießt werden“. Nun bangt er um seine Geliebte. Welche Qualen wohl für sie bereitstehen? Blonde sieht ihrem Schicksal jedenfalls tapfer entgegen.

Schließlich tritt der Herrscher auf – an seiner Seite Osmin, der sich auf die Hinrichtungen sichtlich freut, und dessen Gefolge.

„Zitterst Du?“, fragt Bassa Selim Belmonte. „Erwartest du dein Urteil?“

„Ja“, gibt der Gefangene zu. „Kühle deine Rache an mir, tilge das Unrecht, so mein Vater dir angetan; ich erwarte alles und tadle dich nicht.“

Dann aber verkündet Bassa Selim völlig unerwartet die Freilassung der Gefangenen: „Ich habe deinen Vater viel zu sehr verabscheut, als dass ich je in seine Fußstapfen treten könnte. Nimm deine Freiheit, nimm Konstanze, segle in dein Vaterland, sage deinem Vater, dass du in meiner Gewalt warst, dass ich dich frei gelassen, um ihm sagen zu können, es wäre ein weit größeres Vergnügen, eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als Laster mit Lastern tilgen.“

Und verächtlich fügt der Bassa hinzu: „Zieh damit hin und werde du wenigstens menschlicher als dein Vater, so ist meine Handlung belohnt.“

Osmin ist entsetzt darüber, dass sein Herr so unerwartet Gnade walten lässt – und sogar „seine“ Blonde den Palast verlassen darf („Gift und Dolch! Ich möchte bersten!“).

Belmonte aber nimmt völlig überrascht den „Passport“ für alle entgegen. Es bleibt ihm nur, dem Herrscher von Herzen zu danken:

Nie werd’ ich deine Huld verkennen,
Mein Dank bleibt ewig dir geweiht!
An jedem Ort, zu jeder Zeit
Werd’ ich dich groß und edel nennen.

Konstanze, Pedrillo und Blonde stimmen in Belmontes Dank ein und werden von Wachen zu ihrem Schiff geleitet. Und mit Ausnahme von Osmin haben offenbar alle etwas gelernt:

Nichts ist so häßlich als die Rache;
Hingegen menschlich, gütig sein;
Und ohne Eigennutz verzeih’n,
Ist nur der großen Seelen Sache.

 

Hinweise:
Alle Zitate aus dem Libretto (lt. Opera Guide)
Foto: „Die Entführung aus dem Serail“ in einer Aufführung der Opéra de Lyon, 2017 (Quelle: obs/3sat/ZDF/Stofleth)