Steven Soderberghs Justizdrama „Erin Brockovich“ •
Es ist nicht die beste Phase im Leben der Erin Brockovich (Julia Roberts). Die alleinerziehende Mutter dreier Kinder hat zwei gescheiterte Ehen hinter sich und keinen Erfolg bei der Suche nach einem neuen Job. Dass sie als „Miss Wichita“ ein Jahr lang ihre Schönheit und ihre verbale Schlagfertigkeit vermarkten konnte, ist schon gut 10 Jahre her und bestenfalls noch ein paar angenehme Erinnerungen wert. Und jetzt wird sie auch noch bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt und muss sich, um die Behandlungskosten zu bezahlen, hoch verschulden.
Unterstützt durch ihren Rechtsanwalt Ed Masry (Albert Finney) hofft Erin Brockovich, wenigstens den Schadensersatz-Prozess gegen den Lenker des Fahrzeugs zu gewinnen, ihres gerammt hatte. Doch dann fühlt sie sich vor Gericht von dessen Anwalt provoziert, wird ausfällig – und verliert.
In ihrer Not bedrängt sie Masry, sie als Kanzleigehilfin einzustellen. Nach einigem Zögern sagt er zu, und bald ist Erin mit den Unterlagen zu einem strittigen Immobiliengeschäft befasst: Der Konzern „Pacific Gas & Electric“ (PG&E) will das Grundstück von Donna Jensen (Marg Helgenberger) samt Haus wegen eines Straßenprojekts kaufen, bietet ihr dafür aber nur wenig Geld. Jedoch erregt nicht dieser Aspekt Erin Brockovichs Aufmerksamkeit, sondern die Tatsache, dass die Akte zu dem Fall auch zahlreiche medizinische Dokumente enthält.
Also besucht sie Donna Jensen und erfährt, dass sich ihre Familie von schweren Erkrankungen betroffen ist. Und bald wird klar, dass es zahlreichen weiteren Menschen in der Umgebung ähnlich ergeht.
Erin Brockovich kommt einem Umweltskandal von enormem Ausmaß auf die Spur: Aus einem Werk von „PG&E“ gelangte über Jahre das extrem gefährliche Chrom(IV) ins Grundwasser – und zwar in einer Konzentration, die enorme gesundheitliche Schäden verursacht. Das Problem wurde bewusst vertuscht.
Für Ed Masry wird der Fall zur Gewissensfrage: Ein Prozess gegen das milliardenschwere Unternehmen könnte sich über Jahre hinziehen und für seine Kanzlei den finanziellen Ruin bedeuten. Schließlich aber entschließt er sich dazu, dem Drängen seiner Kanzleigehilfin zu folgen. Gemeinsam mit einem in Umweltfragen erfahrenen Rechtsanwalt als Partner bereitet er eine Sammelklage vor. Erin Brockovich gelingt es, dafür 634 Unterschriften zu sammeln. Von der Verseuchung waren Hunderte betroffen!
Am Ende wird „PG&E“ in einem Schiedsgerichtprozess zur Zahlung von 333 Millionen Dollar Schadensersatz an die geschädigten Einwohner verurteilt – der höchste Betrag, der in den USA in einem solchen Fall jemals von einem Unternehmen ausbezahlt werden musste. –
Steven Soderberghs Justiz-Drama „Erin Brockovich“ beruht auf waren Ereignissen. Die Geschichte der engagierten US-amerikanischen Rechtsanwaltsgehilfen ist an sich schon einzigartig und sehenswert. Aber dem Regisseur gelingt es außerdem, sie in äußerst ansprechender Form zu präsentieren. Anfangs mag man sogar den Eindruck haben, in eine romantische Komödie geraten zu sein, denn Erins private Situation und die Entwicklung ihrer Beziehung mit dem neuen Nachbarn George (Aaron Eckhart) nehmen viel (aber nicht zu viel) Raum ein. Und die gut zugespitzten Dialoge (Drehbuch: Susannah Grant) verleihen dem Film einen humoristischen Grundton, ohne aber die Spannung zu lindern oder die Tragik der Ereignisse zu banalisieren.
Das gute Einvernehmen des Filmteams mit der „wirklichen“ Erin Brockovich und dem „echten“ Ed Masry dokumentiert eine nette Szene, in der die beiden als Kellnerin beziehungsweise Restaurantgast zu sehen sind. Erin Brockovich trägt dabei ein Namensschild mit der Aufschrift „Julia“.
Ein kleines Stück Filmgeschichte schrieb Steven Soderbergh übrigens auch mit der Inszenierung des Autounfalls, der am Handlungsbeginn steht. Er vermittelt den Eindruck, dass die Szene, in der Julia Roberts ihr Auto besteigt, losfährt und schließlich auf einer Kreuzung brutal gerammt wird, ohne Schnitt aufgenommen wurde. Das sorgt für einen besonders überraschenden Moment.
„Erin Brockovich“ erhielt zahlreiche Filmpreise und -nominierungen und zählt zu den Filmen, die sowohl ein großer Publikumserfolg waren als auch von der Kritik sehr gut bewertet wurden. Julia Roberts wurde für ihre Darstellung der Rechtsanwaltsgehilfen mit dem Oscar ausgezeichnet.
(1999, 130 Minuten)