Lohengrin
• Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner •
Libretto: Richard Wagner (1813–1883) •
Musik: Richard Wagner (1813–1883) •
Uraufführung: 28. August 1850, Weimar •
Dauer: ca. 3,5 Stunden, zwei Pausen
Aufzüge:
1. Antwerpen, 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts, eine Aue am Ufer der Schelde
2. In der Burg von Antwerpen
3. Das Brautgemach; eine Aue am Ufer der Schelde
Hauptpersonen:
Lohengrin, ein Gralsritter: Tenor
Elsa von Brabant: Sopran
Heinrich der Vogler, deutscher König: Bass
Friedrich von Telramund, brabantischer Graf: Bariton
Ortrud, Graf Telramunds Gemahlin: Mezzosopran
Heerrufer des Königs: Bass
Gottfried, Elsas Bruder (stumme Rolle)
Kurze Werkeinführung
Die Legende um den Heiligen Gral, um etwas geheimnisumwoben Hoheitsvolles, hatte es Richard Wagner angetan. Wenngleich die Urgründe dieser Sage geschichtlich schwer auszumachen sind, lässt sie sich literarisch auf Wolfram von Eschenbach zurückführen, der um 1205 sein Epos „Parzivǎl“ schrieb, einen inhaltlich und in seinem Umfang außergewöhnlichen Ritterroman, der sich nicht in Kämpfen und weltlichen Abenteuern erschöpft, sondern auch das Ringen um (innere) Entwicklung und Erlösung thematisiert.
Ein idealer Stoff für den Dichterkomponisten Wagner, der Wolfram von Eschenbach schon in seinem Bühnenwerk „Tannhäuser“ (1845 uraufgeführt) auftreten ließ, sich mit der darauf folgenden Oper „Lohengrin“ (1850 uraufgeführt) tiefer in die Thematik begab und zuletzt mit seinem krönenden Lebensabschluss-Werk „Parsifal“ (1882 uraufgeführt) selbst eine bemerkenswerte Neuinterpretation der alten Grals-Legende schuf.
Im Wagnerschen Mythen-Universum, das zwar von Legenden und historischen Begebenheiten inspiriert ist, aber dennoch ein eigenständiges „Raum-Zeit-Gefüge“ entwirft, ist Lohengrin der Sohn des Gralskönigs Parsifal, der in der fernen Burg Montsalvat residiert.
Lohengrin erscheint als „strahlender Schwanenritter“ im Herzogtum Brabant, um einer bedrängten, heiratswilligen jungen Frau und Reichserbin – Elsa – aus der Patsche zu helfen. Sie ist des Brudermordes angeklagt, aber unschuldig.
Allerdings darf niemand von Lohengrins Herkunft wissen. Nicht einmal nach ihrem werten Namen darf die edle Gestalt gefragt werden. Wenn es doch jemand wagt, muss der Gralsritter, so will es die Vorsehung, die unwürdige Gesellschaft wieder sich selbst überlassen.
Dass sich daraus Konflikte ergeben, liegt nahe. Die einen sind entzückt von Lohengrins überirdischer Erscheinung, die sie ohne weiteres an einen Gottgesandten glauben lässt. Die anderen vermuten einen bösen Zauber hinter der Lichtgestalt. Und Elsa, die sich dem rettenden Ritter als Eheweib zueignen will, steht – zwischen Glauben und Zweifel hin- und hergerissen – dazwischen. Letztlich führt ihre Neugier in die Katastrophe: Noch im Brautgemach, noch bevor der Ehealltag sie dazu drängt, ihren Mann mit dem vom König verordneten Zuruf „Schützer von Brabant“ (oder, wie wir uns vorstellen könnten, statt „Schützer“ einfach mit „Schatzi“) zum gemeinsamen Mahl zu bitten, stellt Elsa die verbotene Frage …
Zeitlich angesiedelt ist „Lohengrin“ in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts. König Heinrich I. kommt ins Herzogtum Brabant (dieses historische Gebiet bestand aus den belgischen Provinzen Antwerpen und Brabant sowie der niederländischen Provinz Nordbrabant), um hier zum Kriegsdienst aufzurufen: Denn nach einer neunjährigen Friedensfrist bedrohen die Ungarn nun wieder das Land – und denen gilt es zu zeigen, wer im Deutschen Reich das Sagen hat.
Vor Ort muss der König allerdings erfahren, dass Brabant führerlos ist.
Der alte Herzog ist tot, und mit seiner Nachfolge gibt es ernste Probleme. Seine beiden Kinder, Elsa und Gottfried, hatte er der Vormundschaft des Grafen Friedrich von Telramund überantwortet. Nun aber ist Gottfried spurlos verschwunden. Er war eines schönen Tages mit seiner Schwester in den Wald spaziert, und Elsa kehrte ohne ihn zurück.
Dem Wunsch ihres Vaters, Friedrich von Telramund zu heiraten, war Elsa nicht gefolgt. Sie hatte den Grafen abgewiesen – und wird von ihm nun angeklagt, ihren Bruder ermordet zu haben, weil sie dadurch selbst an die Macht kommen wolle …
Vor diesem Hintergrund beginnt „Lohengrin“, ein frühes Meisterwerk Richard Wagners, das seit der Uraufführung 1850 zu den international am häufigsten gespielten Opern gehört.
Es eignet sich sehr gut als relativ leichter Einstieg in das Wagner-Universum. In eine Welt, in der musikdramatische Offenbarungen in stiller Andacht und höchster Begeisterung willkommen geheißen werden sollten … ohne Vorbehalte, ohne Zweifel, ohne Fragen. Wie Lohengrin.
Die Handlung
Kurz und gut …
Manche Frauen finden es unerträglich, den Namen ihres Ehemanns nicht zu kennen.
1. Aufzug: Eine Aue am Ufer der Schelde in Antwerpen
König Heinrich der Vogler ist nach Brabant gekommen. Er hat, umgeben von Grafen, Edelleuten und dem Volk, unter einer mächtigen alten Eiche Platz genommen und ruft zum Kampf gegen die Ungarn auf. Die Nachfolge-Streitigkeiten unter den Brabantern, von denen er hören musste, will der König rasch beenden. Deshalb bittet er Friedrich von Telramund, den er als tugendhaften Mann kennt und schätzt, ihm zu berichten, was vorgefallen sei.
Friedrich erzählt, dass der verstorbene Herzog ihm seine beiden Kinder, Elsa und Gottfried, anvertraut habe. Gottfried habe eine „große Jugend“ gehabt und sei „das Kleinod seiner Ehre“ gewesen. Eines Tages aber habe Elsa den Knaben in den Wald geführt – und sei ohne ihn wieder gekommen. Er habe ihre „falsche Sorge“, mit dem sie selbst nach dem Verbleib des Bruders fragte, durchschaut und sie drohend zur Rede gestellt. Und Elsas „bleiches Zagen und Erbeben“ sei Beweis genug für ihre Schuld gewesen: Kein Zweifel, sie habe ihren Bruder ermordet, um das Land mit einem geheimen Liebhaber regieren zu können. Elsa, so befindet Friedrich, sei eitel und „traumselig“. Dem „Recht auf ihre Hand“, das ihm vom Herzog zugesichert worden war, habe er deshalb gern entsagt. Nun sei Ortrud – diese tritt vor und verneigt sich artig vor dem König – die Frau an seiner Seite.
Der König und das Volk sind entsetzt über diese schwere Anklage gegen die Tochter des verstorbenen Herzogs. Aber alle kennen Friedrich von Telramund und schätzen ihn als ehrenhaften Mann. Unmöglich, dass er lügt!
Aber Heinrich will auch Elsa hören und lässt die Beschuldigte rufen. Sie schreitet „sehr langsam und mit großer Verschämtheit“ auf den König zu, antwortet gar nicht erst auf die Frage, ob sie ihn als Richter anerkenne und beklagt nur traurig ihren „armen Bruder“.
Als Heinrich sie ermuntert, ihm ihre Sicht der Dinge anzuvertrauen, versinkt Elsa in träumerische Entrücktheit und beschreibt einen strahlenden Ritter, der für sie eintreten werde – als Antwort auf ihre Gebete …
Einsam in trüben Tagen
hab‘ ich zu Gott gefleht,
des Herzens tiefstes Klagen
ergoss ich im Gebet.
[…]
In Lichter Waffen Scheine
ein Ritter nahte da,
so tugendlicher Reine
ich keinen noch ersah:
Ein golden Horn zur Hüften,
gelehnet auf sein Schwert –
so trat er aus den Lüften
zu mir, der Recke wert;
mit züchtigem Gebaren
gab Tröstung er mir ein;
des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!
Elsas Gottvertrauen beeindruckt die versammelte Menge. Ein Mädchen wie sie könne doch unmöglich ihren Bruder ermordet haben!
„Bedenke wohl, wen klagst du an?“ ruft der König Friedrich von Telramund zu.
Doch der lässt sich sein Vorurteil nicht ausreden: „Mich irret nicht ihr träumerischer Mut!“
Er sei bereit, seine Ehre mit dem Schwert zu verteidigen.
„Hier steh’ ich, hier mein Schwert! Wer wagt von euch,
zu streiten wider meiner Ehre Preis?“
Natürlich niemand. Das Volk kennt und liebt den gewaltigen Telramund. Sein Sieg im Kampf gegen die „wilden Dänen“ ist legendär.
Also beschließt König Heinrich, dass ein Gottesgericht den Fall entscheiden soll. Besiege jemand Telramund in einem Kampf auf Leben und Tod, so sei Elsas Unschuld damit erwiesen.
Aber wen könnte Elsa als ihren „Streiter“ wählen?
Immer noch in Schwärmerei versunken, gibt Elsa sich davon überzeugt, dass ein gottgesandter Ritter für sie eintreten werde.
Dann wird es ernst, Visionen allein werden jetzt nicht mehr helfen. Der Heerrufer tritt in Aktion und lässt die vier Heerhornbläser, den Himmelsrichtungen zugewendet, „den Ruf blasen“. Wer würde ihm folgen? Wer für Elsa gegen den mächtigen Telramund in den Kampf ziehen?
Langes, gespanntes Stillschweigen. Elsa versinkt in ihrem Gebet, während für die Männer bereits das Urteil gefällt ist: „In düst’rem Schweigen richtet Gott.“
Doch in diesem Augenblick geschieht das Wunder: „Die auf einer Erhöhung dem Ufer des Flusses zunächst stehenden Männer gewahren zuerst die Ankunft Lohengrins, welcher in einem Nachen, von einem Schwan gezogen, auf dem Flusse in der Ferne sichtbar wird.“
Der Retter naht! „Lohengrin, in glänzender Silberrüstung, den Helm auf dem Haupte, den Schild im Rücken, ein kleines goldenes Horn zur Seite, steht, auf sein Schwert gelehnt, darin. Friedrich blickt in sprachlosem Entsetzen auf Lohengrin hin. Ortrud, die während des Gerichtes in kalter, stolzer Haltung verblieben, gerät beim Anblick des Schwans in tödlichen Schrecken. Sowie Lohengrin die erste Bewegung macht, den Kahn zu verlassen, tritt bei allen sogleich das gespannteste Stillschweigen ein.“
Bevor Lohengrin sich den erstaunten Brabantern zugesellt, bedankt er sich mit betörendem Schöngesang bei seinem wohlgeformten Zugtier:
Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!
Zieh durch die weite Flut zurück,
dahin, woher mich trug dein Kahn,
kehr wieder nur zu unsrem Glück!
Drum sei getreu dein Dienst getan!
Leb wohl, leb wohl, mein lieber Schwan!
Sodann erklärt sich Lohengrin bereit dazu, für Elsa zu kämpfen und fragt die Entzückte auch gleich, ob sie ihn zum Gatten wolle. Sie signalisiert Zustimmung. Er habe aber eine Bedingung, lässt der Ritter eindringlich verlauten:
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam’ und Art!
Elsa stimmt unbesorgt und freudig zu, beide erklären einander ihre Liebe.
Die Edlen des Volkes sind entzückt von dem Geschehen. Nur Friedrich von Telramund besteht weiterhin auf Kampf.
So tritt er gegen den namenlosen Ritter an – und unterliegt nach kurzem Gefecht.
Lohengrin setzt dem Ankläger sein Schwert an den Hals: „Durch Gottes Sieg ist jetzt dein Leben mein!“
Um gleich wieder von ihm abzulassen: „Ich schenk’ es dir, mög’st du der Reu’ es weih’n!“
Alle jubeln – nur Ortrud und Friedrich nicht …
2. Aufzug: In der Burg von Antwerpen
Ärmlich gekleidet und finster blickend: Friedrich von Telramund ist immer noch niedergeschmettert von seiner Niederlage gegen Lohengrin. Während in der Burg Elsas Rettung gefeiert wird, blickt er grimmig auf seine Gemahlin Ortrud, die „Genossin seiner Schmach“ und macht ihr Vorwürfe: Sie sei es gewesen, die ihn zur Anklage gegen Elsa verführt hätte! Sie habe ihn an den Brudermord glauben lassen und ihm die bevorstehende neue Herrschaft ihres Geschlechts prophezeit!
Ortrud, eine aus dem heidnischen Friesland stammende, der Zauberei kundige Frau, lässt Friedrichs Verzweiflung ungerührt: Nicht Gott habe im Kampf gegen den Schwanenritter entschieden, sondern Friedrichs Feigheit. Alles nur fauler Zauber! Der geheimnisvolle Fremde würde sofort seine Macht verlieren, wäre er gezwungen, seinen Namen zu nennen – oder würde er einen kleinen Teil seines Körpers verlieren. Ein Fingerspitzlein vielleicht …
Mit ihren heidnischen Weisheiten gelingt es Ortrud, ihren Mann wieder für sich zu gewinnen. Friedrich sieht eine Chance, seine verlorene Ehre wieder herzustellen – und schon schmiedet das finstere Paar Rachepläne: Mit List und Gewalt werde es gelingen, Elsa und den geheimnisvollen Schwanenritter zu entzaubern!
Der Rache Werk sei nun beschworen
aus meines Busens wilder Nacht!
Die ihr in süssem Schlaf verloren,
wisst, dass für euch das Unheil wacht!
Bald danach tritt Elsa in weißem Gewand an die Brüstung der Burg und singt den Dank für ihre wundersame Rettung hinaus in die nächtlichen Lüfte:
Euch Lüften, die mein Klagen
so traurig oft erfüllt,
euch muss ich dankend sagen,
wie sich mein Glück enthüllt!
Ein empfindungsvoller Moment – die beste Gelegenheit für Ortrud, Elsas Mitleid zu erregen – der entscheidende erste Schritt, um Einfluss bei ihr zu gewinnen.
Ortrud bittet Elsa, sie anzuhören. Friedrich und sie selbst seien voller Reue, zu „grimmer Buße“ verdammt …
Elsas Mitgefühl erwacht, und während sie sich mitfühlend auf den Weg hinab zu Ortrud macht, wendet diese sich mit der Bitte um Beistand an ihre Götter:
Entweihte Götter! Helft jetzt meiner Rache!
Bestraft die Schmach, die hier euch angetan!
Stärkt mich im Dienste eurer heil’gen Sache!
Vernichtet der Abtrünn’gen schnöden Wahn!
Wodan! Dich Starken rufe ich!
Freia! Erhabne, höre mich!
Segnet mir Trug und Heuchelei,
dass glücklich meine Rache sei!
Nachdem Elsa Ortrud versichert hat, ihr verziehen zu haben, gelingt es dieser geschickt, das Misstrauen der jungen Braut zu schüren. Sie warnt Elsa davor, ihrem Glück nicht allzu blind zu vertrauen. Ihr Mann sei durch einen Zauber zu ihr gekommen – und er könne sie auf ebenso wundersame Weise wieder verlassen …
Elsa aber lässt sich durch solche Worte nicht beeinflussen. Sie sei sich ihrer Sache sicher und genieße die „süße Wonne reinster Treu“.
Ortrud ist dennoch zufrieden. Sie weiß nun, dass der Stolz Elsas, der in ihrer Antwort zum Ausdruck kommt, das beste Werkzeug sein wird, um ihre Treue zu untergraben. –
Sonnenaufgang. Die Männer versammeln sich, der Heerrufer verkündet des Königs „Wort und Will’“: Friedrich von Telramund sei „in Acht und Bann“, weil er untreu den Gotteskampf gewagt habe, der „fremde, gottgesandte Mann“ sei „mit Land und Krone von Brabant belehnt“. Er solle von allen „Schützer von Brabant“ genannt werden. Heute werde der König mit den Mannen Elsas Hochzeit feiern, morgen solle das brabantische Heer dann gegen die Ungarn ziehen.
Jubel, Trubel, Heiterkeit – nur einige alte Gefolgsleute Telramunds sind mit dem neuen fremden Herrscher und dem nahenden Krieg „gegen einen Feind, der uns noch nie bedroht“ nicht einverstanden. Als sie beraten, wer etwas gegen diese Entwicklungen unternehmen könnte, enthüllt Friedrich von Telramund, der unbemerkt unter sie getreten war, sein Haupt: „Ich“, erklärt er kühn und offenbart den Gesinnungsgenossen seine Absicht, den Fremden öffentlich des „Gottestrugs“, also der Zauberei anzuklagen.
Indes schreitet Elsa, vom Chor festlich gekleideter Frauen und Edelknaben stimmgewaltig geleitet, feierlich zum Münster, wo die Trauung vollzogen werden soll.
Doch dann wird der gesegnete Zug der „Engelgleichen, Tugendreichen“ jäh durch Ortrud gestört. Sie macht Elsa den Vortritt streitig: Telramund sei der rechtmäßige Herrscher von Braband – und der fremde Ritter nur ein Zauberer, der seine Macht schnell verlieren würde, würde er seinen Namen nennen …
Elsa ist von Ortruds Kühnheit zunächst überrascht und betroffen, begegnet dann aber der „Lästerin“ und „ruchlosen Frau“ einigermaßen mutig.
Als auch der König und Lohengrin die Szenerie betreten, scheint Ortruds emotionale Attacke erfolgreich abgewehrt. Doch nun sieht auch Telramund seine Stunde gekommen und bezichtigt den fremden Ritter öffentlich der Zauberei:
Den dort im Glanz ich vor mir sehe,
den klage ich des Zaubers an!
Wie Staub vor Gottes Hauch verwehe
die Macht, die er durch List gewann!
Der „Schützer von Brabant“ reagiert auf Ortruds und Telramunds Forderung, seinen Namen zu nennen, gelassen: Er sei lediglich Elsa Rechenschaft schuldig, niemand anderem. Und auch der König spricht sich nochmals machtvoll für den neuen Herrscher aus.
Dennoch beginnt Ortruds heidnische Saat zu keimen: In Elsa regen sich stille Zweifel, sie versinkt in „wildes Brüten“. Wenigstens sie sollte das Geheimnis doch kennen:
Wüsst’ ich sein Los, ich wollt’ es treu bewahren!
Im Zweifel doch erbebt des Herzens Grund!
Da neigt sich auch noch Telramund der unsicher werdenden Elsa zu, um ihre Zweifel zu schüren. Dem allzu leisen „Hinweg!“ der Braut zum Trotz kündigt Telramund kündigt, nachts in ihrer Nähe zu sein. Er wolle von dem Fremden nur die Spitze eines Fingers … Elsa werde dann sehen, woran sie wirklich ist.
Als der „Schützer von Brabant“ sieht, mit wem Elsa da tuschelt, tritt er dazwischen und weist Friedrich von Telramund den Weg. Elsa wendet sich „mit einem zweifelvoll schmerzlichen Blick“ von Friedrich ab und gelobt ihrem Gatten Treue:
Mein Retter, der mir Heil gebracht!
Mein Held, in dem ich muss vergeh’n!
Hoch über alles Zweifels Macht
soll meine Liebe steh’n.
Der Hochzeitszug bewegt sich in Richtung Münster …
3. Aufzug: Elsas Brautgemach; am Ufer der Schelde
Elsa und der „Schützer von Brabant“ werden in einem feierlichen Zug in das Brautgemach geleitet – „treulich geführt“ vom Chor der Männer und Frauen.
Dort sind die beiden zum ersten Mal allein. Der strahlende Ritter erklärt Elsa seine Liebe, sie aber bedauert es bald, den „holden Klang“ seines Namens nicht zu kennen. Würde er ihn ihr nennen, so versichert sie ihrem Gatten, niemals würde sie ihn der Welt zu Gehör zu bringen. Der Name könnte ein intimes Geheimnis bleiben:
Nur, wenn zur Liebesstille wir geleitet,
sollst du gestatten, dass mein Mund ihn spricht.
Immer drängender wird Elsas Bitte an den Ritter, ihr sein Vertrauen zu beweisen, indem er ihr seinen Namen nenne. Er aber erinnert sie noch einmal an das Frageverbot:
Höchstes Vertrau’n hast du mir schon zu danken,
da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt;
wirst nimmer du vor dem Gebote wanken,
hoch über alle Frau’n dünkst du mich wert! …
Drum wolle stets den Zweifel meiden,
dein Lieben sei mein stolz Gewähr!
Denn nicht komm’ ich aus Nacht und Leiden,
aus Glanz und Wonne komm’ ich her!
Solche Worte können Elsa nicht beruhigen. Im Gegenteil: Er wolle doch sicher bald wieder dieses höchste Glück im Reich seiner Herkunft genießen, er werde sie sicher bald verlassen …
Die Befürchtung wird zur Vision: Schon wähnt Elsa einen Schwan zu sehen, einen nahenden Kahn, um ihren Gatten abzuholen. Ihre Gefühle der Unsicherheit und des Zweifels überwältigen sie – und schließlich stellt Elsa die verbotenen Fragen nach dem Namen und der Herkunft des Ritters.
In diesem Augenblick stürzt Telramund mit seinen Getreuen in das Brautgemach, um den vermeintlichen Zauber, der den Fremden schützt, durch eine Verletzung zu brechen. Doch er hat keine Chance. Im Trubel reicht Elsa ihrem Ritter das Schwert – und nach einem einzigen Streich sinkt Friedrich von Telramund tot zu Boden.
Entsetzt lassen die anderen ihre Waffen fallen und werfen sich vor Lohengrin auf die Knie. Er befiehlt ihnen, den Erschlagenen „vor des Königs Gericht“ zu tragen.
Elsa ist indes ohnmächtig geworden – und Lohengrin ist bewusst, dass ihr gemeinsames Glück nun „dahin“ ist. Er weist die Frauen an, Elsa anzukleiden und vor den König zu führen. Dort werde er ihre Fragen beantworten. –
Tagesanbruch. Am Ufer der Schelde begrüßt der König die brabantischen Fürsten und Krieger, die für ihn gegen die Ungarn ziehen wollen. Doch ihre Zuversicht, der „Schützer von Brabant“ werde dabei an ihrer Seite sein, zerschlägt sich jäh: Lohengrin enthüllt Friedrich von Telramunds Leiche, die von seinen Getreuen gebracht worden war, und berichtet, was in dieser Nacht geschah.
Dann offenbart er allen feierlich seine Herkunft und seinen Namen:
In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Montsalvat genannt;
ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar, als auf Erden nichts bekannt;
drin ein Gefäß von wundertät’gem Segen
wird dort als höchstes Heiligtum bewacht:
Es ward, dass sein der Menschen reinste pflegen,
herab von einer Engelschar gebracht;
alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu stärken seine Wunderkraft:
Es heisst der Gral, und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überird’scher Macht;
an dem ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Nacht.
Selbst wer von ihm in ferne Land’ entsendet,
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt.
So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthüllt – muss er des Laien Auge flieh’n;
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn – dann muss er von euch zieh’n.
Nun hört, wie ich verbot’ner Frage lohne!
Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
Mein Vater Parzival trägt seine Krone,
sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.
Nun aber rufe ihn der Gral wieder zurück.
Elsas ist nun „wie vernichtet“. Ihr Flehen, Lohengrin möge doch bei ihr bleiben, verhallt unerhört. Schon naht der Schwan – und der strahlende Ritter muss sich dem Gesetz des Grals fügen. Wäre er ungehorsam, würde ihm „alle Manneskraft entwandt“.
Aber er verheißt König Heinrich einen großen Sieg. Bis in die fernsten Tagen würden „des Ostens Horden“ nicht mehr nach Deutschland ziehen.
Ortrud ist mit dem Ergebnis ihrer Intrige zufrieden. „Mit jubelnder Gebärde“ erklärt sie triumphierend, dass Lohengrins Schwan in Wirklichkeit Gottfried sei, Elsas vermisster Bruder, der von ihr verzaubert worden sei. Die alten Götter hätten sich damit gerächt!
Lohengrin sinkt daraufhin „zu einem stummen Gebet feierlich auf die Knie. Aller Blicke richten sich in gespannter Erwartung auf ihn hin. Die weiße Gralstaube schwebt über dem Nachen herab. Lohengrin erblickt sie; mit einem dankbaren Blicke springt er auf und löst dem Schwan die Kette, worauf dieser sogleich untertaucht. An seiner Stelle hebt Lohengrin einen schönen Knaben in glänzendem Silbergewande – Gottfried – aus dem Flusse an das Ufer.“
Seht da den Herzog von Brabant!
Zum Führer sei er euch ernannt!
„Ortrud sinkt bei Gottfrieds Anblick zusammen. Lohengrin springt schnell in den Kahn, den die Taube an der Kette gefasst hat und sogleich fortzieht. Elsa blickt mit letzter freudiger Verklärung auf Gottfried, welcher nach vorn schreitet und sich vor dem König verneigt. Alle betrachten ihn mit seligem Erstaunen, die Brabanter senken sich huldigend vor ihm auf die Knie. Dann eilt Gottfried in Elsas Arme.“
Lohengrin aber fährt „traurig auf seinen Schild gelehnt“ im Nachen gen das ferne Land.
Elsa erträgt den Abschied nicht und „gleitet langsam entseelt in Gottfrieds Armen zu Boden“.
(Alle Zitate aus Richard Wagners „Lohengrin“-Libretto)